Fußballübertragungen: Bundesliga, Kartellrecht und die Medienkonvergenz

Dr. habil. Martin Stopper

30.11.2010

Die Medienwelt ist weiter im Wandel. So ist etwa Yahoo! Deutschland an einer Nachverwertung von Bundesliga-Spielberichten im Internet interessiert und will für die Rechte beim nächsten Ausschreibungsverfahren Angebote abgeben. Welche rechtlichen Auswirkungen hat es, dass Internetplattformen zunehmend in die Märkte der TV-Sender drängen?

Zur Medienwelt gehören nicht nur ihre Inhalte, sondern auch ihre Transportwege. Wertvollstes Medium sind Bewegtbilder. Sie erreichen den Konsumenten über die verschiedensten Transportmittel, über Satellit, über TV-Kabel, terrestrisch etwa über DVBT-Standard, über Mobilfunknetze oder über die auf verschiedenen Wegen verbreitbaren Internetprotokolle – um nur die gängigsten zu nennen.

Der Konsument von Bewegtbildern ist jedoch nur in zweiter Linie daran interessiert, wie ihn die begehrten Bilder erreichen. Ihn interessiert schon eher, welches Empfangsgerät er aktivieren muss und möchte, um die transportierte Ware zu konsumieren. Dafür stehen ihm derzeit vor allem Fernseher, Computer oder Handy zur Verfügung. Wenn er gerne auf dem Handy guckt, wird ihm das Signal über Mobilfunk oder Internet geschickt. Wählt er lieber den Computer oder Fernseher, stehen eigentlich alle hier genannten Transportmittel zur Verfügung, um die Bilder entsprechend zu empfangen.

Das ist im Groben der Stand der Technik, mit dem man den Status des sich laufend neu definierenden Begriffs der Medienkonvergenz umschreiben kann. Es ist aber auch die strategische Denkbasis für Anbieter und Nachfrager auf dem Markt für die Rechte an den Bewegtbildern der Fußball-Bundesliga, wenn diese Rechte für die Zeit ab der Saison 2013/14 wieder ausgeschrieben werden.

Live-Fußball: Eine teure, wertvolle Angelegenheit

Zur Zeit weiß der Fernsehzuschauer als medialer Endverbraucher, dass er grundsätzlich Bundesliga-Live-Fußball nur gegen Bezahlung und zusammengefassten Bundesliga-Fußball zeitversetzt im frei empfangbaren Fernsehen sehen kann. Der wertvollste Fußball ist damit der Live-Fußball. Er ist in Deutschland bei Sky und der Telekom im Fernsehen zu empfangen – jeweils unter Nutzung eines zusätzlichen Empfangsgerätes.

Sky zahlt laut Presseberichten für diese Rechte im Schnitt 250 Millionen Euro pro Saison, die Telekom 25 Millionen Euro pro Saison. Mittlerweile sind Sky und Telekom hinsichtlich ihrer Nachfrager allerdings auf Augenhöhe, der Endverbraucher wählt zwischen ihm gleichwertig erscheinenden Angeboten zur Bundesliga aus – nur die Zahl der potentiellen Endverbraucher ist für Sky höher, da die Telekom-Technologie noch nicht so viele Menschen erreicht.

Diese Schieflage im Pay-TV-Markt hat die Medienkonvergenz erzeugt, also das Verschmelzen von vormals aus Nachfragesicht unterscheidbaren Medien. Grundsätzlich sind solche Marktveränderungen der gewünschte Effekt dynamischer Märkte, denen sich die Akteure anzupassen haben. Leistung und Gegenleistung werden so wieder ins Verhältnis gerückt. Diese Anpassung soll in Übereinstimmung mit den rechtlich garantierten ökonomischen Handlungsfreiheiten der Verbraucher erfolgen können.

Wie "fremd" sind die Rechte der Vereine hinsichtlich des Kartellrechts?

Die Handlungsfreiheiten auf der Ebene Bundesliga als Rechtegeber und Medienunternehmen als Nachfrager sind jedoch beschränkt. Das hat seine Ursache im Kartellrecht. Europäische wie deutsche Wettbewerbsbehörden sind der Auffassung, dass die Bundesliga als Rechtegeberin in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt werden muss, weil sie keine originäre Rechteinhaberin ist, also nicht eigene, sondern die fremden Rechte der Bundesliga-Vereine auf dem Markt anbietet. Dies ist nach Auffassung der Kartellbehörden ein Syndikat, das nur unter Auflagen mit europäischem Wettbewerbsrecht vereinbart werden kann.

