EU-Parlament beschließt Portabilitätsverordnung: Der Anfang vom Ende des Geo­b­lo­ckings?

von Dr. Philipp Roos

19.05.2017

Am Donnerstag hat das Europäische Parlament die sog. Portabilitätsverordnung verabschiedet, die Streaming-Dienste europaweit einheitlich nutzbar machen soll. Philipp Roos erklärt die Auswirkungen für Nutzer, Anbieter und Lizenzgeber.

Ihre Beliebtheit steigt und aus dem Leben vieler Menschen sind sie nicht mehr wegzudenken: Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime, Spotify, Apple Music oder Sky Go, um nur einige der vielen Anbieter auf dem stetig wachsenden Markt zu nennen. Innerhalb der Europäischen Union haben derzeit bereits rund 11 % aller Haushalte einen Video-On-Demand-Dienst abonniert. Bis 2020 soll sich diese Zahl verdoppeln. Wer den von ihm abonnierten Streamingdienst allerdings schon einmal im Ausland nutzen wollte, konnte dabei die böse Überraschung erleben, dass nur ein eingeschränkter Teil oder überhaupt keine Inhalte des Angebots abrufbar waren.

Damit ist zukünftig – zumindest innerhalb der Europäischen Union – für die Abonnenten entsprechender Dienste Schluss. Als Teil der umfassenden „Strategie für den digitalen Binnenmarkt in Europa“ verabschiedete das Europäische Parlament nun die sog. Portabilitätsverordnung. Sie trägt der stetig wachsenden Bedeutung von Onlinediensten, zu denen etwa auch Portale zur Vermietung von E-Books oder Gamingportale zählen, Rechnung. Das Vorhaben war bereits im Dezember 2015 von der Kommission angestoßen worden.

Territoriale Lizenzen als Hemmnis für einen europäischen Digital-Binnenmarkt

Als Ursache der bisherigen Beschränkungen im digitalen Binnenmarkt erweist sich das im Urheberrecht und für verwandte Schutzrechte geltende Territorialitätsprinzip. Hiernach benötigen Verwerter wie die Anbieter von Streamingdiensten für jedes Land, in dem sie ein geschütztes Werk nutzen wollen, eine Gebietslizenz. Die Vergabe entsprechender Lizenzen erfolgt innerhalb der Europäischen Union regelmäßig an verschiedene Verwerter, die jeweils zur Kasse gebeten werden.

Die Einhaltung des Territorialitätsprinzips wird über das sog. Geoblocking gewährleistet. Mittels der IP-Adresse des Nutzers kann festgestellt werden, in welchem Land sich dieser gerade befindet. Angezeigt werden dann nur diejenigen Inhalte, die für das betreffende Land lizensiert sind.

Die Portabilitätsverordnung schafft weder das Territorialitätsprinzip noch das Geoblocking vollends ab, schränkt jedoch beide ein. Hierfür bedient sich die Verordnung einer Rechtsfiktion: Sobald der Abonnent seinen Onlinedienst im Raum der Europäischen Union nutzt, gilt die Nutzung als ausschließlich im Wohnsitzland stattfindend (Art. 4).

Streaming am Strand auf Mallorca nun möglich

Durch die Portabilitätsverordnung werden die Anbieter von Streamingdiensten wie Netflix verpflichtet, ihren Abonnenten bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat den uneingeschränkten Zugriff auf den im Wohnsitzland abonnierten Dienst zu ermöglichen (Art. 3 Abs. 1).

Der Anbieter muss dabei den identischen Leistungsumfang wie im Wohnsitzland gewährleisten: Betroffen sind die Inhalte, die Anzahl von Geräten sowie der Funktionsumfang. Praktisch bedeutet dies für deutsche Abonnenten also, dass alle in Deutschland verfügbaren Formate künftig auch im Spanien-Urlaub verfügbar sein müssen. Dabei kann aufgrund der schon ab Juni 2017 geltenden Abschaffung der Roaminggebühren unter Umständen sogar auf das im Wohnsitzland bestehende Datenkontingent zurückgegriffen werden, ohne dass Zusatzkosten entstehen.

Einschränkend sind von der Pflicht nur die gegen Zahlung erbrachten Angebote erfasst. Frei empfangbare Dienste wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind aber berechtigt, ihre Angebote aus den Mediatheken über Landesgrenzen hinweg zum Streaming bereitzustellen, wenn sie die von der Verordnung vorgegebenen Prüfpflichten erfüllen. Zugleich müssen sie die Lizenzgeber über ihre Absicht informieren. Eine Möglichkeit zum Widerspruch der Lizenzgeber besteht nicht.

Ausdrücklich stellt die Verordnung klar, dass Anbieter für die grenzüberschreitende Nutzungsmöglichkeit keine Zusatzentgelte erheben dürfen. Anderslautende Vertragsbestimmungen finden keine Anwendung (Art. 5 Abs. 1). Dabei ist ohne Bedeutung, ob der Vertrag bereits vor dem Geltungsbeginn der Verordnung geschlossen wurde oder nicht.

Zitiervorschlag

Philipp Roos, EU-Parlament beschließt Portabilitätsverordnung: Der Anfang vom Ende des Geoblockings? . In: Legal Tribune Online, 19.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22976/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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