Wenn es um Schönheitsreparaturen geht, meint der BGH es seit langem nicht gut mit Vermietern. Im Widerspruch zu ihrer eigenen jahrzehntelangen Rechtsprechung erklärten die Karlsruher Richter am Donnerstag kurzum tausende von Renovierungsklauseln zu Lasten von Mietern in deutschen Mietverträgen für unwirksam. Das Ende der Einzelfallentscheidungen ist das noch lange nicht, erklärt Dominik Schüller.
In drei Urteilen vom 18.03.2015 (Az. VIII ZR 185/14, VIII ZR 242/13 und VIII ZR 242/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) – nicht ganz unerwartet – Schönheitsreparaturklauseln bei unrenoviert übergebenen Wohnungen und die sogenannten Quotenklauseln in Formularmietverträgen für unwirksam erklärt.
Nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes sind hiervon unter Umständen Millionen von Mietverträgen betroffen. Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen könnten erheblich sein. Auch wenn die Entscheidungen nicht unerwartet kamen – immerhin hatte der BGH sie vor über einem Jahr deutlich in einem Hinweisbeschluss vom 22.01.2014 (Az. VIII ZR 352/12) angekündigt – trifft die Entscheidung viele Vermieter hart. Sie werden in vielen Fällen auf ihren Renovierungskosten sitzen bleiben. Doch genau betrachtet ist dies eigentlich die vom Gesetzgeber ursprünglich gewollte Lösung.
"Schönheitsreparaturen" sind keine echten Reparaturen
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sucht man den Begriff der "Schönheitsreparaturen" vergeblich. Der Gesetzgeber selbst verwendet ihn lediglich im Bereich des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in § 28 Abs. 4 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV).
Gemeinhin versteht man hierunter Instandsetzungsarbeiten zur Beseitigung von Abnutzungserscheinungen, die durch normales Wohnen zwangsläufig verursacht werden und sich auch bei vorsichtiger Nutzung der Mietsache nicht vollständig vermeiden lassen: Farben dunkeln nach, hier und da kommt ein Strich auf die Wand oder der Fußbodenbelag erhält leichte Kratzer.
Nach einem gewissen, jedoch nicht pauschal festzulegenden Zeitabschnitt muss daher jede Wohnung renoviert werden. Der Begriff der "Reparaturen" ist also insoweit irreführend, denn streng genommen wird nichts repariert. Gemeint sind das Tapezieren und Streichen der Wände, Decken, Fußböden, Heizkörper, Heizrohre und Innentüren sowie Fenster und Außentüren von innen.
Abzugrenzen sind Schönheitsreparaturen – und dies wird häufig vergessen – von tatsächlichen Beschädigungen, die nicht durch den üblichen Gebrauch verursacht worden sind. Bricht eine Fliese oder streicht der Mieter eine Wand in einem knalligen Farbton, ist er unabhängig von der Wirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel zur Instandsetzung verpflichtet.
Eigentlich müsste der Vermieter renovieren
Meist erwartet ein neuer Mieter beim Einzug auch frisch gestrichene Wände. Das Mietrecht sieht vor, dass grundsätzlich der Vermieter diese Arbeiten auf eigene Kosten ausführt. Und zwar nicht nur am Anfang und Ende eines Mietverhältnisses, sondern auch zwischendurch. Denn die Instandhaltung der Wohnung inklusive der Schönheitsreparaturen obliegt gemäß § 535 BGB grundsätzlich dem Vermieter.
Der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass die Vermieter die hierfür erforderlichen Kosten in die Kaltmiete einkalkulieren werden und der Mieter daher wegen normaler Abnutzungserscheinungen nicht in Anspruch genommen werden muss. Er zahlt für die mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch verbundene Abnutzung monatlich Miete.
In der Praxis ist es jedoch höchst selten, dass ein Mieter im laufenden Mietverhältnis seinen Vermieter auf Vornahme der Schönheitsreparaturen in Anspruch nimmt – auch wenn dies inzwischen in vielen Fällen möglich sein dürfte.
