Der Rundfunkbeitrag vor dem BVerfG: Karls­ruher Kor­rektur?

Gastbeitrag von Dr. iur. Barış Çalışkan

16.07.2018

Am Mittwoch verkündet das BVerfG seine Entscheidung in Sachen Rundfunkbeitrag. Barış Çalışkan erläutert, worum es bei dem Streit geht und warum die Karlsruher Richter die Rechtsprechung des BVerwG grundlegend überdenken sollten.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Mai dieses Jahres* darüber verhandelt, ob der Rundfunkbeitrag in seiner jetzigen Form verfassungsgemäß ist oder nicht. Die Entscheidung wird am kommenden Mittwoch verkündet. Eine zentrale Frage dabei ist, ob es sich bei dem Rundfunkbeitrag um ein zulässiges Finanzierungsmittel für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk handelt oder ob die Beitragspflicht doch nur eine Art verkappte Steuer darstellt.

Vom Gerätenutzer zur pauschalen Wohnungsabgabe

Mit Inkrafttreten des 15. Rundfunkstaatsvertrages kam es zum Systemwechsel: Die bis dahin geltende gerätebezogene Gebühr wurde durch eine Art Wohnungsabgabe ersetzt. Das System des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags sieht für den privaten Bereich vor, dass die Beitragspflicht jeden Wohnungsinhaber trifft, unabhängig davon, ob auch wirklich ein Empfangsgerät vorhanden ist oder nicht. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht kommt nur aus sozialen Gründen in Betracht.

Dieser Pflichtcharakter setzt sich ebenso im betrieblichen Bereich fort. Der Staatsvertrag regelt, dass auch Inhaber von Betriebsstätten und betriebsbezogenen Kraftfahrzeugen als Beitragsschuldner herangezogen werden. Auch hier wird der Beitrag unabhängig davon erhoben, ob das Rundfunkangebot wirklich empfangen und damit genutzt wird. Für Betriebsinhaber wiegt dies besonders schwer, da sich die Höhe der Beitragspflicht an der Anzahl der Betriebsstätten misst.
In allen Bereichen genügt also das Vorhandensein einer Raumeinheit für die Erhebung des Rundfunkbeitrags - und nicht mehr wie zuvor die Möglichkeit, Rundfunkangebote tatsächlich empfangen zu können.

Eine strittige Entscheidung aus Leipzig

Damit sind wir auch schon in der Begründung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angekommen, das keinen Verfassungsverstoß in der Rundfunkbeitragspflicht erkennt. Die Leipziger Richter begründen ihre Entscheidung mit der Bedeutung der Rundfunkfreiheit. Sie betonen darin den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und machen deutlich, dass eine neutrale Informationsgewinnung in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich sei, um die freie Meinungsbildung zu ermöglichen.

Entscheidend für die Struktur und damit auch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei, dass dieser möglichst frei von staatlicher Einflussnahme bleibe und trotzdem die Programmfreiheit und -vielfalt gewährleistet werden könne. Aus Sicht des BVerwG handelt es sich bei der Beitragspflicht deshalb lediglich um eine besondere Finanzierungsform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weshalb der Beitrag keine Steuer sei, da er einem rundfunkspezifischen Finanzierungszweck diene und eben nicht in den staatlichen Haushalt fließe. Außerdem erhalte der Beitragsschuldner als Gegenleistung für den Beitrag einen Vorteil - nämlich die Möglichkeit, Rundfunk zu empfangen.

Streitfrage: Steuer oder Abgabe?

Mit dieser Entscheidung negiert das BVerwG die Steuermerkmale. Im Ergebnis sieht das Gericht in dem Rundfunkbeitrag eine nicht-steuerliche Abgabe, da diese - anders als bei einer Steuer – eben nicht unabhängig von einer Gegenleistung erhoben und nicht zweckfrei verwendet werde, sondern der Rundfunkfinanzierung diene, eine Rundfunkempfangsmöglichkeit bestehe und damit eine Gegenleistung erbracht werde.

