Technische Schutzmaßnahmen gegen Framing: Ver­wer­tungs­ge­sell­schaft for­dert den BGH heraus

Gastbeitrag von Andreas Biesterfeld-Kuhn

21.02.2019

Kann eine Verwertungsgesellschaft dem Nutzer auferlegen, Maßnahmen gegen das Framing zu ergreifen? Das muss der BGH entscheiden. Das Urteil der Vorinstanz und warum ein unguter Beigeschmack bleiben könnte, erklärt Andreas Biesterfeld-Kuhn .

Nachdem das Framing in den vergangenen vier Jahren für keine größeren juristischen Aufreger mehr gesorgt hat, ist das Thema nun am heutigen Donnerstag wieder zurück auf der Agenda des Bundesgerichtshofs (BGH). Anders als in der letzten Entscheidung aus Karlsruhe (Urt. v. 09.07.2015, Az. I ZR 46/12) steht dieses Mal jedoch nicht die Frage im Fokus, ob und unter welchen Umständen das Framing, also das Einbetten fremder Inhalte von einer anderen in die eigene Webseite, überhaupt rechtlich zulässig ist.

Dieses Mal geht es stattdessen um die Frage, ob eine Verwertungsgesellschaft (VG) einem Nutzer vorschreiben darf, dass er wirksame technische Maßnahmen gegen das Framing ergreifen muss, wenn er mit ihr einen Nutzungsvertrag abschließen will. Es steht zu vermuten, dass der BGH – wie zuvor schon das Berufungsgericht (Kammergericht, Urt. v. 18.06.2018, Az. 24 U 146/17) – diese Klausel für unzulässig halten wird. Damit wäre die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Gang gesetzte Rechtsprechung konsequent fortgeschrieben. Für die Urheber würde dies indessen einen weiteren Kontrollverlust bedeuten.

Dass der VG Bild-Kunst die tendenziell internetnutzerfreundliche Rechtsprechung des EuGH ein Dorn im Auge ist, wird jedem deutlich, der sich etwas intensiver mit deren Internetseite auseinandersetzt. Unter der Überschrift "EuGH enteignet Bildurheber" wird dort mit wohlkalkulierter Dramatik prognostiziert, dass die Luxemburger Schwerpunktsetzung auf ein freies Internet zur Folge haben werde, dass sich die Rechte professionell arbeitender Autoren, Fotografen und bildender Künstler de facto schon mit der ersten Nutzung im Internet erschöpfe, wenn jeder weitere Nutzer sich diese Inhalte im Wege des Framing aneignen könne, ohne zuvor eine Lizenz zu erwerben. Der Urheber – so die Befürchtung der VG Bild-Kunst – werde also von der wirtschaftlichen Auswertung seines Werks weitgehend abgeschnitten.  

Nutzerfreundliche Rechtsprechung des EuGH

Anlass für die tiefgreifende Besorgnis der VG Bild-Kunst sind zwei Entscheidungen des EuGH, mit denen zunächst das Setzen von Hyperlinks und sodann das Framing für zulässig erachtet wurden. In Bezug auf Hyperlinks urteilten die Luxemburger Richter, dass es an einer "öffentlichen Wiedergabe" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zur Informationsgesellschaft scheitere, weil mit Hyperlinks auf ohnehin frei zugängliche Inhalte kein neues Publikum erschlossen werde (Urt. v. 13.04.2014, Az. C 466/12 - Svensson u.a). Ähnlich argumentierte der EuGH in Bezug auf das Framing: Solange weder ein neues Publikum erschlossen noch eine neue Technik verwendet werde, handle es sich ebenfalls nicht um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie, selbst dann, wenn dem Nutzer beim Anklicken des Werks der Eindruck vermittelt werde, dass das Werk überhaupt gar nicht von einer anderen Webseite stamme (EuGH, Beschl. v. 21.10.2014, Az. C-348/13; BestWater).

Zwar hat der BGH die EuGH-Rechtsprechung etwas abgemildert, indem er ausführte, dass eine urheberrechtlich unzulässige öffentliche Wiedergabe sehr wohl in Betracht komme, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zu der ursprünglichen Nutzung vorliege (Urt. v. 09.07.2015, Az. I ZR 46/12). Damit ist für die Urheber, deren Interessen die VG Bild-Kunst vertritt, jedoch natürlich nichts gewonnen, sobald sie einer Nutzung ihres Werks im Internet einmal zugestimmt haben. Folgerichtig vertritt die VG Bild-Kunst die Auffassung, dass es effektiver technischer Schutzvorsichtungen bedürfe, um die Rechte der Urheber im Hinblick auf die wirtschaftliche Auswertung ihres Werks angemessen zu wahren.

Insofern kommt es nicht überraschend, dass die VG Bild-Kunst von der Beklagten in dem aktuellen BGH-Verfahren, der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), als Gegenleistung für den Abschuss eines Nutzungsvertrages für die öffentliche Zugänglichmachung von Vorschaubildern verlangte, dass diese einer Klausel zustimmt, wonach sie sich verpflichten soll, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen zum Schutz gegen Framing anzuwenden. Im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand und die zu erwartenden Kosten lehnte die DDB dies jedoch ab und erhob eine Klage mit dem Ziel feststellen zu lassen, dass die VG Bild-Kunst zum Abschluss eines Nutzungsvertrages ohne die von ihr zur Bedingung gemachte Klausel verpflichtet sei.

