Eine gefühlte Ewigkeit hat die Große Koalition gebraucht, um den rechtlichen Status des Instituts für Menschenrechte entsprechend der UN-Vorgaben zu kodifizieren. Der Entwurf wurde schließlich Mitte März von der Regierung verabschiedet – eigentlich schon zu spät, aber wohl doch noch rechtzeitig, um eine Herabstufung des Instituts und eine Blamage auf internationaler Ebene zu verhindern.
Wird das "international coordinating committee of national institutions for the promotion and protection of human rights" (ICC) Deutschlands Institut für Menschenrechte (DIMR) auf den B-Status herabstufen? Die Entscheidung wurde bereits getroffen, doch das Ergebnis ist noch nicht bekannt. Aller Voraussicht nach wird es jedoch nicht zu einer Herabstufung kommen, nachdem die Regierung auf den allerletzten Drücker den Vorgaben der UN entsprochen hat.
Das Gegenteil würde eine Blamage bedeuten – umso mehr, als Deutschland seit 2015 den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat innehat, dort aber sein Rederecht verlieren würde.
Nach langem Ringen hatten sich die Koalitionsfraktionen am 18. März, wenige Stunden vor der Sitzung des Akkreditierungsausschusses des ICC in Genf, auf den Entwurf einer gesetzlichen Grundlage für das Menschenrechtsinstitut geeinigt, der die Aufgaben und die Organisationsform des seit 2001 bestehenden DIMR festlegt.
Lange Zeit hatten Politiker, Juristen und Medien daran gezweifelt, dass ein Statuserhalt gelingen würde. Denn dem Institut fehlte seit seiner Gründung 2001 die für den A-Status notwendige gesetzliche Grundlage. Deren Schaffung war im Koalitionsvertrag vereinbart, doch die Regierungsparteien konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Entwurf einigen - obwohl die Frist im März ablief. Der Zwist ging so lange, bis klar war, dass der Bundestag vor der Tagung des ICC Sitzungspause haben und eine rechtzeitige Verabschiedung des Gesetzes unmöglich sein würde.
Die Pariser Prinzipien und das "gesetzlose" Institut
Das in Berlin ansässige Institut gibt es bereits seit dem Jahr 2001 in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, bislang allerdings ohne gesetzliche Grundlage. Der damalige Bundestag hatte am 7. Dezember 2000 die Gründung des DIMR einstimmig beschlossen. Es soll als nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte im In- und Ausland beitragen.
Das DIMR und vergleichbare Menschenrechtsinstitute anderer Staaten fußen auf den "Pariser Prinzipien" der Vereinten Nationen (UN) von 1993. Sie schreiben den Ländern verschiedene verbindliche Kriterien vor - unter anderem, dass ihre nationalen Menschenrechtsinstitute eine in der Verfassung oder in einem Gesetz verankerte Grundlage haben müssen.
Die nationalen Institute bekommen vom ICC in einem Akkreditierungsverfahren einen Status zugesprochen, wobei die Einhaltung der Pariser Prinzipien eine wichtige Rollte spielt. Der A-Status ist dabei der höchste - nur mit ihm gehen die wichtigen Beteiligungsrechte auf internationaler Ebene einher, etwa das Rederecht im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen.
Obwohl ein Gesetz fehlte und die Schaffung einer solchen Grundlage immer wieder aufgeschoben wurde, hatte das ICC dem DIMR bisher den A-Status zugesprochen, zugleich aber deutlich gemacht, dass man dies künftig nicht mehr akzeptieren werde. Eine letzte Frist lief im März ab – vor der anstehenden Re-Akkreditierung musste also unbedingt ein Gesetz her.
Wenn zwei sich streiten, freut sich - niemand
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte hierzu im September 2014 einen Entwurf vorgelegt, in dem weitestgehend der Status Quo festgeschrieben wurde. An der Arbeit und Organisation des Instituts sollte sich nichts ändern, eigentlich ginge es nur um Formalia.
Dagegen regte sich jedoch Widerstand seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Insbesondere die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte in der Fraktion, Erika Steinbach (CDU), äußerte Bedenken. Der Entwurf der SPD wurde gestoppt, es begannen langwierige Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern, immer wieder wurden Abstimmungstermine verschoben.
