Dashcams im Straßenverkehr: Darf ich oder darf ich nicht?

von Prof. Dr. Christian Wolf und Nadja Flegler

03.11.2017

In manchen Ländern ist die Dashcam aus dem Verkehrsalltag nicht mehr hinwegzudenken, während die deutschen Verkehrsteilnehmer weiterhin eher zurückhaltend sind. Auch weil die Rechtsprechung nach wie vor uneinheitlich ist.

In Hongkong ist es gang und gäbe: In einem jeden Taxi fährt auch die Dashcam mit und filmt während der gesamten Fahrt das Verkehrsgeschehen. Ebenso in vielen Privatfahrzeugen und an Fahrrädern. Dieser ursprünglich aus Russland hinübergeschwappte Trend ist in vielen Ländern nicht mehr aus dem Verkehrsalltag hinwegzudenken.

Der Grund der starken Verbreitung liegt auf der Hand: Es klingt verlockend mit einer Videokamera das Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zu filmen und hierbei den Beweis in seiner Hand und das Recht auf seiner Seite zu wissen. Jedoch nur solange die Nutzung der Minikameras auch tatsächlich vom Recht gedeckt und unbedenklich ist.

Und das ist in Deutschland alles andere als eindeutig. Seit Jahren wird über die Zulässigkeit der Minikameras sowie über die Verwertbarkeit der Aufnahmen vor Gericht diskutiert. Dabei geht es um die Vereinbarkeit mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und dem Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs.1 des Grundgesetzes (GG).

Wer Dashcams verwendet, möchte hingegen schlicht wissen, ob er im Ernstfall eines Unfalls die gemachten Aufnahmen als Beweis vor Gericht anbringen darf. Bisher gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung zur Verwertbarkeit von Dashcam-Videoaufnahmen und die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist uneinheitlich.

Mal zulässig, mal nicht, mal anlassbezogen

So hat das Amtsgericht München am 06. Juni 2013 die Verwertbarkeit der von einem Fahrradfahrer mit einer Minikamera aufgenommenen Videoaufzeichnung für zulässig erachtet (AG München, Urt. v. 06.06.2013 - Az.: 343 C 4445/13), während dasselbe Gericht in einem Hinweisbeschluss vom 13. August 2014 die Auffassung vertreten hat, dass die Bestimmungen des Datenschutzrechts und des Kunsturhebergesetzes einer Verwertung der Videoaufnahmen entgegenstehen (AG München, Hinweisbeschluss v. 13.08.2014 – Az.: 345 C 5551/14).

Auch das Landgericht Heilbronn entschied, dass die mittels einer Autokamera angefertigten Aufnahmen im Zivilprozess nicht als Beweismittel für den Unfallhergang verwertet werden dürfen (LG Heilbronn, Urt. v. 03.2.2015 - Az.: I 3 S 19/14).

Das Landgericht München vertrat wiederum die Auffassung, dass eine Verwertung der Dashcam-Videoaufnahmen im Zivilprozess zulässig sei, wenn diese Aufnahmen nur anlassbezogen erfolgen und sichergestellt ist, dass diese nach einer bestimmten Zeit wieder gelöscht oder zumindest überschrieben werden (LG München I, Beschl. vom 14.10.2016, Az.: 17 S 6473/16).

Jedenfalls geht es um eine Interessenabwägung

Zu einer Zulässigkeit der Verwertung von Dashcam-Aufnahmen gelangten auch das Amtsgericht Nienburg (AG Nienburg, Urt. v. 20.01.2015 – Az.: 4 DS 520 Js 39473/14) und das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.05.2016 - Az.: 4 Ss 543/15) - jedoch nur in eng zu setzenden Grenzen.

Diese Grenze besteht nach Auffassung des AG Nienburg aus der Anlassbezogenheit der Aufnahme und einer vorzunehmenden Interessenabwägung. So wurde die Dashcam im zugrundeliegenden Fall erst nach dem sehr dichten Auffahren des Angeklagten eingeschaltet und sogleich nach Ende des Geschehnisses wieder ausgeschaltet.

Die Interessenabwägung des Gerichts ergab, dass das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung das Recht des Angeklagten auf informationelle Selbstbestimmung überwiege, zumal die gemachte Aufzeichnung sehr kurz und rein anlassbezogen war und der Angeklagte nicht direkt zu sehen gewesen sei. Auch das OLG Stuttgart hebt in seiner Entscheidung die Erforderlichkeit einer Einzelfallabwägung der widerstreitenden Interessen hervor.

Insofern ließ sich in den letzten Jahren eine Tendenz dahingehend erkennen, dass die Verwertung von Dashcam-Aufnahmen zulässig ist, soweit nur eine anlassbezogene Videoaufnahme stattgefunden hat und das Interesse an der Verwertbarkeit der Videoaufnahmen im Rahmen einer Interessenabwägung überwiegt.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Christian Wolf und Nadja Flegler, Dashcams im Straßenverkehr: Darf ich oder darf ich nicht? . In: Legal Tribune Online, 03.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25365/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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