EuGH zu Fristen bei Dublin-III-VO: Ent­schei­dend ist das Erst­ge­such

von Marcel Keienborg

28.07.2017

2/2: Fristen geben subjektive Rechte

Die Generalanwältin am EuGH Eleanor Sharpston steht im Ruf, für eine an humanitären Aspekten ausgerichtete Interpretation des europäischen Migrationsrechts einzustehen. Bereits in der Rechtssache Ghezelbash vertrat sie die Meinung, dass sich Betroffene auf eine fehlerhafte Anwendung der Zuständigkeitsregelung im 3. Abschnitt der Dublin-III-VO berufen und subjektive Rechte ableiten können. Dieser Ansicht hatte sich der EuGH angeschlossen (Urt. v. 07.06.2016, Az. C-63/15).

Bei diesen grundlegenden Annahmen bleibt der EuGH: Bei einem Eurodac-Treffer gilt die speziellere Frist von zwei Monaten, in der das Aufnahmegesuch gestellt werden muss. Ist diese Frist abgelaufen, ist die Zuständigkeit auf den zweiten Mitgliedsstaat übergegangen, der Schutzsuchende kann sich auf diese Frist auch berufen.

Asylantrag ist nicht gleich Asylantrag

Überraschend sind jedoch die Ausführungen des EuGH zum Begriff des Antrags auf internationalen Schutz, der für den Beginn der Frist ausschlaggebend ist. Die Dublin-III-VO hat in Art. 20 Abs. 2 eine ganz eigene Definition eines solchen Antrags: "Ein Asylantrag gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist." Diese Definition ist für das Dublin-Verfahren maßgeblich. Der EuGH hatte also zu klären, ob sich schon das Asylgesuch oder erst der Asylantrag im Sinne des AsylG darunter subsumieren lassen.

Sharpston hatte dies für das Asylgesuch in ihrem Schlussvortrag abgelehnt und insbesondere mit praktischen Problemen argumentiert. Der EuGH entschied sich hingegen für eine sehr weite Auslegung. Der zuständigen Behörde müssten nur die wesentlichen Informationen oder eine entsprechende Bescheinigung einer Behörde zugehen. Dann gelte der Asylantrag iS der Dublin-III-VO als gestellt. Der Zugang des Schriftstücks selbst oder eine Kopie sei nicht erforderlich. Der EuGH betont, dass eine andere Auslegung Rechte der Betroffenen gefährden würde.

Im Fall des Eritreers hatte das BAMF sogar eine Kopie der BÜMA erhalten, daher begann für den Eritreer am 14. September 2015 die Frist für das Aufnahmeersuchen zu laufen. "Dublin-Bescheide" in diesen Fallkonstellationen sind mit diesem EuGH-Urteil rechtswidrig und daher aufzuheben. Das BAMF wird den Asylantrag von Mengesteab nun materiell prüfen müssen, und da dürfte er als eritreischer Staatsangehöriger sehr gute Chancen auf die Anerkennung als Flüchtling iSd § 3 AsylG haben.

Der Autor Marcel Keienborg ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Uni Düsseldorf. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist das Migrationsrecht.

Zitiervorschlag

Marcel Keienborg, EuGH zu Fristen bei Dublin-III-VO: Entscheidend ist das Erstgesuch . In: Legal Tribune Online, 28.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23675/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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