EuGH zu Markenverletzungen: Online-Markt­plätze müssen Mar­ken­ver­let­zungen vor­beugen

von Dr. Fabian Niemann

12.07.2011

Wer im Internet das Anbieten von Markenware ermöglicht, muss auf Aufforderung nicht nur markenverletzende Angebote entfernen, sondern zumutbare Maßnahmen gegen Wiederholungen treffen. Mit dem Urteil vom Dienstag liegt der EuGH auf der Linie des BGH – an der Rechtsunsicherheit für Marktpätze und Markeninhaber ändert sich nichts. Von Richard Dissmann und Fabian Niemann.

In dem konkreten Fall hatte der Kosmetikhersteller L’Oréal ebay vorgeworfen, nicht ausreichend gegen Markenverletzungen seiner Nutzer vorzugehen, und in Großbritannien geklagt, dass eBay eine Verantwortung für Produktfälschungen und Markenverletzungen auf seinem Marktplatz trifft. Der englische High Court of Justice hat daraufhin mehrere Rechtsfragen dem Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der EuGH entschied nun mit Urteil vom 12. Juli 2011 einerseits, dass die nationalen Gerichte den Betreibern eines Online-Marktplatzes in der Tat zu Maßnahmen verpflichten können, um derartige Rechtsverletzungen auf Aufforderung zu beenden. Darüber hinaus müssen sie auch zur Vorbeugung gegen erneute derartige Verletzungen beitragen sowie unter Umständen dem Markeninhaber ermöglichen, den rechtsverletzenden Verkäufer identifizieren kann. Entsprechende Maßnahmen müssen allerdings andererseits wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und dürfen keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten (Rechtssache C-324/09). 

Anforderungen im Einzelfall bleiben offen

Diese abstrakten Anforderungen haben die Luxemburger Richter in ihrem Urteil nicht konkretisiert. Es sei vielmehr Aufgabe der nationalen Gerichte, zu definieren, welche Vorbeugemaßnahmen einerseits die Markeninhaber ausreichend schützen und andererseits die Betreiber der Online-Marktplätze ihr Geschäftsmodell weiter in zumutbarer Weise betreiben lassen.

Der EuGH bestätigt mit seinem Ansatz die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Störerhaftung der Betreiber von Online-Marktplätzen. Die Karlsruher Richter hatten dazu in ihren Entscheidungen "Internetversteigerung I – III" ausgeführt, dass die Plattformbetreiber vorbeugende, zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Markenverletzungen treffen müssen, wenn ihnen eine Markenverletzung auf ihrer Plattform bekannt wird. Allerdings hat auch der BGH die konkrete Ausgestaltung der präventiven Maßnahmen im Einzelnen im Unklaren gelassen (Urt. v. 11.3.2004, Az. I ZR 304/01; 19.4.2007, Az. I ZR 35/04; 30.4.2008; Az. I ZR 73/05).

Der EuGH begründet die Notwendigkeit der Vornahme der erforderlichen Balance zwischen den Interessen der Markeninhaber und den der Marktplatzbetreiber einerseits mit der  IP Enforcement Richtlinie 2004/48/EG, die Rechte der Inhaber gewerblicher Schutzrechte und ihre Durchsetzung stärken soll, und andererseits mit der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG, die den ungehinderten elektronischen Geschäftsverkehr fördern soll.

Spannend bleibt, wie der High Court die nationalen Gerichte in anderen Ländern die abstrakten Vorgaben des EuGH nun im Einzelfall mit Leben füllen werden. Die Rechtsunsicherheit, die in Deutschland nach den Urteilen "Internetversteigerung I – III" fortbesteht, wurde jedenfalls durch den EuGH nicht beendet.

Dr. Richard Dissmann ist Partner im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz im Münchner Büro, Dr. Fabian Nieman ist  Partner im Bereich Informationstechnologie im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei Bird & Bird LLP. Die Kanzlei vertritt unter anderem L'Oréal.

Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wurde insgesamt am 14.07.2011, also zwei Tage nach seiner Veröffentlichung, aus redaktionellen Gründen strukturell verändert.

 

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Zitiervorschlag

Fabian Niemann, EuGH zu Markenverletzungen: Online-Marktplätze müssen Markenverletzungen vorbeugen . In: Legal Tribune Online, 12.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3732/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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