Darüber lässt sich aber trefflich streiten. Denn der Endverbraucher interessiert sich für ein Spiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund fast ausschließlich im Rahmen der Bundesliga, nicht im Rahmen eines sonstigen Aufeinandertreffens, etwa eines Freundschaftsspiels. Das spiegeln die realen Marktwerte eindrücklich wider. Der mediale Wert einer Bundesliga-Begegnung übersteigt den eines Freundschaftsspiels um das Zwanzigfache. Deshalb ist der Umkehrschluss, dass eine Vermarktung durch die Vereine statt durch die Bundesliga den realen Wettbewerbsverhältnissen entspricht, zugleich ein Trugschluss.

Die Bundesliga könnte in einem solchen Fall für sich beanspruchen, dass die organisatorisch aufwändige Bereitstellung des Rahmens "Bundesliga" eine Leistung darstellt, derer sich die Vereine nicht eigenmächtig bedienen dürften. Es handelt sich bei den Rechten tatsächlich also nur um "teilweise" fremde Rechte. Und ob diese Konstellation eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Kartellrechts bedeuten soll, kann man mit guten Argumenten bezweifeln.

Medienunternehmen müssen marktreal bieten können

Dennoch ist die Auffassung der Behörden, dass die Vermarktung von Bundesliga-Rechten durch die Bundesliga ein Kartell ist, der gegenwärtige Stand des Rechts. Das hat zur Folge, dass die Handlungsfreiheiten der Akteure auf dem Medienmarkt,  marktkonform auf die Medienkonvergenz zu reagieren, durch kartellbehördliche Auflagen – es klingt paradox – beschränkt sind.

Das liegt daran, dass die Auflagen so gestaltet sind, dass die Bundesliga den Mediennachfragern möglichst zahlreiche Rechtepakete anbieten muss, um die Nachfrage zu erhöhen. Dieser Effekt tritt grundsätzlich auch ein, wenn die Pakete "marktreal" sind, also strategisches Handeln auf Nachfrageseite ermöglichen. So muss Sky in der Lage sein, auf die Wettbewerbssituation mit der Telekom zu reagieren. Dies kann die Bundesliga ermöglichen, wenn es ihr gestattet ist, alle konvergierten Übertragungswege für den Live-Pay-Bereich in ein Paket zu packen, um so Nachfragern wie Sky, der Telekom oder anderen dieses Feld auch exklusiv zu sichern.

Noch besser wäre es, wenn es den Medienunternehmen gestattet ist, strategische Angebote zu machen, ohne an starre Paketvorgaben gebunden zu sein. Sie müssen ihre Angebote so gestalten können, dass sie ihren Prognosen für das Verhalten der Endverbraucher unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklung entsprechen. Sky oder andere neue Bieter für Bundesligarechte, die die Medienkonvergenz hervorgebracht hat, müssen in der Verfassung sein, "marktreal" zu bieten. Dann würde der Wettbewerb auf Nachfrageseite die bestmögliche Dynamik entfalten, weil er die Realität des konvergierenden Medienmarktes spiegelt.

Die kartellrechtlichen Auflagen müssen daher für die nächste Ausschreibung der TV-Rechte angepasst werden. Den Wettbewerbsbehörden sollte das bekannt sein. In der entsprechenden Mitteilung der Kommission hieß es im Jahr 2004: "Die vorgenannten Rechte dürfen nicht so veräußert werden, dass durch einen Verwerter ein Produkt erstellt werden kann, welches den Interessen des DFB und des Ligaverbandes bzw. der Erwerber der Rechte an einem einheitlichen Produkt zuwiderläuft. ...".

Ein einheitliches Produkt sollte zugleich ein marktreales Produkt sein. Dann können auch neue Nachfrager wie Yahoo! und ihre Wettbewerber so agieren, wie es der Wettbewerbsfreiheit gebührt. 

Dr. habil. Martin Stopper ist Partner der auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei Lentze Stopper in München. Die Kanzlei berät unter anderem Rechteinhaber und Medienunternehmen im professionellen Fußball.

Zitiervorschlag

Dr. habil. Martin Stopper, Fußballübertragungen: Bundesliga, Kartellrecht und die Medienkonvergenz . In: Legal Tribune Online, 30.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2057/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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