Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Mehr Know-how aus dem Aus­land?

Gastbeitrag von Dr. Gunther Mävers

10.03.2020

Die Regierung wollte es erleichtern, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Das ist ihr im Prinzip auch gelungen, meint Gunther Mävers. Nur: Der ganz große Wurf war das dennoch nicht. Kommt nun wirklich mehr Know-how aus dem Ausland?

Zum 1. März 2020 ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) in Kraft getreten. Es regelt das derzeitige System nicht vollständig neu, sondern ändert bestehende Gesetze/Verordnungen ab, insbesondere das Aufenthaltsgesetz, die Beschäftigungsverordnung sowie die Aufenthaltsverordnung.

Bisher war es Drittstaatsangehörigen generell untersagt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, es sei denn, dies wurde durch Gesetz oder Verordnung erlaubt (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Mit dem FEG hat der Gesetzgeber diesen Grundsatz umgekehrt und in § 4a Abs. 1 AufenthG den allgemeinen Grundsatz des Zugangs zur Erwerbstätigkeit eingeführt. Fortan dürfen Ausländer, die einen Aufenthaltstitel besitzen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, sofern nicht gesetzlich ein Verbot vorgesehen ist (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt).

Ungeachtet dessen kann die Erwerbstätigkeit durch Gesetz eingeschränkt werden. Darüber hinaus besteht trotz des (neuen) Grundsatzes, dass keine Vorrangprüfung stattfinden soll, der Vorbehalt, dass eine solche Prüfung durch Gesetz oder Verordnung vorgesehen werden kann. Dies ist für zahlreiche Kategorien auch so vorgesehen. Praktisch wird sich daher im Ergebnis gar nicht so viel verändern wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Anders ausgedrückt: Die Bundesagentur für Arbeit kann der Beschäftigung eines Ausländers in vielen Fällen gesondert zustimmen – auch unabhängig von der Qualifikation des Ausländers als Fachkraft.

Zentrale Ausländerbehörden und ein schnelleres Verfahren

Das FEG sieht u.a. zwei bedeutsame Verfahrensneuregelungen vor: die (fakultative) Errichtung von zentralen Ausländerbehörden sowie ein (optionales) beschleunigtes Verfahren für Fachkräfte.

So ist in § 71 Abs. 1 S. 5 AufenthG nun vorgesehen, dass die Länder jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten sollen, die bei Visumanträgen zur Ausbildungs- und Arbeitsmigration die zuständige Ausländerbehörde ist. Hier ist man auf halbem Weg stehen geblieben: Die Vorschrift sieht die Errichtung von zentralen Ausländerbehörden durch die Länder nicht zwingend vor, was zu einem Flickenteppich der Zuständigkeit auf Länderebene führt. Zudem sollen diese Behörden nur bei der Einreise für Visaangelegenheiten verantwortlich sein. Praktikabler wäre es gewesen, den Behörden eine Allzuständigkeit zwingend zuzuweisen. So hätte man eine echte Zentralisierung der Kompetenzen für das jeweilige Bundesland erreicht, was allen Beteiligten zugute gekommen wäre.

Mit § 81a AufenthG wird ein "beschleunigtes Fachkräfteverfahren" für Fachkräfte und sonstige qualifizierte Beschäftigte eingeführt, die zu einem der folgenden Aufenthaltszwecke einreisen wollen:

  • Berufsausbildung; berufliche Weiterbildung (§ 16a AufenthG)
  • Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (§ 16d AufenthG)
  • Fachkräfte mit Berufsausbildung (§ 18a AufenthG)
  • Fachkräfte mit akademischer Ausbildung (§ 18b  AufenthG)
  • hoch qualifizierte Fachkräfte mit akademischer Ausbildung (§ 18c Absatz 3 AufenthG)

Das beschleunigte Verfahren kostet den Antragsteller bzw. seinen Arbeitgeber einen höhere Gebühr als das normale Verfahren (411 Euro) und setzt eine Vereinbarung zwischen der Ausländerbehörde und dem Arbeitgeber mit folgendem (Mindest-)Inhalt voraus:

  • Kontaktdaten des Ausländers, des Arbeitgebers und der Behörde
  • Bevollmächtigung des Arbeitgebers durch den Ausländer
  • Verpflichtung des Arbeitgebers, auf die Einhaltung der Mitwirkungspflicht des Ausländers hinzuwirken
  • Diverse vorzulegende Nachweise
  • Beschreibung der Abläufe einschließlich Beteiligter und Erledigungsfristen
  • Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers und
  • Folgen bei Nichteinhalten der Vereinbarung

Davon unabhängig soll die Ausländerbehörde den Arbeitgeber zum Verfahren und zu den einzureichenden Nachweisen beraten, die etwaig erforderliche Prüfung der Anerkennung eines Abschlusses des Ausländers in die Wege leiten, die ggf. erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen, die zuständige Auslandsvertretung über die bevorstehende Visumsantragstellung informieren sowie der Visumserteilung vorab unverzüglich zustimmen.

Beschleunigt wird das Verfahren durch Fristenregelungen. So sieht § 31a AufenthV vor, dass die Auslandsvertretung einen Termin innerhalb von drei Wochen nach Vorlage der Vorabzustimmung durch die Fachkraft zu vergeben hat und in der Regel innerhalb von drei weiteren Wochen ab Stellung des vollständigen Visumsantrags und der Vorabzustimmung durch den Arbeitgeber entscheiden soll.