Der Rundfunkbeitrag kann allerdings gar keine Abgabe darstellen. Als Wesensmerkmal einer Abgabe und damit in Abgrenzung zur Steuer liegt gerade kein individueller Vorteil vor, der eine Gegenleistung für die Beitragspflicht darstellt. Einfach pro Raumeinheit auf die bloße Empfangsmöglichkeit abzustellen, führt zu einer Konturenlosigkeit und vermengt Steuer und Abgabe. Eine Beitragspflicht, die nahezu jeden trifft, muss hingegen als Steuer qualifiziert werden. Das bloße Angebot einer Nutzungsmöglichkeit stellt noch keinen Vorteil dar.

Nun mag man sich fragen, warum das BVerfG in der Vergangenheit im Kontext des Rundfunkbeitrages ebenfalls eine nicht-steuerliche Abgabe angenommen hat. Das liegt im Wesentlichen an zwei Merkmalen, die damals eine andere Bewertung der Beitragspflicht erlaubten. Erstens gab es in den Entscheidungen der Vergangenheit einen anderen Bezugspunkt, nämlich die Gerätebezogenheit der ehemaligen Rundfunkgebühr - und damit auch eine Konkretisierung des Leistungsbezuges. Zweitens lagen ganz andere technologische Grundbedingungen vor, nämlich die im Vergleich zu heute erheblich eingeschränkte Sendefrequenz.

Der gegenwärtigen Ausgestaltung der Rundfunkbeitragspflicht haftet somit die Gefahr an, dass die Vorgaben des Finanzverfassungsrechts umgangen werden können - und damit Vorgaben, die ein gerechtes Steueraufkommen regeln. Die Argumentation des BVerwG kann als Einfallstor dafür dienen, um staatliche Aufgaben von der Allgemeinheit abseits der Steuer zu finanzieren. Das kann zu einer indirekt doppelten Belastung führen , ohne dass das Grundgesetz dies vorsieht.

Ein aktueller Lösungsvorschlag

Bei der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten muss der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Fokus stehen. Kann aber bei einer Finanzierung aus Steuermitteln die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit eine freie Meinungsbildung des Einzelnen überhaupt gewährleistet werden? Hier lohnt sich ein Blick in den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, worauf bereits der frühere Richter am BVerwG Dr. Martin Pagenkopf bereits aufmerksam machte.

Danach ist eine Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) eingerichtet. Diese prüft u.a., ob sich die finanziellen Vorstellungen der Rundfunkanstalten im Rahmen des Rundfunkbeitragsaufkommens bewegen und die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten werden. Warum sollte dann, wie auch schon Pagenkopf in diese Richtung kritisch fragt, ein auf diese Weise festgestellter Finanzierungsbedarf den Rundfunkanstalten nicht als staatlicher Zuschuss aus Steuermitteln zufließen dürfen?

Dieses "Kommissionsmodell" kann als Grundlage für einen steuerfinanzierten Rundfunk dienen. Unabhängig von dieser Lösungsalternative wird die Entscheidung der Karlsruher Richter am Mittwoch mit sehr großer Spannung erwartet. Zu hoffen bleibt, dass der in der Rechtsprechung des BVerwG eingeschlagene "undogmatische Weg" verfassungsgerichtlich korrigiert wird. 

Der Autor Dr. iur. Barış Çalışkan ist Magistratsrat im Land Berlin und derzeit in der Funktion des Beauftragten für die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin tätig. Der Beitrag gibt seine persönliche Rechtsauffassung wieder.

*Ursprünglich war an dieser Stelle fälschlicherweise davon die Rede, das BVerfG habe an zwei Tagen verhandelt. Aktualisiert am Tag der Veröffentlichung, 15.21 Uhr.

Zitiervorschlag

Dr. iur. Barış Çalışkan, Der Rundfunkbeitrag vor dem BVerfG: Karlsruher Korrektur? . In: Legal Tribune Online, 16.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29779/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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