Schlussanträge zu Darlehen in ausländischer Währung: Kann denn Fremd­wäh­rung Sünde sein?

von Alexander Knauss

28.04.2017

Für günstige Zinsen nahmen viele Verbraucher Darlehen in Fremdwährung auf. Das kann bei der Tilgung aufgrund von Wechselkursschwankungen aber teuer werden. Wer dieses Risiko trägt, entscheidet bald der EuGH. Von Alexander Knauss.

In der Vergangenheit haben zahlreiche Verbraucher in ganz Europa Darlehensverträge mit ihrer Bank abgeschlossen - aber nicht in ihrer Landeswährung, sondern in Fremdwährungen, oft in Schweizer Franken (CHF) oder Japanischen Yen (JPY). So wollten sie die dort im Vergleich zu ihren Heimatländern günstigen Zinskonditionen nutzen, die von der Bank im eigenen Land wiederum gegen einen gewissen Gewinnaufschlag weitergegeben wurden.

Das Modell funktioniert wie folgt: Der Verbraucher nimmt ein Darlehen in fremder Währung in der Höhe auf, in der sich zum aktuellen Wechselkurs die tatsächlich benötigte Darlehenssumme in der eigenen Landeswährung ergibt. Der aufgenommene Betrag wird sofort in die Landeswährung getauscht und bestimmungsgemäß (zum Beispiel zur Finanzierung einer Immobilie) verwendet. Muss das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden, wird der Darlehensbetrag entsprechend in Fremdwährung fällig.

Die Gefahr: Hat sich der Wechselkurs in der Zwischenzeit verändert, kann das dazu führen, dass der Verbraucher in seiner Heimatwährung einen deutlich höheren Betrag benötigt, um das Darlehen in der Fremdwährung tilgen zu können. Es besteht also ein nicht unerhebliches Wechselkursrisiko.

Verbraucher, die ihre Immobilie auf diese Weise in Schweizer Franken (CHF) finanziert haben, können ein Lied davon singen: Wer etwa 2007 einen Betrag von 200.000 € in CHF finanziert hat, nahm ein Darlehen in Höhe von 321.720 CHF auf. Um dieses Darlehen heute zu tilgen, werden aktuell fast 300.000 € benötigt.

Auch in Deutschland wurden solche Darlehen lange Zeit angeboten. Angesichts der aktuell ohnehin niedrigen Zinssätze lohnt sich der Neuabschluss derartiger Darlehen aber zurzeit kaum.

Der Streit vor dem EuGH

In der Rechtssache C-186/16 (Andriciuc ./. Banca Româneasca SA) geht es um Fremdwährungsdarlehen rumänischer Verbraucher, die zwischen April 2007 und Oktober 2008 Kredite in Schweizer Franken bei einer rumänischen Bank aufnahmen. Über 50.000 rumänische Haushalte haben derartige Darlehen in CHF aufgenommen.

Die Verträge sahen vor, dass die monatlichen Raten in CHF zu zahlen sind. Zwischen 2007 und 2014 verdoppelte sich der Wechselkurs zwischen CHF und rumänischen Lei (RON). Die Darlehensnehmer erhoben Klage vor rumänischen Gerichten und machten geltend, dass die Klauseln, die eine Rückzahlung in CHF vorsehen, ihnen das Wechselkursrisiko auferlegten und daher rechtsmissbräuchlich seien.

Nach Unionsrecht (Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29)) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklauseln eine Missbrauchskontrolle vorzusehen.  Allerdings sieht Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten bei Umsetzung der Richtlinie solche Klauseln von der Missbrauchskontrolle ausnehmen können, die den "Hauptgegenstand des Vertrages" betreffen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.

Die Vorlagefragen des rumänischen Gerichts

Gegenstand des vor dem EuGH geführten Verfahrens sind Vorlagefragen des in Rumänien mit der Sache befassten Gerichts.

  • Unter anderem möchte es wissen, ob eine Klausel, der zufolge der Kredit in der aufgenommenen Fremdwährung zurückzuzahlen ist, den "Hauptgegenstand des Vertrages" betrifft.
  • Ferner geht es darum, ob für das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner strikt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist oder ob auch nachträgliche erhebliche Änderungen des Wechselkurses in diesem Sinne eine Rolle spielen können.
  • Schließlich soll der EuGH beantworten, ob eine Klausel, die von der Missbrauchskontrolle ausgenommen ist, nur dann klar und verständlich im Sinne der Richtlinie ist, wenn sie auch alle möglichen Folgen vorsieht, aufgrund deren sich der vom Verbraucher gezahlte Preis ändern kann, beispielsweise das Wechselkursrisiko.
  • Und zuletzt die Frage: Muss die Bank den Kunden bei Kreditgewährung auch über die mögliche Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung informieren?

Die Antwort auf diese Fragen kann weitreichende Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln bei Fremdwährungsdarlehen haben. Entsprechend aufmerksam verfolgte die Branche die Schlussanträge vom Donnerstag.

Zitiervorschlag

Alexander Knauss, Schlussanträge zu Darlehen in ausländischer Währung: Kann denn Fremdwährung Sünde sein? . In: Legal Tribune Online, 28.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22786/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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