Föderale Finanzreform: Steuerwettlauf zwischen den Bundesländern

von Prof. Dr. Dennis Klein

21.10.2014

Müssen Berliner bald mehr Steuern zahlen als Bayern? Die Reformvorschläge des Bundes, nach denen jedes Bundesland den Einkommensteuersatz autonom festlegen soll, könnten darauf hinauslaufen. Finanzstarke Bundesländer befürworten den Vorschlag, finanzschwache äußern Kritik. Eine Steuerrevolution ist aber nicht zu erwarten, meint Dennis Klein.

Die Einkommensteuer ist mit rund 225 Milliarden Euro Steueraufkommen  eine zentrale Steuerquelle des Staates. Das Problem: Zwischen Bund, Ländern und den Kommunen herrscht ein gewisses Durcheinander bei der Steuergesetzgebung. Teilweise blockieren sich der föderale und der Bundesgesetzgeber bei Reformbemühungen gegenseitig. Die Länder wiederum haben keine nennenswerte Möglichkeit, eigenständig Steuern festzulegen oder auszugestalten.

Zwar hat der Bund nach Art. 105 Abs. 2 Grundgesetz (GG) die Gesetzgebungskompetenz. Das Steueraufkommen hat er sich aber nach Art. 106 Abs. 3, Abs. 5 GG mit den Länder und in kleinerem Umfang auch den Gemeinden zu teilen. Änderungen der Einkommensteuer bedürfen nach Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates. Ein Übriges trägt dann noch der Länderfinanzausgleich bei, der gerade bei Steuerzuwächsen zu einem erheblichen Mitteltransfer zwischen den Bundesländern führt.

Bewegung könnte ein unlängst von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufgegriffener Vorschlag des Bundes zur Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen bringen: Die Bundesländer sollen selbst die Höhe der Einkommensteuersätze bestimmen dürfen, also für ihren Anteil die Zuschläge oder auch Abschläge festlegen. Gleichzeitig soll eine Begrenzung des Länderfinanzausgleichs die Finanzierungsverantwortlichkeit stärken. Das Konzept der "Bestellerkausalität" ("Wer bestellt, der bezahlt") soll das bisherige Konzept der Vollzugskausalität ersetzen. Auch der 70. Deutsche Juristentag griff im September diesen Vorschlag auf.

Frohlocken in Bayern, Zähneklappern in Berlin

Es verwundert wenig, dass Unterstützer für die Reformvorschläge vor allem in Bayern und Baden-Württemberg zu finden sind, während aus finanzschwachen Bundesländern prompt Kritik zu vernehmen war.

Befürworter versprechen sich mehr föderalen Steuerwettbewerb. Bundesländer könnten versuchen, durch Abschläge auf die Einkommensteuer Bürger oder Betriebe zum Umzug aus anderen Bundesländern anzulocken. Allein diese Möglichkeit verhindere zum Wohle der Steuerpflichtigen allzu starke Steuererhöhungen. Gleichzeitig steige die Ausgabentransparenz. Wer seinen Bürgern Wohltaten wie ein reiches Kulturangebot oder umfassende kostenfreie Kinderbetreuung bieten wolle, müsse sie auch über höhere Steuern an der Finanzierung beteiligen.

Die Kritiker führen gegen die gesteigerte Steuerautonomie die grundgesetzliche Vorgabe des Art. 72 Abs. 2 GG zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet an. Auch liege föderaler Steuerwettbewerb nicht im öffentlichen Interesse, da sich Deutschland gerade auf internationaler Ebene gegen "aggressiven" Steuerwettbewerb einsetze. Der Vorschlag zementiere zudem die Vormachtstellung der finanzstarken Geber-Bundesländer, während die finanzschwachen Nehmer-Länder strukturell benachteiligt würden. Ihnen bliebe in ihrer Finanznot gar nichts anderes übrig, als ihre Steuern zu erhöhen, damit Bürger und Betriebe in reichere Bundesländer zu "vertreiben" und letztlich ihre Finanzprobleme nur zu verstärken.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Dennis Klein, Föderale Finanzreform: Steuerwettlauf zwischen den Bundesländern . In: Legal Tribune Online, 21.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13540/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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