Berufungsgericht: Klausel widerspricht dem Abschlusszwang

Nachdem das Landgericht Berlin die Klage als unzulässig abwiesen hatte, entschied das Kammergericht in der Berufungsinstanz zu Gunsten der DDB. Es erinnerte die VG Bild-Kunst an den in § 34 Abs. 1 Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) verankerten Abschlusszwang, wonach sie verpflichtet sei, jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Die Pflicht zur Ergreifung wirksamer technischer Maßnahmen gegen das Framing würden jedoch keine angemessenen Bedingungen darstellen, weil es sich beim Framing nach der Rechtsprechung des EuGH nicht um eine urheberrechtlich relevante Nutzung handele, gegenüber welcher der Urheber eines Schutzes bedürfe. Mangels urheberrechtlicher "Nutzungshandlung" könne der Urheber das Framing nämlich gar nicht untersagen und dementsprechend hierfür auch keine Lizenz einräumen.

Besondere Beachtung schenkten die Richter am Kammergericht dem Umstand, dass die Vorschaubilder, um die es in dem konkreten Fall geht, ausnahmslos auf Internetseiten verschiedener Kultur- und Wissenseinrichtungen im Internet verlinken, auf denen diese Bilder hochauflösend frei zugänglich sind. Die Wiedergabe durch den DBB erfolge deshalb weder unbefugt noch gegenüber einem begrenzten Personenkreis, so dass auch durch ein nachgeschaltetes Framing kein neuer Publikumskreis erschlossen werde. Etwas anderes könne zwar gegebenenfalls dann gelten, wenn der Kreis der Nutzer bereits bei der ursprünglichen Veröffentlichung des Bildes beschränkt gewesen sei. Eine solche Konstellation sei jedoch im konkreten Fall nicht gegeben.

Zu guter Letzt haben die Berliner Richter geprüft, ob der gesetzliche Schutz wirksamer technischer Maßnahmen nach § 95a Urhebergesetz (UrhG) an diesem Ergebnis etwas ändere. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht der Fall sei, weil § 95a UrhG nur solche technischen Schutzmaßnahmen im Auge habe, die unerlaubte Nutzungshandlungen verhindern oder einschränken sollen, nicht aber solche Fälle, in denen geschützte Werke mit Erlaubnis des Rechteinhabers für alle Nutzer frei zugänglich ins Internet eingestellt wurden.

Das Kammergericht hat den Sachverhalt sorgfältig geprüft, fundiert aufbereitet und tadellos unter die gesetzlichen Regelungen sowie die maßgebliche Rechtsprechung subsumiert. Da eine Erlaubnis der Urheber zu der Erstveröffentlichung im konkreten Fall unstreitig vorliegt, spielt auch die vom BGH in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2015 offen gelassene Hintertür vorliegend überhaupt keine Rolle. Insofern dürfte es als Überraschung zu werten sein, wenn sich der BGH hier nicht der Auffassung des Kammergerichts anschlösse. Aber der BGH ist immer für eine Überraschung gut, mag die Überraschung auch darin bestehen, dass die Überraschung komplett ausbleibt.

Der Urheber hat das Nachsehen

Nichtsdestotrotz bliebe ein unguter Beigeschmack, sollte der BGH das Urteil des Kammergerichts tatsächlich bestätigen. Denn Schwarzmalerei hin oder her: Die VG Bild-Kunst legt den Finger schon in die richtige Wunde. Es ist nur schwer vermittelbar, wenn man im Wege des Framing ohne Kostenaufwand Inhalte "wiedergeben" darf, für die man – wollte man sie im klassischen Sinne öffentlich zugänglich machen – zuvor gegen ein Entgelt eine Lizenz einholen müsste. Urheber werden diesen Wertungswiderspruch zurecht nicht nachvollziehen können, da ihnen hierdurch eine sichere Einkommensquelle verloren geht. Und nur wenige Künstler werden aus altruistischen oder idealistischen Motiven den Verlust von Einkommensquellen auch nur im Ansatz gutheißen.

"Schuld" an diesem urheberunfreundlichen Ergebnis wären jedoch nicht die Richter in Luxemburg, Karlsruhe oder Berlin. "Schuld" wären vielmehr die Legislativorgane der Europäischen Union (EU), die es bislang versäumt haben, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die einen vernünftigen Ausgleich zwischen der Informations- und Meinungsfreiheit auf der einen Seite und den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Urheber auf der anderen Seite sicherstellt. Entsprechend fordert auch die VG Bild-Kunst unabhängig von dem aktuellen Verfahren eine gesetzliche Klarstellung, wonach jede Wiedergabe eines fremden Werkes in einer Webseite eine eigenständige Nutzung darstellt, auch wenn dieses Werk nicht vom eigenen, sondern von einem fremden Server hochgeladen wird. Sollte der BGH tatsächlich wie erwartet entscheiden, wäre es an der Zeit, dass man endlich damit anfängt, über eine entsprechende Regelung ernsthaft zu diskutieren.     

Der Autor Andreas Biesterfeld-Kuhn ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.

Zitiervorschlag

Technische Schutzmaßnahmen gegen Framing: Verwertungsgesellschaft fordert den BGH heraus . In: Legal Tribune Online, 21.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33969/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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