BGH schützt Mieter vor Verwertungskündigung: Nicht um jeden Preis

von Dominik Schüller

28.09.2017

Um Mietern von Wohnraum kündigen zu können, müssen Vermieter mehr darlegen als nur pauschale Nachteile. Bei anderweitiger Vermietung mehr Miete zu erzielen, reicht nicht. Dominik Schüller über die BGH-Entscheidung vom Mittwoch.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch zu den Voraussetzungen der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen beabsichtigter wirtschaftlicher Verwertung des Grundstücks entschieden. Er mahnt in seiner Entscheidung zur sorgfältigen Prüfung der Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) und zur gründlichen Abwägung zwischen Vermieter-  und Mieterinteressen. Kündigungen nur zur Gewinnmaximierung erteilt er eine Absage (BGH, Urt. v. 27.09.2017, Az. VIII ZR 243/16).

Die Mieter, die bis nach Karlsruhe klagten, nutzten seit 2012 eine große und günstige 7-Zimmer-Wohnung (190qm) in St. Blasien im Schwarzwald. Grundlage war ein  Mietvertrag mit der früheren Eigentümerin. Das Nachbargrundstück gehörte bereits seit längerem der Klägerin in dem Verfahren, die dort durch eine wirtschaftlich mit ihr verbundene Gesellschaft ein Modehaus betreibt.

Nachdem sie das Grundstück  nebenan erworben hatte, auf dem sich auch die Mietwohnung befindet, kündigte sie das das Mietverhältnis mit gesetzlicher Frist nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Verwertungskündigung). Als Kündigungsgrund nannte sie den geplanten Abriss des gesamten Gebäudes, um dort einen Neubau zur Erweiterung des Modehauses zu errichten. Hierdurch lasse sich, so die Vermieterin, aufgrund langfristiger Verpachtung ein deutlich höherer Ertrag erzielen. Amts- und Landgericht (LG) sprachen ihr den Räumungs- und Herausgabeanspruch zu.

BGH: Eigentum schützt auch den Mieter

Der BGH hingegen hat das Berufungsurteil aufgehhoben und zur neuen Tatsachenfeststellung an eine andere Kammer des LG verwiesen, das weitere Feststellungen zu anderen ausgesprochenen Kündigungen treffen soll.

Die (Haupt-) Kündigung wegen der schlechten wirtschaftlichen Verwertbarkeit hat der VIII. Zivilsenat hingegen für unwirksam erklärt. Das mit der Sache befasst Gericht habe "die bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Verwertungskündigung zu berücksichtigenden Belange grundlegend verkannt", so der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat.

Er hebt hervor, dass bei der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter neben der durch § 14 Grundgesetz geschützten Rechtsposition stets auch das auf gleicher Ebene stehende Besitzrecht des Mieters angemessen berücksichtigt werden müsse. Es ist daher eine Einzelfallabwägung der Vermieter- und Mieterinteressen erforderlich.

Erhebliche Nachteile müssen substantiiert dargelegt werden

Das Gesetz stellt an die Verwertungskündigung hohe Anforderungen. Nicht im Ansatz ausreichend ist nach Ansicht des BGH lediglich eine durch den Vermieter vorgetragene angemessene und von vernünftigen sowie nachvollziehbaren Gründen getragene wirtschaftliche Verwertung.

Vielmehr muss der Vermieter zusätzlich nachweisen, dass ihm bei Fortsetzung des Mietverhältnisses "erhebliche Nachteile" entstünden. Diese sind nicht erst bei drohendem Existenzverlust erreicht. Die beim Mieter eintretenden Nachteile müssten gegen die vermieterseitigen abgewogen werden. Dabei habe der Vermieter keinen Anspruch auf uneingeschränkte Gewinnoptimierung oder die bestmögliche wirtschaftliche Verwertung seiner Immobilie.

Die Bewertung dieser erheblichen Nachteile der Vermieterin durch das LG hat der Senat für unzutreffend erachtet. Das Berufungsgericht habe zwar auf die existenzielle Bedeutung für die Fortführung des Modehauses abgestellt, sich hierbei jedoch ausschließlich auf den allgemein gehaltenen Sachvortrag der Vermieterin gestützt. Hierdurch liefen die hohen gesetzlichen Anforderungen an die Verwertungskündigung praktisch leer. Hier fehlte es offenbar an substantiiertem Sachvortrag, aus welchem Grund der Anbau in der geplanten Form zwingend sei.

Nur eigene Nachteile, keine nachgeschobenen Gründe

Zudem seien nach dem Wortlaut des Gesetzes – anders als bei der Eigenbedarfskündigung – nur solche Nachteile zu berücksichtigten, die dem Vermieter persönlich entstünden. Das Modehaus, auf dessen wirtschaftliche Schlechterstellung die Kündigung gestützt war, wurde aber von einer mit der Vermieterin nicht identischen Gesellschaft geführt wurde.

Schließlich weist der BGH darauf hin, dass bei der Bewertung der Kündigung nur sich bereits aus dem Kündigungsschreiben ergebende Gründe berücksichtigt werden können. Nachgeschobene Gründe sind daher nicht zu berücksichtigen.

Bereits das Gesetz lässt deutlich die Intention des Gesetzgebers erkennen. Die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, genügt schon nach dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gerade nicht, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Vermieter muss neben einer angemessenen Verwertung auch anderenfalls drohende erhebliche Nachteile vortragen, beweisen und bereits in der Kündigung angeben. Nachteile für Dritte reichen in aller Regel dabei nicht aus.

Dies alles muss mit den beim Mieter durch die Kündigung eintretenden Nachteil abgewogen werden. Anders als durch eine individuelle Entscheidung im Einzelfall kann man diesen Anforderungen des Gesetzes und des BGH nicht gerecht werden.

Der Autor Dominik Schüller ist Notar und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei Sawal und Schüller in Berlin. Zu immobilienrechtlichen Fragen twittert er auch regelmäßig.

Zitiervorschlag

Dominik Schüller, BGH schützt Mieter vor Verwertungskündigung: Nicht um jeden Preis . In: Legal Tribune Online, 28.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24753/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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