Nicht nur die Opposition befürchtete, der internationale Abstieg des DIMR sei bald nicht mehr aufzuhalten. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV), der Deutsche Richterbund und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) mahnten die Regierung öffentlich, endlich zu handeln, bevor es zu spät sei. Angesichts des Zeitdrucks erlaubte sich die BRAK, konkrete Vorschläge für ein mögliches Gesetz zu entwerfen und bat darum, am Gesetzgebungsprozess förmlich beteiligt zu werden.
In buchstäblich letzter Sekunde haben sich alle Beteiligten nun aber doch geeinigt. Das BMJV hatte am Freitag, den 13. März, einen Kompromiss in Form eines Gesetzentwurfes "über die Rechtsstellung und Aufgaben des DIMR" fertiggestellt, den die Regierung am darauf folgenden Mittwoch beschlossen hat. In plötzlichem Einklang zeigen sich Union und SPD erfreut über den gefundenen Kompromiss.
2/2: Unabhängiger Verein oder Anstalt unter staatlicher Aufsicht?
Das Institut bleibt ein eingetragener Verein, wobei dessen grobe Strukturen in Gesetzesform gegossen werden, um abzusichern, dass der privatrechtliche Akteur die Vorgaben der Pariser Prinzipien einhält. Für diesen Vorschlag hatten sich auch das Deutsche Menschenrechtsforum, die BRAK und der Deutsche Richterbund ausgesprochen, da er die erforderliche Unabhängigkeit von der Regierung garantiere.
An der Frage, ob ein Gesetz Regelungen zur Vereinsstruktur enthalten darf oder ob dies gegen die Vereinsautonomie verstoße, hatte sich der Koalitionsstreit entzündet. Erika Steinbach von der CDU sagte dazu gegenüber LTO: "Der ursprüngliche Referentenentwurf hat der Mitgliederversammlung unmittelbare Vorgaben zur Ausgestaltung der Vereinssatzung gemacht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte bei einer solchen Lösung mit Blick auf Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG große verfassungsrechtliche Bedenken."
Diese Bedenken teilt Dr. Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD, nicht: "Es ist ja nicht so, dass der Verein nur so lange besteht, wie er den gesetzlich festgelegten Anforderungen nachkommt. Ein Verstoß gegen diese Kriterien hätte lediglich zur Folge, dass der Verein riskiert, seine Zuschüsse und seinen Status als das Deutsche Institut für Menschenrechte zu verlieren. Der Verein könnte problemlos weiter existieren. Die Union hingegen interpretiert den politischen Druck des Geldentzuges offensichtlich bereits als Eingriff in die Vereinsfreiheit. Das sehe ich anders."
Als Gegenvorschlag zur Vereinsform hatte die Union vorgeschlagen, das DIMR in eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts umzuwandeln und dem Auswärtigen Amt zu unterstellen. Als Vorbild sollte Dänemark dienen, dessen Institut auch den A-Status innehat, so Steinbach. Das hätte jedoch dazu geführt, dass das DIMR auch der Fach- und Rechtsaufsicht des Auswärtigen Amtes unterstanden hätte. Fechner, der deutsche Richterbund und die BRAK sahen darin eine starke Gefährdung seiner Unabhängigkeit.
Strukturelle Vorgaben und engere Anbindung an den Bundestag
Die Finanzierung soll nun transparenter gestaltet werden. Auf Vorschlag der Union erfolgt sie zukünftig nicht mehr aus den Haushalten verschiedener Ministerien, sondern direkt aus dem Haushalt des Bundestages.
Insgesamt soll das Institut enger an den Bundestag angebunden werden. Die Direktorin des DIMR, Professor Beate Rudolf, begrüßt die Änderungen: "Die engere Verbindung zum Bundestag bietet die Chance, die Wahrnehmung der Menschenrechte durch die Politik deutlich zu erhöhen." Dazu soll es einmal jährlich einen Bericht über seine Arbeit und die Entwicklung der Menschenrechte in Deutschland vorlegen, zu dem der Deutsche Bundestag dann Stellung beziehen soll. "Diese Berichtspflicht zeigt die Absicht des Bundestages, sich regelmäßig mit den von uns identifizierten Menschenrechtsfragen in Deutschland zu befassen", so Rudolf.
