Europäische Staatsanwaltschaft?: Der Berg kreißt weiter

von Franz-Josef Schillo

23.03.2017

Seit dem Jahr 2000 wird um eine Europäische Staatsanwaltschaft gerungen, die Straftaten gegen den EU-Haushalt besser bekämpfen soll. Nun haben sich 17 EU-Staaten verständigt. Aber Franz-Josef Schillo bezweifelt den Erfolg des Projekts. 

Die Bekämpfung von Straftaten gegen die finanziellen Interessen der EU gestaltet sich seit jeher schwierig. Vor allem die mangelhafte Verfolgung grenzüberschreitender Vorgänge führt zu erheblichen Schäden. Nach Schätzungen der EU-Kommission verursachen allein die nicht aufgedeckten Steuerstraftaten bei der EU jährliche Ausfälle von 50 Milliarden Euro.

Grund ist zum einen die Unlust oder Unfähigkeit der Staaten, Straftaten zu Lasten der EU zu verfolgen. Zum anderen bestehen nur sehr eingeschränkte Eingriffs- oder Verfolgungsbefugnisse der EU-Behörden im Strafrechtsbereich. Diese sind vielmehr auf die Kooperation der Mitgliedstaaten angewiesen, welche oftmals ausbleibt. Ein trauriges Beispiel dafür ist OLAF (Office Européen de Lutte Anti-Fraude). Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung kann nur Verwaltungsuntersuchungen durchführen. Straf- oder Disziplinarverfahren sind ihm verschlossen, nach Abschluss der Ermittlungen muss OLAF den Vorgang an den betreffenden Mitgliedstaat abgeben. Dort erfolgt aber nur selten eine effektive Weiterverfolgung. Dementsprechend kam es in der Zeit von 2006 bis 2013 nur in 31 Prozent der vorgelegten Fälle zu Anklagen in den Mitgliedstaaten.

Die Europäische Kommission regte daher bereits 2000 auf der Regierungskonferenz in Nizza an, europäische Mechanismen zur effektiven Verfolgung von Straftaten zu Lasten des Haushalts der EU einzuführen. Im Dezember 2001 wurde hierzu die Einsetzung eines Europäischen Staatsanwaltes vorgeschlagen. Sämtliche Versuche einer derartigen Einrichtung scheiterten aber bislang.

Nun aber haben sich mehrere Länder auf eine vertiefte Zusammenarbeit geeinigt. Neben Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Österreich, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Spanien und Tschechien steht die Zustimmung von Portugal und Zypern noch aus, auch Italien soll zu einer Zusammenarbeit bewegt werden. Aber kann diese vertiefte Zusammenarbeit das Problem wirklich lösen?

2013: Der erste Versuch, und gleich zusammen mit dem Strafprozessrecht

Einen ersten Entwurf zur Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft legte die Kommission am 17. Juli 2013 vor. Ziel war dabei die Errichtung einer zentralen Behörde, welche in allen Mitgliedsstaaten selbständig ermitteln und anklagen sollte. Dies sollte auch für nicht grenzüberschreitende, sondern rein nationale Vorgänge gelten. 

Die Europäische Staatsanwaltschaft sollte dabei mit massiven Befugnissen ausgestattet werden, die Kritiker als rechtsstaatlich bedenklich ansahen. Beispielsweise sollte die Europäische Staatsanwaltschaft einen Gerichtsstand unter mehreren in Betracht kommenden Gerichtsständen (auch in unterschiedlichen Mitgliedsländern) relativ frei wählen können. Dies hätte dazu geführt, dass Vorgänge, die sich in einem Land ereignen, in einem anderen Land angeklagt werden können. Eine wirksame Verteidigung wäre dementsprechend durch die Sprachbarriere sowie die Anwendung materiell und formell ausländischen Strafrechts vor einem ausländischen Gericht massiv erschwert worden.

Massive Kritik wurde auch an der vorgesehenen Rechenschaftspflicht der Europäischen Staatsanwaltschaft und der Möglichkeit einer fiskalischen Verständigung geübt. Insoweit wurde befürchtet, dass die Staatsanwaltschaft sowohl Verfolgungen als auch Einstellungen aus rein finanziellen Motiven vornimmt.

Parallel gab es Bestrebungen, das Strafprozessrecht innerhalb der EU umfassend zu harmonisieren. Unterschiedliche Vorschläge der Europäischen Kommission, zum Beispiel zum Schutz von Minderjährigen in Strafverfahren sowie für angemessene Prozesskostenhilfe für Verdächtigte und beschuldigte Personen wurden in der Folgezeit bis zu Beginn dieses Jahres auch umgesetzt.

Zitiervorschlag

Franz-Josef Schillo, Europäische Staatsanwaltschaft?: Der Berg kreißt weiter . In: Legal Tribune Online, 23.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22451/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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