Am Donnerstag hat der BGH die Frage, ob Framing urheberrechtlich zulässig ist, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Blogger und Facebook-Nutzer können also zunächst weiterhin Videos von externen Webseiten wie Youtube in ihren Blog oder ihr Facebook-Profil einbetten. Wenn dem Framing aber Europarecht entgegen steht, drohen Abmahnungen, erklären Niklas Haberkamm und Andreas Biesterfeld.
Der Fall, mit dem der Bundesgerichtshof (BGH) sich zu befassen hatte, zeigt, dass das "Framing", also die Einbindung von Videos anderer Seiten in die eigene Webseite, nicht allein auf soziale Netzwerke und Blogs beschränkt ist. Klägerin dort ist ein auf Wasserfiltersysteme spezialisiertes Unternehmen, welches die ausschließlichen Nutzungsrechte an einem Kurzfilm über Wasserverschmutzung mit dem Titel "Die Realität" erworben hatte.
Dieser Kurzfilm gelangte ohne ihr Zutun auf Youtube, wo zwei ihrer Wettbewerber ihn entdeckten und für eigene Zwecke verwendeten. Dazu eröffneten sie den Besuchern ihrer eigenen Webseiten die Möglichkeit, mittels eines Klicks auf einen elektronischen Verweis den Kurzfilm vom Youtube-Server abzurufen, welcher dann auf ihren eigenen Webseiten in einem Rahmen (Frame) abgespielt wurde.
Das auf Wasserfiltersysteme spezialisierte Unternehmen sah sich in seinem Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a Urheberrechtsgesetz verletzt und erhob am Landgericht (LG) München Klage auf Schadensersatz. Nun ist selbst nach dem Gang durch die deutschen Instanzen weiterhin unklar, ob es diesen bekommen wird.
Keine Einigkeit zum Framing in den Instanzen
In erster Instanz war die Klägerin mit diesem Begehren auch erfolgreich: Die Münchner Richter entschieden, dass sich die Beklagten den urheberrechtlich geschützten Inhalt des Kurzfilms zueigen gemacht hätten (Urt. vom 02.02. 2011, Az. 37 O 15777/10).
Das Oberlandesgericht (OLG) München aber hob die Entscheidung auf, weil allein derjenige, der das Video auf Youtube eingestellt hat, darüber entscheide, ob es weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibe. Weil sich der Film nicht in der Zugriffssphäre des Framenden befindet, halte dieser ihn weder selbst zum Abruf bereit, noch übermittle er ihn auf Abruf an Dritte. Der Framende mache das Video daher nicht öffentlich zugänglich, argumentierten die Berufungsrichter (Urt. v. 16.02.2012, Az. 6 U 1092/11).
Das OLG wähnte bei seiner Entscheidung den BGH auf seiner Seite. Es berief sich auf dessen Rechtsprechung zum Setzen von Hyper- bzw. Deep-Links, in denen die Karlsruher Richter keinen Urheberrechtsverstoß zu erkennen vermochten (BGH, Urt. v. 17.07.2003, Az. I ZR 259/00 – Paperboy, und BGH, Urt. v. 29.04.2010, Az. I ZR 39/08 – Session ID).
BGH: Framing könnte unbenanntes Verwertungsrecht verletzen
Der BGH stellte mit seiner Entscheidung vom Donnerstag aber klar, dass zwischen Hyper-/Deep-Links und Framing sehr wohl zu unterscheiden ist. Zwar sei das Einbinden fremder Videos auf der eigenen Seite keine öffentliche Zugänglichmachung. Möglicherweise könnte es aber nach Ansicht der Karlsruher Richter ein im deutschen Recht unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen, wenn man das deutsche Urhebergesetz im Lichte der sogenannten Multimedia-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) auslegt (Beschl. v. 16.05.2013, Az. I ZR I ZR 46/12 Die Realität).
Zu dieser Annahme gelangen die Karlsruher Richter, weil das deutsche Recht in § 15 Abs. 2 UrhG zwar verschiedene Arten der öffentlichen Wiedergabe nennt (Aufführungsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, Senderecht etc.), jedoch durch die Formulierung "insbesondere" zum Ausdruck bringt, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist.
