Europäische Politikfinanzierung: So undemokratisch wie die EU selbst

von Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim

16.05.2014

2/2: Selbstbedienung der Etablierten

Bei der Finanzierung der europäischen Parteien und Stiftungen sieht es nicht besser aus. Das europäische Parteienstatut (PartSt) ignoriert sämtliche Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelt hat, um die staatliche Parteienfinanzierung in Deutschland verfassungsrechtlich in den Griff zu bekommen: EU-Geld erhalten nur Gruppierungen, die mindestens in sieben Mitgliedstaaten parlamentarisch oder durch EU-Abgeordnete vertreten sind* oder in mindestens sieben Staaten drei Prozent der Wählerstimmen bei den Europawahlen erlangt und einen Vertreter im EU-Parlament haben, Art. 3 Abs. 1b und Art. 17 Abs. 1 PartSt.

Mit diesen Bedingungen, die für kleine Parteien kaum zu überwinden sind, bedienen sich die etablierten Kräfte im Europaparlament praktisch selbst. Mit der Freiheit der Parteien, wie sie in Art. 12 der EU-Grundrechtecharta niedergelegt ist, ist das unvereinbar.

Die etablierten Parteien haben die Diskriminierung ihrer politischen Konkurrenten noch dadurch verschärft, dass 85 Prozent der öffentlichen Mittel nach der Zahl der Mandate im Europaparlament verteilt werden und nur 15 Prozent auch unter denjenigen Europaparteien, die am Eintritt ins Europaparlament gescheitert sind. So kommt es, dass die Europäische Volkspartei und die Europäischen Sozialdemokraten den Löwenanteil der öffentlichen Finanzierung unter sich aufteilen.

In Deutschland hat das BVerfG zur Sicherung der politischen Chancengleichheit durchgesetzt, dass Parteien Geld aus der Staatskasse erhalten, wenn sie mindestens 0,5 Prozent der Stimmen bei einer Europa- oder einer Bundestagswahl oder ein Prozent bei einer Landtagswahl erlangt haben; und die Verteilung der Mittel richtet sich nach den erlangten Wählerstimmen sowie den Mitgliedsbeiträgen und kleineren Spenden, § 18 Abs. 3 und 4 Parteiengesetz.

Extreme Bürgerferne

Mit Füßen getreten wird in der EU auch der Grundsatz der Bürgernähe. So sind die Mitglieder der Europaparteien nicht etwa Bürger, sondern nationale Parteien. Die Eigenmittel dieser Parteibünde müssen nicht, wie in Deutschland, mindestens 50 Prozent ihrer Einnahmen betragen, um die Bürgernähe zu sichern, sondern lediglich 15 Prozent. Diese Quote kann auch mit Zuschüssen nationaler Parteien gefüllt werden, in denen direkt und indirekt ein großer Teil staatlicher Gelder enthalten ist, was dann auf eine bis zu hundertprozentige öffentliche Finanzierung der Europaparteien hinausläuft.

Wie solche Parteibünde "zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union beitragen" sollen, was nach dem EU-Primärrecht – Art. 10 Abs. 4 EUV und Art. 224 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) – Voraussetzung für eine europäische Parteienfinanzierung ist, bleibt das Geheimnis ihrer Schöpfer.

Darüber hinaus hat die EU auch europäische Parteistiftungen etabliert, obwohl die EU-Verträge allenfalls für die Schaffung von Europaparteien eine Grundlage bieten. Die Finanzierung der Stiftungen aus EU-Mitteln wird im Übrigen an dieselben bürgerfernen Voraussetzungen gebunden wie die der europäischen Parteien selbst. Kleine Parteien werden also auch dabei massiv benachteiligt.

Die Ursache der Auswüchse: der Mangel demokratischer Kontrollen

Der größte Posten öffentlicher Parteienfinanzierung wird übrigens verdeckt: Die jedem EU-Abgeordneten zur Verfügung stehenden 21.209 Euro für persönliche Mitarbeiter werden stillschweigend auch für Zwecke der Parteien und Wahlkämpfe missbraucht, wie man im derzeitigen Europawahlkampf beobachten kann. Dabei dürfen sie nach dem Abgeordnetenstatut eigentlich nur "für die Ausübung des parlamentarischen Mandats des Abgeordneten und damit in unmittelbaren Zusammenhang" stehende Aktivitäten verwendet werden.

Dass es zu derartigen Auswüchsen kommen konnte, beruht auf einer mangelnden demokratischen Kontrolle, wie sie für die EU typisch ist. Eine öffentliche Kontrolle der EU-Institutionen erfolgt nur eingeschränkt, weil es an einer europäischen öffentlichen Meinung fehlt. Das hatte das BVerfG schon im Maastricht-Urteil kritisiert.

Aber auch die Ausgestaltung des Europa-Wahlrechts hat ihren Anteil an der Misere. Wegen der starren Wahllisten können die Bürger lediglich Parteien wählen und nicht einzelne Abgeordnete. Es wäre aber wichtig, dass Wähler Politiker persönlich für ihre Beteiligung an oder ihren Widerstand gegen die Missstände verantwortlich machen könnten.

Der Autor Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim lehrt als pensionierter Professor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zur europäischen Politikfinanzierung veröffentlicht.

* Hier stand zunächst, dass die Parteien seit einer Verschärfung im April 2014 in mindestens zehn Staaten parlamentarisch oder durch EU-Abgeordnete vertreten sein müssten. Dies ist unzutreffend und einem Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung der geänderten europäischen Parteienverordnung geschuldet, welche das Europäische Parlament am 19. April 2014 angenommen hat. Dort ist in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b ist von einer Vertretung "in mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten" die Rede, während die englische und französische Fassung von einem Viertel der Mitgliedsstaaten sprechen. Geändert am 27.05.2014, 18:10.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim, Europäische Politikfinanzierung: So undemokratisch wie die EU selbst . In: Legal Tribune Online, 16.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11998/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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