Die Piraten und das Urheberrecht: Julia Schramm konterkariert Parteilinie

von Tobias Sommer

28.09.2012

Heftige Kritik und gar Rücktrittsforderungen – die Piratin Julia Schramm ist zur Zielscheibe der eigenen Partei geworden. Eingebrockt hat der Beisitzerin des Bundesvorstands dies ihr Buch "Klick mich – Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin", deren kostenlosen Download im Internet ihr Verlag unterband. Tobias Sommer vermisst dabei die von den Piraten angemahnten innovativen Geschäftskonzepte.

"In dem Moment, wo ich versuche, diesen Datenaustausch in irgendeiner Form zu kontrollieren und zu überwachen, welcher Inhalt da getauscht wird, konterkariere ich die Idee des Internets", sagte Julia Schramm in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix anlässlich des Bundesparteitags vor einigen Monaten.

Kontrolliert und überwacht – genau das hat ihr Verlag Knaus in ihrem Namen nun aber getan. Statt IP-Adressen zu sammeln und kostenpflichtig abzumahnen, ließ der Verlag das Buch allerdings lediglich entfernen, unter anderem von den Servern des US-Unternehmens Dropbox. Dort fand sich dann der Hinweis: "Die Datei wurde auf Antrag von 'Julia Schramm, Autorin der Verlagsgruppe Random House' von Dropbox gelöscht". Damit war der Pranger geschaffen, an den die Piratin jetzt genagelt werden soll.

Die Politikerin hat das Vorgehen des Verlags gegenüber Süddeutsche.de mit den Worten "Jetzt krakeelt wieder der Mob" nachträglich gerechtfertigt, obwohl sie sich eigentlich "ganz klar für das Internet" und damit gegen eine Überwachung entschieden habe. Sie verteidigt ihre eigenen Urheberrechte mit genau den Mitteln, die das von ihr bekämpfte System zur Verfügung stellt. Das wirkt unglaubwürdig, ist aber noch nicht der einzige Widerspruch.

Schramm erprobt keine innovativen Geschäftskonzepte

J. Schramm, Klick mich, Foto: randomhouse.deSo heißt es im Grundsatzprogramm der Bundes-Piratenpartei: "In der Tat existiert eine Vielzahl von innovativen Geschäftskonzepten, welche die freie Verfügbarkeit bewusst zu ihrem Vorteil nutzen und Urheber unabhängiger von bestehenden Marktstrukturen machen können." Genau darin hätten die Chancen für Julia Schramm und ihr Buch gelegen. Und genau diese Chance hat die Piratin verpasst.

Eine Kulturflatrate gibt es bisher nicht. Auch die Verwendung einer unter Piraten beliebten Creative Commons-Lizenz ist bei der Veröffentlichung von Texten zu kommerziellen Zwecken nicht sinnvoll, da sich Geld erst mit nachgelagerten Dienstleistungen verdienen ließe.

Ein anderes Modell hätte dagegen durchaus erprobt werden können. So etwa der Appell an Konsumenten, freiwillige Zahlungen zu leisten. Die Piratenpartei befürwortet solche Ideen, die etwa flattr oder kachingle umsetzen, und die sich wachsender Popularität erfreuen. Leser können so für Texte per Mausklick Kleinbeträge spenden. Auf derartige Modelle vertrauen Julia Schramm und ihre Verlag aber offenbar nicht.

Im Widerspruch zum eigenen Grundsatzprogramm

Zwar spielen sie keine Abmahnspielchen mit Privatpersonen. Doch statt innovativer Konzepte bemüht der Verlag die altbekannte Klaviatur des geltenden Urheberrechts: Portalbetreiber werden angehalten, die Möglichkeit kostenloser Downloads zu unterbinden, um die Rechte der Autorin zu wahren und den Verkauf nicht zu behindern. Damit verhindert der Verlag, dass Privatkopien über das Internet verbreitet werden.

In ihrem Grundsatzprogramm fordert die Piratenpartei dagegen das freie Kopieren und die freie Nutzbarkeit von Inhalten für Privatleute: "Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte." Das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken soll nicht nur legalisiert, sondern explizit gefördert werden. Die Nutzer von Dropbox wären vermutlich genau diese Privatpersonen gewesen. Von einer "Förderung des Zugänglichmachens" ist die Piratin Schramm weit entfernt.

Weisband will keinen Kopierschutz

Auch ein Entwurf der Berliner Piratenfraktion zur Änderung des Urhebergesetzes (UrhG) greift § 53, in dem derzeit das Recht zur Privatkopie geregelt ist, nicht auf. Konkret gefordert wird lediglich, die Abmahnkosten im Fall von Urheberrechtsverletzungen im Privatbereich auch für "Peer-to-Peer"-Fälle auf 100 Euro zu beschränken. Diese fallen nach der bisherigen Rechtsprechung nicht unter die entsprechende Grenze des § 97a Abs. 2 UrhG. Damit würde das Filesharing zwar nicht legalisiert, die Verfolgung wäre aber kein einträgliches Geschäft mehr.

Julia Schramm steht hingegen weiterhin vor einem Dilemma: Um die hohe Autorengage einzuspielen, muss sie den Verlag unterstützen und gerät dadurch in Rechtfertigungsdruck.

Dieses Problem hat die ehemalige Piraten-Geschäftsführerin Marina Weisband nicht: Sie hat angekündigt, ihr im März erscheinendes Buch ohne Kopierschutz veröffentlichen zu wollen. Wie der Spiegel berichtete, soll jeder Käufer das Buch im Internet unbeschränkt weiterverbreiten dürfen. Dafür hat sie auf einen Teil ihres Vorschusses verzichtet. Anders als ihre Kollegin bewegt sie sich damit fest auf dem Boden des Parteiprogramms.

Der Autor Tobias Sommer, LL.M. ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er publiziert regelmäßig zu Fragen des Immaterialgüterrechts.

Zitiervorschlag

Tobias Sommer, Die Piraten und das Urheberrecht: Julia Schramm konterkariert Parteilinie . In: Legal Tribune Online, 28.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7186/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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