Auch die Multimedia-Richtlinie verwendet die Begriffe der öffentlichen Zugänglichmachung und der öffentliche Wiedergabe, aber nur in ähnlicher Weise wie das deutsche Recht. Da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Richtlinien – im Gegensatz zu EU-Verordnungen – nicht an den Wortlaut, sondern lediglich an deren Wortsinn gebunden sind, könnten sich nach Ansicht des unter anderem für das Urheberrecht zuständigen I. Zivilsenat bei der Umsetzung der Multimedia-Richtlinie ins deutsche Recht Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, die nun aufgrund des Vorrangs des europäischen Rechts gegebenenfalls vom EuGH zu beheben sind.
2/2_ Konflikte zwischen Internet und Urheberrecht: Lieber mal den EuGH fragen
Es ist keine große Überraschung, dass der BGH die Sache nun den Luxemburger Richtern vorgelegt hat. Gerade im Spannungsverhältnis zwischen den sich stets wandelnden Handlungsoptionen im Internet und den ihnen stets hinterherhinkenden rechtlichen Vorgaben der verschiedenen Urhebergesetze in Europa suchen die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten gerne die Unterstützung des EuGH.
So hat auch das schwedische Gericht Svea hovrätt als Appellationsgericht am 18. Oktober 2012 ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH eingereicht. Die Vorlagefragen betreffen dort unter anderem die urheberrechtliche Problematik, ob das Setzen von Links auf Inhalte anderer Webseiten als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Multimedia-Richtlinie aufzufassen ist und damit eine Rechtsverletzung darstellen kann.
Außerdem hat am 17. April 2013 der britische Supreme Court in einer Urheberrechtssache entschieden, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob sogar die beim Browsen zwangsläufig entstehenden Kopien von grundsätzlich urheberrechtlich geschützten Inhalten rechtsverletzend sind oder nicht. Eine Entscheidung einmal nicht selbst treffen zu müssen, fällt offensichtlich nicht nur dem BGH gerade im Konfliktbereich zwischen dem Internet und dem Urheberrecht leichter als in anderen Bereichen.
Sparschweine, Abmahnungen und das letzte Wort in Karlsruhe
Sollte der EuGH zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es das vom BGH vermutete "unbenannte Verwertungsrecht" tatsächlich gibt, wäre damit allerdings noch nicht zwangsläufig gesagt, dass alle Facebook-User und Internetblogger schon einmal ihr Sparschwein für künftige Abmahnungen füllen müssten.
Denn es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass der BGH in diesem Fall entsprechend seiner Rechtsprechung zu Google-Thumbnails (Vorschaubilder II, Urteil v. 19.10.2011, Az. I ZR 140/10) danach differenzieren würde, ob das entsprechende Video gegen den Willen des Nutzungsrechtsinhabers oder mit dessen Zustimmung auf Youtube eingestellt wurde. Nur im ersten Fall läge dann ein Urheberrechtsverstoß vor, das Framing von mit Zustimmung des Rechteinhabers auf Youtube eingestellten Sequenzen hingegen bliebe zulässig.
Schließlich ist auch denkbar, dass die Karlsruher Richter, selbst wenn der EuGH von einem unbenannten Recht der öffentlichen Wiedergabe ausginge, ihre Entscheidung auf das Framing zu kommerziellen Zwecken beschränken würden. Da der Senat diese Differenzierung bereits in der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013 angedeutet hatte, könnte das letzte Wort in Sachen Framing durchaus in Karlsruhe gesprochen werden.
Der Autor Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Rechtsanwälte Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Der Autor Andreas Biesterfeld ist Rechtsanwalt ebenda. Sie sind spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.
Andreas Biesterfeld-Kuhn und Niklas Haberkamm, YouTube-Videos auf der eigenen Webseite: BGH lässt EuGH über Framing entscheiden . In: Legal Tribune Online, 17.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8757/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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