Mitumfasst werden schließlich nach Maßgabe des § 81a Abs. 5 AufenthG auch der Familiennachzug des Ehegatten sowie minderjähriger Kinder, sofern deren Visumsanträge gleichzeitig bzw. im zeitlichem Zusammenhang (drei bis sechs Monate) gestellt werden.

Einfacherer Zugang zum Arbeitsmarkt

Ferner lockert das Gesetz zahlreiche materielle Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln an Fachkräfte.

Eine Fachkraft mit Berufsausbildung, ein Ausländer, der eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt (§ 18 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG), kann gem. § 18a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erhalten, sofern die erworbene Qualifikation sie bzw. ihn zur Ausübung der Beschäftigung befähigt. Das setzt voraus, dass

  • ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt
  • die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat
  • eine etwaig erforderliche Berufsausübungserlaubnis erteilt oder zugesagt wurde und
  • die Gleichwertigkeit der Qualifikation festgestellt wurde

Fachkräfte mit Berufsausbildung sollen nun grundsätzlich bei Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes beschäftigt werden können, ohne dass eine Vorrangprüfung und Engpassbetrachtung stattfindet. Erforderlich ist lediglich, dass die erworbene Qualifikation sie zur Ausübung der Beschäftigung befähigt.

Bei Fachkräften mit akademischer Ausbildung sieht es ganz ähnlich aus. So kann ein Ausländer, der einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzt (§ 18 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG), eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung in denjenigen Berufen erhalten, zu der die Qualifikation befähigt (§ 18b Abs. 1 AufenthG).

Dies setzt voraus, dass

  • ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt
  • die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat
  • eine Berufsausübungserlaubnis erteilt oder zugesagt wurde, soweit diese erforderlich ist, und
  • ggf. die Gleichwertigkeit der Qualifikation festgestellt wurde

Immer erforderlich ist, dass die erworbene Qualifikation den Ausländer zur Ausübung der Beschäftigung befähigt, d.h. die Beschäftigung kann auch in Berufen unterhalb der erworbenen Qualifikation ausgeübt werden. Das ist bei der sogenannten Blauen Karte EU anders; hier muss das Verhältnis der angestrebten Tätigkeit zur Qualität des erworbenen Abschlusses passen.

Fachkräfte ohne Ausbildung, aber mit genug Praxiserfahrung

Durch § 19c Abs. 2 AufenthG gibt es zudem die Möglichkeit, Fachkräfte mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen auch unabhängig von einer formalen Qualifikation als Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn die Beschäftigungsverordnung (BeschV) dies bestimmt. Dies ist nach § 6 BeschV für Berufe auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie vorgesehen, wenn

  • der Ausländer eine durch in den letzten sieben Jahren erworbene, mindestens dreijährige Berufserfahrung nachgewiesene vergleichbare Qualifikation besitzt
  • die Höhe des Gehalts mindestens 60 Prozent der jährlichen Bemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt und
  • der Ausländer über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt

Während das jährlich festgelegte Mindestgehalt (derzeit: 49.680 Euro) unabdingbar ist, ist der Nachweis der Sprachkenntnisse im begründeten Einzelfall verzichtbar.

Fachkräfte dürfen zur Arbeitsplatzsuche länger bleiben

Weitere Erleichterungen haben die neuen Regelungen auch hinsichtlich der Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte geschaffen. Die bisherigen Aufenthaltsmöglichkeiten zur Arbeitsplatzsuche sind ausgeweitet worden (§ 20 AufenthG).

So können Fachkräfte (mit akademischer Ausbildung und - nun auch - mit Berufsausbildung) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (u.a. Sprachkenntnisse; gesicherter Lebensunterhalt; mindestens gleich langer vorheriger Aufenthalt im Ausland bei Voraufenthalt) zur Arbeitsplatzsuche von bis zu sechs Monaten einreisen und sich im Inland aufhalten. Auch Probearbeiten von bis zu zehn Stunden wöchentlich sind möglich (bislang war jede Erwerbstätigkeit ausgeschlossen). All dies soll für fünf Jahre erprobt werden.

Insgesamt ist das FEG gufgrund politischer Kompromisse nicht der große Wurf geworden, den sich viele erhofft hatten. Dennoch ist es ein Meilenstein in der Schaffung eines modernen Arbeitsmigrationsgesetzes, da es sich zumindest grundsätzlich vom einem auf Abwehr gerichteten System weiter entfernt und Fachkräfte in vielerlei Hinsicht ausdrücklich begrüßt.

Diese kürzlich in Kraft getretenen Regelungen werden das System nicht dramatisch verändern, aber die Möglichkeiten für Arbeitgeber, Fachkräften aus dem Ausland anzuwerben, gegenüber der bisherigen Rechtslage deutlich verbessern.

Der Autor Dr. Gunther Mävers ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Schwerpunkt im internationalen Arbeitsrecht und Arbeitsmigrationsrecht bei michels.pmks Rechtsanwälte in Köln.

Zitiervorschlag

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Mehr Know-how aus dem Ausland? . In: Legal Tribune Online, 10.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40725/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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