Weitestgehend einig waren sich schließlich alle Parteien im Punkt "Pluralität" der leitenden Gremien. Das Gesetz enthält nun Vorgaben zur Mitgliederversammlung und zum Kuratorium und erweitert letzteres um Vertreter der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft wie das Deutsche Menschenrechtsforum. Prof. Rudolf findet diese Änderung sehr wichtig. "Damit hat der Bundestag die Chance, die Verbindung zu menschenrechtlichen Forschungseinrichtungen zu stärken. Hierdurch erhoffen wir uns für die Zukunft eine noch größere Resonanz unserer Arbeit in der Regierung."
Inland oder Ausland?
Anders als es der ursprüngliche Entwurf des BMJV vorsah, hatte die Union eine stärkere Verlagerung des Aufgabenschwerpunktes gefordert: "Bislang blickt das Institut nahezu ausschließlich nach innen", sagt Erika Steinbach. Dabei erwähne die Satzung doch einen Auslandsbezug. "Wir sind der Auffassung, dass man die Menschenrechtssituation in Deutschland nur objektiv bewerten und konstruktiv kritisieren kann, wenn man das nationale mit dem internationalen Bild in Beziehung setzt". Man wolle das Institut aber nicht zu einer ausschließlichen Außenperspektive zwingen, stellt sie klar.
Der SPD war die bisherige Fokussierung des Instituts wichtig, damit Deutschland eine unabhängige Instanz habe, welche die Menschenrechte im Inland beobachtet. "Wir schätzen die oft kritischen, aber immer fundierten Berichte des DIMR sehr. Auch für mich als Teil des Gesetzgebers sind sie eine große Hilfe," so Fechner. Die BRAK zeigte sich besorgt, dass ein stärkerer Auslandsbezug die Stellung des DIMR grundlegend verändert und den Maßgaben für eine nationale Institution der Vereinten Nationen nicht genügt hätte.
Von Seiten der Medien hatte es indes ganz andere Spekulationen zu dieser Frage und der Motivation der Parteien gegeben: "Die CDU will diese Gelegenheit offenbar nutzen, um dem oftmals regierungskritischen Institut einen Maulkorb bei den Vereinten Nationen zu verpassen. Die Positionen des Instituts sind für (…) die Union möglicherweise sogar zu unbequem", schreibt heise.de. Auch das Forum Menschenrechte sieht im Gegenvorschlag den Beleg dafür, dass das Institut der Union "seit langem ein Dorn im Auge" sei. Das DIMR hatte unter anderem die Pläne der Union kritisiert, weitere Balkanländer zu "sicheren Drittstaaten" zu erklären, um Flüchtlinge schneller abschieben zu können. Auch die Vorratsdatenspeicherung hatte es kritisch beurteilt und auf Menschenrechtsverletzungen deutscher Polizisten aufmerksam gemacht.
Im Ergebnis einigte man sich auf geringfügige Änderungen, wohl, um der Union entgegen zu kommen. Das Institut soll nun in geeigneten Fällen eine vergleichende Perspektive zu Menschenrechtsverletzungen im Ausland einnehmen und die Nachwirkungen von totalitären Systemen im Ausland überprüfen. Doch dies könne es weisungsunabhängig und im Rahmen seiner Ressourcen entscheiden, betont Fechner. Die Direktorin des DIMR hält die Regelung sogar für eine gute Klarstellung: "Schon jetzt stellen wir an geeigneter Stelle, etwa bei der Frage nach den 'sicheren Herkunftsstaaten', Vergleiche zur Menschenrechtslage im Ausland."
Es scheint, als wären am Ende doch alle zufrieden. Beide Koalitionspartner haben ihr Gesicht gewahrt, das Institut kann weitermachen wie bisher und Deutschland bleibt eine Blamage im UN-Menschenrechtsrat erspart. Hoffentlich.
Anne-Christine Herr, Gesetzliche Grundlage für das DIMR: Auf den letzten Drücker . In: Legal Tribune Online, 25.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15062/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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