Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen: Gute Gründe für den Reform-Stopp

von Autor Simon Gauseweg, LL.B

17.02.2017

Das Parlamentsbeteiligungsgesetz wird bis auf Weiteres doch nicht geändert, die Union hat die Umsetzung gestoppt. Gut so, findet Simon Gauseweg. Die Änderungen hätten mehr verschlechtert als verbessert.

Der Bundestag muss bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr zustimmen. Das schreibt die Verfassung vor und so regelt es das Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBG). Die Koalition hat im Januar 2016 einen Änderungsentwurf (BTDrs 18/7360) in den Bundestag eingebracht, mit dem sie im Wesentlichen die Vorschläge der sog. Rühe-Kommission übernahm. Diese war zuvor von den Regierungsfraktionen zur "Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr" eingesetzt worden.

Von diesem Entwurf hat die CDU-Fraktion nun Abstand genommen. Mindestens bis zur Bundestagswahl liegt die Reform auf Eis. Grund dafür dürfte sein, dass Sachverständige zentrale Punkte der geplanten Änderungen scharf kritisierten. Und das zu Recht.

Der Änderungsentwurf hatte den Anspruch, die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von EU, NATO und UN abzusichern und zu stärken. Dieses Ziel hat er verfehlt. Zwar beinhaltete das Papier diskussionswürdige Ansätze: Art und Umfang der Unterrichtung des Parlaments sollten auch im nächsten Änderungsentwurf eine Rolle spielen. Ebenso sollte die Anpassung des Gesetzes an neuere Rechtsprechung des BVerfG weiterhin ein Thema bleiben. Teilweise verfassungswidrige, in anderen Teilen nicht praktikable Versuche, die Reichweite des Parlamentsvorbehalts zu konkretisieren bzw. zu begrenzen, hätten im Ergebnis nur zu mehr Verfahren vor dem BVerfG geführt. Und die moderne Kriegsführung ignorierte der Entwurf völlig.

Mehr Papier fürs Parlament

Die Änderungen umfassten im Wesentlichen zwei Punkte: Einerseits sollte der Entwurf die Voraussetzungen ändern, unter denen das Parlament zustimmen muss. Andererseits sollte er die Regierung zu umfangreichen Berichten an das Parlament verpflichten.

Eine dieser Berichtspflichten setzt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um: Der Entwurf sah eine Unterrichtung des Parlaments über Grundlagen und Verlauf eines Einsatzes vor, der zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Beteiligung des Parlaments bereits beendet war – lex pegasus.

Zudem sollte das Parlament frühestmöglich über konkret geplante Einsätze unterrichtet werden. Vor Mandatsverlängerung sollte die Bundesregierung bilanzierende Bewertungen des Einsatzes, insbesondere zu dessen Auswirkungen auf die politische und humanitäre Lage im Einsatzland, vorlegen. Abgeschlossene Einsätze sollte sie ressortübergreifend evaluieren und dabei die Wirksamkeit der zivilen und militärischen Komponenten der Mission bewerten. Darüber hinaus enthält der Entwurf einen eigens neu eingeführten Paragraphen zur "Unterrichtung zu geheimhaltungsbedürftigen Einsätzen der Spezialkräfte".

Derartige Berichte waren bereits in der Begründung zum ursprünglichen ParlBG angedacht. Gesetzescharakter haben sie bisher allerdings nicht.

Wie viel Parlament braucht die Entscheidung über Krieg und Frieden?

Militäreinsätze sind klassisch exekutive Maßnahmen und folglich Aufgabe der Regierung. Zur Entscheidung über Krieg und Frieden soll jedoch laut dem BVerfG das Parlament "Herr des Geschäfts" sein. Aufgrund des exekutiven Charakters der Einsätze hat es kein Initiativrecht und kein Mitspracherecht in der operativen Planung; beides liegt in der Zuständigkeit der Regierung. Letztendlich treffen jedoch beide Gewalten, Exekutive und Legislative, die Entscheidung über die Durchführung von bewaffneten Auslandseinsätzen gemeinsam.

Je eher aber das Parlament von konkreten Vorhaben unterrichtet und somit in die Planungen einbezogen wird, desto besser könnte es theoretisch seiner Aufgabe als Mitentscheider gerecht werden. Gleichzeitig stärken gesetzlich verankerte Berichtspflichten allgemein die Kontrollfunktion des Parlaments. Insbesondere die stets heftig geführte Diskussion um den Sinn von Militäreinsätzen hätte durch die geplanten Zwischen- und Abschlussberichte mit Fakten angereichert werden können. Hier hätte man auch positive Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Diskussion erhoffen dürfen.

Gleichzeitig ist aber auch der Einwand des Sachverständigen Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg nicht von der Hand zu weisen. Er bemängelte einen Eingriff in Vorrechte der Exekutive "über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus" einerseits und die Gefahr eines "Saturierungsangriffs" auf Regierung und Parlament andererseits: Die vorgeschriebene frühe Einbeziehung des Parlaments wäre im Einzelfall eine Beschränkung des politischen Handlungsspielraums der Regierung. Und da kein Militäreinsatz wie der andere ist, haben Evaluierungen kaum eine Aussagekraft, erst recht nicht für weitere Einsätze.

Zitiervorschlag

Autor Simon Gauseweg, LL.B, Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen: Gute Gründe für den Reform-Stopp . In: Legal Tribune Online, 17.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22141/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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