NPD-Klagen: Das BVerfG als Bühne

von Claudia Kornmeier

22.07.2014

Noch bevor die Karlsruher Richter über den NPD-Verbotsantrag des Bundesrats verhandeln, beschert ihnen die rechtsextreme Partei schon recht viel Arbeit: Mit Antrag um Antrag rügt die NPD, dass ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt wird. Eine geschickte PR-Strategie, mit der die Partei nur gewinnen kann, egal wie die Gerichtsverfahren ausgehen?

Es war eine Feststellungsklage, mit der die NPD sich und die Frage nach ihrer Verfassungsmäßigkeit Ende 2012 bewusst selbst in die Schlagzeilen brachte, bevor es eines der Staatsorgane mit einem Verbotsantrag tun konnte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sollte feststellen, dass die Partei nicht verfassungswidrig ist.

Geklappt hat das nicht (Beschl. v. 20.02.2013, Az. 2 BvE 11/12).

Genauso wenig wie zuvor der Prozess gegen Wahlwerbung der FDP. 2012 hatten die Liberalen im Vorfeld der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen unaufgefordert Briefe an Bürger versandt und Kinospots gezeigt, die von der Bundestagsfraktion finanziert worden waren. Ein Eilantrag der FDP dagegen scheiterte daran, dass das BVerfG nicht von einer Wiederholungsgefahr überzeugt war (Beschl. v. 16.01.2013, Az. 2 BvE 3/12). In der Hauptsache verwarfen die Verfassungsrichter die Organklage bereits als unzulässig – weil die Liberalen mittlerweile nicht mehr im Bundestag vertreten sind, fehle das Rechtsschutzbedürfnis (Beschl. v. 06.05.2014, Az. 2 BvE 3/12).

Aber die NPD machte weiter. Mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Dreiprozenthürde bei der Europawahl. Gemeinsam mit mehreren kleinen Parteien klagte die NPD gegen die Einführung der Sperrklausel, weil das BVerfG erst im November 2011 die Fünfprozenthürde für verfassungswidrig erklärt hatte (Urt. v. 09.11.2011, Az. 2 BvC 4/10 u.a.).

Das hat geklappt (Urt. v. 26.02.2014, Az. 2 BvE 2 /13 u.a.). Plötzlich war die NPD eine Partei, die für die Durchsetzung der Wahlrechtsgleichheit sorgte. In der Folge gab es tatsächlich ein Mandat im Europaparlament.

Äußerungen von Bundesministerin Schwesig vor dem BVerfG

Es folgten allerdings weitere Niederlagen. Bei der Wahl des Bundespräsidenten braucht es keine Aussprache über die Kandidaten – anders als es der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs gefordert hatte, der als Mitglied der Bundesversammlung an der Wahl von Horst Köhler und Christian Wulff beteiligt war (Urt. v. 10.06.2014, Az. 2 BvE 2/09 u.a.). Und Bundespräsident Joachim Gauck darf die Rechtsextremen "Spinner" nennen (Urt. v. 10.06.2014, Az. 2 BvE 4/13).

Die letzte Entscheidung hat bereits der Landesverfassungsgerichtshof des Saarlandes aufgegriffen und den Landesministern erlaubt, im Zusammenhang mit der NPD von "brauner Brut" und "Wiedergängern der alten Nazis" zu sprechen (Urt. v. 08.07.2014, Az. Lv 5/14). Dabei ging es vor dem BVerfG noch gar nicht um die Äußerungsbefugnisse von Regierungsmitgliedern.

Das wird es aber an diesem Dienstag. Denn auch da ist die NPD fündig geworden. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig gab im aktuellen Thüringer Landtagswahlkampf als Ziel Nr. 1 vor, dass die NPD nicht in den Landtag kommt. Ein klarer Verstoß gegen das Recht der Partei auf Chancengleichheit aus Art. 21 Grundgesetz (GG), meint NPD-Anwalt Peter Richter. Er sei gespannt, wie das BVerfG den Antrag der NPD gegen diese Äußerungen ablehnen will.

Im Eilverfahren hatte er allerdings keinen Erfolg. Schwesigs Äußerung füge der NPD keinen "Nachteil von solchem Gewicht" zu, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung gerechtfertigt sei (Beschl. v. 15.07.2014, Az. 2 BvE 2/14). Über die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sei damit noch nichts gesagt, ist sich Richter sicher. Schwesigs Aussagen seien viel krasser gewesen als die von Gauck. "Im Zweifel werden wir die Sache vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen." Dort könnte am Ende auch das Verbotsverfahren landen, das der Bundesrat Ende 2013 gegen die NPD angestrengt hat.

NPD-Anwalt: "Das wird auch noch so weitergehen"

Steckt hinter all diesen Klagen eine Strategie? Ja, sagt Rechtsanwalt Richter. Die wehrhafte Demokratie sei keine Einbahnstraße und deshalb wolle sich nun auch die NPD gegen rechtswidriges Verhalten von Staatsorganen wehren. Dafür beobachte man genau, wer wo was sage und sich wie verhalte.

Die genannten Verfahren sind denn auch nur solche, die Peter Richter für die NPD oder ihre Mitglieder vor dem BVerfG führt und geführt hat. Hinzu kommen zahlreiche Klagen vor den Instanzgerichten. Meist geht es dort um Versammlungsverbote und Gegendemonstrationen, abgehängte Wahlplakate oder die Rechte von Landtagsabgeordneten.

Das klappt mal, mal nicht.

"Das wird auch noch so weitergehen", kündigt der NPD-Anwalt an. "Die anderen Parteien können davon ausgehen, dass wir nicht einfach die Flinte ins Korn werfen werden." Gewinnen sei nicht das alleinige Ziel. Auch der Weg könne das Ziel sein. "Und wenn wir zehn Mal verlieren, können wir beim elften Mal immer noch gewinnen."

Experte: "Aus PR-Sicht kann die NPD gar nicht verlieren"

Aus PR-Sicht könne die NPD in einem Gerichtsverfahren gar nicht verlieren, meint der Experte für Litigation-PR Christopher Hauss von der Kommunikationsagentur "menschen für medien". Entweder bekomme die Partei Recht. Das sei gut für sie und schlecht für ihre Gegner. "Genauso gut ist es aber, wenn ihre Klage erfolglos bleibt. Dann war es nämlich das System, was die Rechtsextremen ablehnen und bekämpfen, was ihnen Unrecht gegeben hat. Das stützt eine Märtyrer-Argumentation gegenüber den eigenen Mitgliedern", so der Jurist, der unter anderen Bundestagsabgeordnete berät.

Für die NPD sei ein Gerichtsverfahren zudem eine der wenigen Möglichkeiten, die eigenen Argumente in die Medien zu bringen. "Eine Berichterstattung ohne die Sichtweise des Klägers ist kaum möglich. Das weiß die NPD und nutzt es."

Schlagzeilen ersetzten aber weder ein politisches Programm noch politische Erfolge, so Hauss. Das professionelle Bild vor Gericht und das chaotische Bild, was die Partei sonst zeigt, passten nicht zusammen. "Die Mitgliederzahlen sinken, die Parteikasse ist leer, die Abgeordneten in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind politische Nullnummern und dem ehemaligen NPD-Chef Holger Apfel werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen."

"Deswegen wird die Strategie nicht aufgehen, sich über Verfassungsklagen Gehör zu verschaffen und dadurch auch politisch an Gewicht zu gewinnen", ist sich Hauss sicher.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, NPD-Klagen: Das BVerfG als Bühne . In: Legal Tribune Online, 22.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12637/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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