BGH kippt Gewinnverteilungsmodell der VG Wort: Worst­case für die Ver­leger

von Dr. Günter Poll

21.04.2016

Bislang hat die VG Wort ihre Einnahmen je zur Hälfte an Urheber und Verleger ausgeschüttet. Zu Unrecht, so der BGH. Die Einnahmen entstünden allein den Urhebern zu. Die Entscheidung könnte auch die GEMA treffen. Von Günter Poll.

Nach einem rund fünfjährigen Rechtsstreit zwischen einem wissenschaftlichen Autor, Dr. Martin Vogel und der Verwertungsgesellschaft VG Wort, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem am 21. April 2016 verkündeten Urteil klargestellt, dass die pauschale Beteiligung der Printverleger an den Einnahmen der VG Wort rechtswidrig ist und daher sofort eingestellt werden muss (Az. I ZR 198/13). Möglicherweise ergeben sich hieraus auch Regressansprüche der Autoren gegen die VG Wort und/oder die Verleger ihrer Werke.

Als Kompensation für die (gesetzlich erlaubten) massenhaften Privatkopien, die nach Veröffentlichung eines Werks oft erstellt werden, spricht § 54 Urheberrechtsgesetz (UrhG) dem Urheber einen Anspruch auf eine "angemessene Vergütung" zu, der sich gegen Hersteller von Speichermedien und Geräten, mit denen Werke kopiert werden können, richtet. Diese sogenannte Reprographieabgabe zieht die VG Wort zentral ein und zahlte sie, ihrem bisherigen Verteilungsplan entsprechend, zu 50 Prozent an die Autoren und 50 Prozent an die Verlage aus.

Damit hat es nach der heutigen Entscheidung ein Ende. Eine erste Bewertung ist zwar nur anhand der Pressemitteilung des BGH möglich, da die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Aus der Sicht der Verleger muss aber schon jetzt von einer katastrophalen Niederlage gesprochen werden. Dass der Rechtsstreit eher zugunsten der Autoren ausgehen würde, war zwar bereits seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall Hewlett Packard ./. Reprobel abzusehen, bis zu deren Verkündung der BGH das VG-Wort-Verfahren ausgesetzt hatte. Die heutige Entscheidung des BGH geht allerdings sogar noch über die des EuGH hinaus.

EuGH: Keine Verlegerbeteiligung per Gesetz

Der EuGH hatte im November 2015 entschieden, dass die belgische Rechtslage, die eine hälftige Teilung der Einnahmen der dortigen Verwertungsgesellschaft Reprobel zwischen Urhebern und Verlegern vorsah, mit europäischem Recht unvereinbar sei. Da die Verleger keine originären Inhaber des in Art. 2 der InfoSoc-Richtlinie genannten Vervielfältigungsrechts seien, stehe ihnen auch kein Anteil an dem durch Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie den Urhebern gewährten "gerechten Ausgleich" für die Einschränkung ihres Vervielfältigungsrechts und den daraus resultierenden massenhaften Privatkopien (= Reprographievergütung) zu.

Demgegenüber hatte die VG Wort in der Revision entscheidendes Gewicht auf drei Aspekte gelegt: Zum einen sei das EuGH-Urteil nicht 1:1 auf den Fall Vogel ./. VG Wort übertragbar, weil die Beteiligung der Verleger an den Einnahmen der VG Wort in Deutschland nicht (wie in Belgien) auf einer gesetzlichen Regelung, sondern auf ihrem Verteilungsplan und entsprechenden Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten (Urheber, Verleger und Verwertungsgesellschaft) beruhe. Zum anderen betreffe das EuGH-Urteil nur die Beteiligung der Verleger an der Reprographievergütung, während die VG Wort neben diesem Anspruch auch noch andere Vergütungsansprüche wahrnehme. Schließlich sei der Anspruch der Verleger auf Beteiligung an den Einnahmen der VG Wort schon deshalb berechtigt, weil die Verleger unstreitig zahlreiche Leistungen erbringen, die den Urhebern zugutekommen, und durch die die Verwertungsgesellschaften erst in die Lage versetzt werden, überhaupt Einnahmen aus der Reprographievergütung zu erzielen.

Zitiervorschlag

Dr. Günter Poll, BGH kippt Gewinnverteilungsmodell der VG Wort: Worstcase für die Verleger . In: Legal Tribune Online, 21.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19169/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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