Europäische Politikfinanzierung: So undemokratisch wie die EU selbst

von Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim

16.05.2014

Die EU hat sich der Demokratie, der Gerechtigkeit und der Subsidiarität verschrieben. Mit diesen hehren Grundsätzen hat die Realität wenig gemein. Das zeigen etwa die Gehälter der Europaabgeordneten und ihres Präsidenten, aber auch die Finanzierung der europäischen Parteien und Stiftungen, meint Hans Herbert von Arnim.

Alle Mitglieder des Europäischen Parlaments bekommen seit 2009 nach Art. 10 des europäischen Abgeordnetenstatuts (AbgSt) ein einheitliches steuerpflichtiges Gehalt von derzeit 8.021 Euro im Monat – das sind 38,5 Prozent der Grundbezüge eines EuGH-Richters.

Bis zum Ende der vergangenen Wahlperiode wurde das Gehalt von den Mitgliedstaaten gezahlt und entsprach der Entschädigung von Abgeordneten der jeweiligen nationalen Parlamente. Sie betrug etwa in Bulgarien, Rumänien, den baltischen Staaten oder Polen gerade mal ein Fünftel bis ein Drittel des damals eingeführten Einheitsgehalts.

Das war eine wesentlich sinnvollere Regelung. Denn das Gehalt ist für die Verwendung im Heimatland bestimmt (für die Arbeit in Brüssel gibt es zusätzliche Kostenpauschalen) und besitzt damit für Abgeordnete aus den genannten Staaten wegen des sehr viel niedrigeren Einkommens- und Preisniveaus als zum Beispiel in Deutschland den vielfachen realen Wert. Damit werden sogar die Einkommen dortiger Minister- und Staatspräsidenten in den Schatten gestellt.

Einheitliche Regelung – uneinheitliche Auswirkungen

Der Altersversorgungsanspruch von EU-Abgeordneten beträgt bereits nach einer fünfjährigen Wahlperiode monatlich 1.405 Euro, Art. 14 Abs. 3 AbgSt, und ist damit doppelt oder dreimal so hoch wie das Durchschnittseinkommen in jenen Staaten.

Für persönliche Mitarbeiter erhält jeder Abgeordnete auf Nachweis bis zu 21.209 Euro monatlich, Art. 34 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen zum AbgSt (DfBestAbgSt). Damit beschäftigt zum Beispiel der rumänische EU-Abgeordneten George Sabin Cutas neben seinen beiden in Brüssel akkreditierten Assistenten 19 weitere Mitarbeiter in seinem Heimatland. Deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments können sich in der Regel zuhause lediglich drei Assistenten leisten, und das reicht ja auch.

Eine einheitliche europäische Regelung, die sich in der Praxis derart krass ungleich auswirkt, macht keinen Sinn. Sie führt zur Verschwendung öffentlicher Gelder und verstößt gegen das Verbot, völlig Ungleiches gleich zu behandeln, Art. 2 Abs. 2 S. 1 EU-Vertrag (EUV). Nach dem Prinzip der Subsidiarität, Art. 5 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 EUV, dürfte europarechtlich eigentlich nur geregelt werden, was die Mitgliedstaaten nicht mindestens genauso gut können – und hier könnten sie es sogar sehr viel besser.

Nur vordergründige Steuergleichheit

Die Gleichmacherei ist umso absurder, als Deutschland (und manch anderes Land) bei der Besteuerung den nationalen Besonderheiten durchaus Rechnung trägt und das Gehalt seiner EU-Abgeordneten nicht dem günstigen europäischen Steuerstatut, sondern dem deutschen Steuerrecht unterwirft. Das AbgSt lässt das in Art. 12 Abs. 3 zu.

Das soll der steuerlichen Gleichheit dienen. Doch an anderer Stelle wird die Gleichheit massiv verletzt: Der allgemeinen Kostenpauschale von monatlich 4.299 Euro (Art. 26 DfBestAbgSt) und dem Tagegeld von 304 Euro pro Sitzungstag (Art. 24 DfBestAbgSt), beide steuerfrei, stehen regelmäßig keine entsprechend hohen Mandatsausgaben gegenüber, auch nicht bei deutschen EU-Abgeordneten, so dass große Teile dieser Gelder auf ein steuerfreies Zusatzsalär hinauslaufen. Das widerspricht der steuerlichen Gleichheit erst recht.

Der früher übliche Versuch, die überzogenen Pauschalen damit zu begründen, sie dienten als Ausgleich für Abgeordnete mit niedrigen Gehältern, ist seit deren Vereinheitlichung auf hohem Niveau ohnehin entfallen. Die Überzogenheit zeigt sich auch darin, dass Bundestagsabgeordnete bei ähnlich hoher allgemeiner Kostenpauschale (4.204 Euro) und nicht wesentlich niedrigeren Aufwendungen kein zusätzliches Tagegeld erhalten. Das EU-Tagegeld ist für Unterkunft und Verpflegung in Brüssel bestimmt. Bundestagsabgeordnete müssen die Aufenthaltskosten in Berlin dagegen aus ihrer allgemeinen Pauschale mitbezahlen. Immerhin hat das Europäische Parlament im April 2014 selbst die Überprüfung der Pauschalen angekündigt. Nicht auszuschließen ist aber, dass sich die entsprechende Entschließung später als eine bloße Beschwichtigungsmaßnahme unmittelbar vor der Europawahl herausstellt.

Hinzu kommt, dass deutsche EU-Abgeordnete auch noch in den Genuss erheblicher Zusatzleistungen des Bundestag kommen – so dürfen sie etwa kostenlos mit der Deutschen Bahn fahren, Büroräume, Dienstfahrzeuge, Telefone und elektronische Einrichtungen des Bundestages nutzen (siehe §§ 10 und 10a Europaabgeordnetengesetz). Dass auch diese Regelung überholt ist, weil zur Abdeckung derartiger Leistungen eigentlich die europäische Kostenpauschale bestimmt ist, räumt der Bundestag inzwischen selbst ein.

Zulagen für Parlamentspräsident treiben es auf die Spitze

Die Verstöße gegen die Steuergerechtigkeit werden beim Präsidenten des Europäischen Parlaments auf die Spitze getrieben. Er erhält ein zusätzliches Tagegeld von 304 Euro – unabhängig davon, ob er in Brüssel oder Straßburg tätig oder sonst als Parlamentspräsident unterwegs ist. Das sind über 9.000 Euro monatlich. Weiter bekommt er eine Residenzzulage von monatlich 3.663 Euro und eine Repräsentationszulage von monatlich 1.418 Euro, alles steuerfrei.

Martin Schulz, der aktuelle Präsident des Europaparlaments, bekommt also neben seinem steuerpflichtigen Gehalt vier steuerfreie Pauschalen von insgesamt ca. 18.000 Euro, ohne dass dem ein entsprechender Aufwand gegenübersteht. Zudem verfügt er über zwei Dienstwagen und zwei Fahrer.

Auf das Tagegeld will Schulz seit dem 18. April 2014 zwar verzichtet haben, weil er als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten im Wahlkampf steht. Ganz abgesehen davon, dass er schon vorher Wahlkampf gemacht hat, bezieht er alles andere weiter – im Gegensatz etwa zu den sieben Kommissaren, die ebenfalls im Wahlkampf stehen und deshalb ihr Amt ruhen lassen.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim, Europäische Politikfinanzierung: So undemokratisch wie die EU selbst . In: Legal Tribune Online, 16.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11998/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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