Die normative Kraft des Faktischen
Die Realität hat mit dem Gedanken des Gesetzes nicht mehr viel zu tun: Faktisch enthalten nahezu alle Formularmietverträge neuerer Zeit eine Klausel, mit der die Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter verlagert wird. Der BGH sah sich daher bereits in einem Rechtsentscheid vom 1. Juli 1987 (Az. VIII ARZ 9/86) zu der Feststellung veranlasst, es lasse sich nicht leugnen, dass die Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter seit Jahrzehnten weithin üblich sei und eine gegenteilige Vertragsgestaltung die Ausnahme darstelle. Schönheitsreparaturklauseln wurden folglich in nahezu beliebigem Umfang verwendet.
Im kollektiven Bewusstsein hat sich das nahezu gesetzesähnlich festgesetzt. Umstritten waren die Schönheitsreparaturklauseln trotzdem. Denn Individualverträge spielen in der Praxis kaum eine Rolle. Wohnraummietverträge sind regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die nach den Grundsätzen der §§ 305 BGB beurteilt werden. Durch vom Vermieter vorgegebene Formularverträge wird der dem Zivilrecht innewohnende Grundsatz der Vertragsfreiheit durchbrochen, der Gestaltungseinfluss der Mieter ist sehr beschränkt.
Der Gesetzgeber wollte mit den AGB-Regelungen die in bestimmten Situationen strukturell oder wirtschaftlich schwächere Vertragspartei schützen. Das zuständige Gericht muss daher bei einem Streit über die Durchführung oder Kostentragung von Schönheitsreparaturen entscheiden, ob die im Einzelfall verwendete Klausel wirksam ist. Ist sie unwirksam, hat der Vermieter keinen Anspruch gegen den Mieter.
2/2: Mit den Klauseln ging es bergab
Spätestens ab 2004 ging es daher bergab mit den Schönheitsreparaturklauseln. Mit Urteil vom 23. Juni 2004 (Az. VIII ZR 361/04) entschied der BGH, dass die nach einem starren Fristenplan auferlegte Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen den Mieter unangemessen benachteilige und daher nach § 307 BGB unwirksam sei.
Es folgten weitere Entscheidungen, in deren Mittelpunkt im Regelfall die aus dem AGB-Recht stammende "unangemessene Benachteiligung" stand. Die gesamte BGH-Rechtsprechung zur Frage der Übernahme von Schönheitsreparaturen oder ihren Kosten lässt sich im Grundsatz auf diesen Begriff reduzieren. Es liegt auf der Hand, dass diesem eine Wertungsentscheidung innewohnt.
Das erklärt auch die Vielzahl an Entscheidungen, die der BGH in den vergangenen zehn Jahren zu dieser Thematik zu treffen hatte. Die Bundesrichter entscheiden stets nur über eine konkrete Klausel und einen konkreten Sachverhalt. Die sprachlichen Variationen, aber auch die tatsächlichen Umstände eines Mietvertrages sind jedoch so vielfältig, dass die sich ergebenden juristischen Fragen nicht mit einer einzigen Entscheidung abgedeckt werden können.
Daran werden auch die Entscheidungen des BGH vom Donnerstag nichts ändern. Vielmehr geht auch der Vorsitzende des Deutschen Mietgerichtstages, Ulf Börstinghaus, davon aus, dass sich aus den Karlsruher Entscheidungen neue Rechtsfragen ergeben, welche die Gerichte aller Instanzen in den kommenden Jahren beschäftigen werden.
Unrenoviert bleibt unrenoviert
Wird dem Mieter eine unrenovierte Wohnung übergeben, sodass er sie beim Einzug nach seinen Vorstellungen renovieren kann, konnte er bislang beim Auszug zu einer zweiten Renovierung verpflichtet werden. Denn in seiner 1987-er Entscheidung hatte der BGH festgestellt, dass auch bei unrenovierten Wohnungen eine formularmäßige Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter wirksam sei, wenn die Renovierungsfristen mit dem Anfang des Mietverhältnisses beginnen.
