Bundestagswahl 2017: Immer mehr innere Sicher­heit?

von Annelie Kaufmann

16.08.2017

"Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" – das Plakat, von dem die Kanzlerin lächelt, ist repräsentativ für die Inhaltsleere des Wahlkampfs. Dabei ist die innere Sicherheit ein echtes Streitthema. Wofür stehen die Parteien?

Klar ist, dass die Union über die sicherheitspolitischen Reformen, auf die sich die Große Koalition kurz vor Ende dieser Legislaturperiode geeinigt hat, noch hinausgehen will. Dazu gehört etwa der Einsatz intelligenter Videoüberwachung. Am Berliner Bahnhof Südkreuz wird das zurzeit schon in einem Pilotprojekt von Bundesinnenministerium, Bundeskriminalamt und Bundespolizei getestet, hier gleichen Kameras die Gesichter von 275 Testpersonen mit Passanten ab – künftig sollen so polizeibekannte Straftäter oder Gefährder automatisch erkannt werden. Diese Technik wollen CDU und CSU an "öffentlichen Gefahrenorten", etwa in Einkaufszentren, vor Fußballstadien und an großen Bahnhöfen, einsetzen.

Die SPD würde das mitmachen: "Wo Videotechnik hilft, Gefahren vorzubeugen und Beweise zu sichern, soll sie eingesetzt werden", heißt es in deren Wahlprogramm. "Ich kann mir vorstellen, dass wir an Bahnhöfen automatische Gesichtserkennung einsetzen, wenn sich Modellprojekte dazu bewähren", so die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl im Gespräch mit LTO. "Im Übrigen haben wir auf Bundesebene aber bereits alles getan. Jetzt müssen die Länder entscheiden, ob sie die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ausweiten wollen."

Grüne und Linke sehen die automatische Gesichtserkennung kritisch, die AfD ist dafür. Bedeckt hält sich die FDP: Man wolle Videoüberwachung "verantwortungsvoll einsetzen" und "in jedem Einzelfall prüfen". Abzuwarten bleibt, ob die Gesichtserkennung überhaupt in absehbarer Zeit zuverlässig funktioniert. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Konstantin von Notz, kritisiert das Pilotprojekt am Südkreuz scharf: "Viele Fragen der technischen Ausgestaltung und der rechtlichen und politischen Verantwortung für das Projekt sind ungeklärt. Auf der Grundlage bestehender gesetzlicher Rechtsgrundlagen ist das Projekt schon gar nicht zulässig, weil es an einer hinreichend bestimmten und normenklaren Rechtsgrundlage fehlt." Bis diese Fragen geklärt seien, bestehe die Gefahr, "dass hier mit einem ungeeigneten und nicht erforderlichen Mittel massiv in Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird."

DNA-Analyse ausweiten: Wie sieht der Täter aus?

Ein weiteres umstrittenes Thema: Brauchen die Strafverfolgungsbehörden mehr Ermittlungsbefugnisse, um Kriminalität besser bekämpfen zu können? Die Große Koalition hat sich kurz vor Ende der Legislaturperiode noch auf einige Reformen geeinigt und viele langjährige Forderungen der Strafverfolger erfüllt. Dazu gehören die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die Online-Durchsuchung von Computern oder Telefonen. Umstritten bleibt der Umgang mit DNA-Spuren: Sowohl die Union als auch die AfD wollen die Analyse ausweiten. Die Ermittler könnten dann nicht nur DNA-Spuren am Tatort mit dem genetischen Fingerabdruck eines bereits bekannten Tatverdächtigen abgleichen, sondern auch Schlüsse auf das äußere Erscheinungsbild, der Herkunft oder das Alter eines Straftäters ziehen. Die SPD hatte sich zwar darauf eingelassen, dass auch "Beinahe-Treffer" verwertet werden dürfen, also von Verwandten auf den Täter geschlossen werden darf, will eine weitere Ausdehnung der DNA-Analyse aber erst nach der Bundestagswahl diskutieren.

Grundsätzlich dagegen ist die SPD jedoch nicht.  "Wir wollen die DNA-Analyse erweitern, das kann bei der Strafverfolgung sehr hilfreich sein", so Högl. "Wir müssen aber auch genau schauen, um welche Merkmale es gehen soll und was die Voraussetzungen im Einzelnen sind."

Die Grünen sehen die Methode kritisch, sperren sich aber auch nicht gegen jede Ausweitung. Bedingung sei eine hinreichende Sicherheit und Fehlerfreiheit der Analyse, sowie strikte Voraussetzungen, so von Notz: "Die derzeit mögliche Speicherung der Informationen muss bei der Erweiterung der forensischen DNA-Analyse ausgeschlossen werden. Es darf in keinem Fall zu irgendeiner Art von 'Rassedatei' oder ähnlichem kommen."

Zitiervorschlag

Annelie Kaufmann, Bundestagswahl 2017: Immer mehr innere Sicherheit? . In: Legal Tribune Online, 16.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23969/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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