Lange schon wurde es als Problem angesehen, dass der Vermieter hierdurch im Vergleich zur gesetzlichen Ausgangslage deutlich bevorteilt wird. Seit Mittwoch hält auch der VIII. Zivilsenat des BGH nicht länger an dieser Rechtsprechung fest. Eine solche Klausel verpflichte den Mieter zumindest theoretisch auch zur Beseitigung von Gebrauchsspuren des Vormieters. Zudem führe ihre kundenfeindlichste Interpretation dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder sogar in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie vom Vermieter erhalten habe, so der BGH.
Bei unrenoviert übergebenen Wohnungen hat der Vermieter daher in Zukunft auch lediglich einen Anspruch auf Rückgabe einer unrenovierten Wohnung (BGH, Urt. v. 18.03.2015, Az. VIII ZR 185/14 sowie VIII ZR 242/13). Dabei hat der BGH auch berücksichtigt, dass sich in der Praxis kaum feststellen lässt, zu welchem Anteil Abnutzungen dem Vormieter und zu welchem Anteil dem neuen Mieter zuzuordnen sind.
Renoviert oder nicht renoviert?
Gelöst ist der Konflikt damit in der Praxis jedoch nicht: In vielen Fällen wird man sich streiten, ob eine Wohnung zu Beginn renoviert war oder nicht. Hier liegt der Teufel – wie üblich – im Detail. Wegen dieser vom Mieter zu beweisenden Frage hat der BGH eines der gestrigen Verfahren wieder zum Berufungsgericht zurück verwiesen (Az. VIII ZR 242/13).
Auch die vielfach zu lesene Mietvertragskausel, die Wohnung sei bei Übergabe "in renoviertem Zustand" gewesen, ist nicht unwiderleglich. Wenn sie tatsächlich nicht renoviert war, kann der Mieter dies immer noch beweisen. Insbesondere bei einem Eigentümer- und Vermieterwechsel wird letzterer schlechte Karten haben, wenn der Mieter einen Zeugen präsentieren kann.
Nach den Entscheidungen des BGH werden die Vermieter also in vielen Fällen auf ihren Renovierungskosten sitzen bleiben. Denn an bereits abgeschlossenen Mietverträgen lässt sich nichts mehr ändern - einen Mietvertragsänderungsanspruch hat der BGH für frei finanzierten Wohnraum bereits verneint.
Der Spielraum für Vermieter wird immer enger
Auch in Zukunft wird es für eine Vielzahl von Fallgestaltungen in der Praxis nur noch schwer möglich sein, die Schönheitsreparaturen auf den Mieter abzuwälzen. Vermieter werden daher dazu übergehen, eher renovierte Wohnungen zu vermieten und mit einer – weiterhin möglichen – Klausel die zukünftigen Schönheitsreparaturen nach Abnutzungsgrad auf die Mieter zu verlagern.
Ob sich dadurch höhere Mieten durchsetzen lassen werden, hängt vom Markt ab. Die "Mietpreisbremse" ist insoweit eher hinderlich – vor allem in Ballungsgebieten.
Offen bleibt die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn die Wohnung zwar unrenoviert übergeben wird, der Mieter jedoch eine gewisse Zeit für die Renovierung mietfrei wohnt. Das gilt umso mehr, als der BGH es auch am Donnerstag explizit für möglich erklärte, einen angemessenen Ausgleich zu vereinbaren. Wie der aussieht, bleibt allerdings offen. Es wird daher vermutlich nicht die letzte Entscheidung aus Karlsruhe zu Schönheitsreparaturklauseln gewesen sein, auch wenn nach 10-jähriger Beschäftigung gewisse Ermüdungserscheinungen zu diesem Thema eingetreten sein dürften.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin und twittert zu immobilienrechtlichen Fragen unter https://twitter.com/ra_schueller.
Dominik Schüller, BGH zu Mieterrechten: Der qualvolle Tod der Schönheitsreparaturklausel . In: Legal Tribune Online, 19.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14996/ (abgerufen am: 19.03.2024 )
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