Reform des Betriebsrentenrechts: Jobwechsel – und die bAV geht mit

von Dr. Thomas Frank

13.07.2015

Jobwechsel führen zu Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung gegenüber vielen Arbeitgebern – oder diese entfallen. Die Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie wird bessere Rahmenbedingungen schaffen. Einzelheiten erläutert Thomas Frank.

Am 1. Juli 2015 hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie beschlossen. Diese soll die Bedingungen für die betriebliche Altersversorgung verbessern und die Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern. Die Mobilitätsrichtlinie, die bereits am 20. Mai 2014 in Kraft getreten ist, zwingt den Gesetzgeber, vor allem neue Regelungen für Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer zu schaffen.

Eine Anwartschaft ist die konkrete Aussicht auf den Erwerb eines Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung, bevor die Voraussetzungen für die Auszahlung erfüllt sind. Bei einem Arbeitsplatzwechsel sollen diese Anwartschaften nicht mehr verloren gehen und keine Nachteile für die Betriebsrente folgen.

Dynamisierung von Anwartschaften

Schon jetzt wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Anwartschaft nach Maßgabe der im Zeitpunkt des Ausscheidens geltenden Versorgungszusage mit den Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Ausscheidens berechnet. Entgegen einem ersten Referentenentwurf vom 13. März 2015 bleibt dies unverändert. Allerdings fordert die Mobilitätsrichtlinie eine Dynamisierung von Anwartschaften, so dass diese auch nach dem Ausscheiden noch weiter anwachsen. Nach dem Gesetzentwurf ist eine solche Dynamisierung nicht erforderlich, wenn die Versorgungszusage

  • als nominales Anrecht festgelegt ist, d.h. insbesondere wenn die Höhe der Betriebsrente bereits beziffert worden war,
  • eine Verzinsung enthält, die auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugutekommt, oder
  • über Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung durchgeführt wird und die Erträge auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugute kommen.

Liegt keiner dieser Fälle vor, kann die Dynamisierung durch Anpassung der Anwartschaft erfolgen

  • um 1 % jährlich,
  • wie Anwartschaften oder Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer,
  • wie laufende Leistungen an die Versorgungsempfänger oder
  • entsprechend dem Verbraucherpreisindex für Deutschland.

Höhere Kosten für Arbeitgeber

Für Arbeitgeber bedeutet diese Veränderung künftig steigende Kosten für die betriebliche Altersversorgung. Denn sie müssen in die Versorgungspläne gegebenenfalls Regelungen zur Dynamisierung aufnehmen. Da dies mit einer Steigerung des Dotierungsrahmens verbunden ist, könnten Arbeitgeber Einschnitte an anderer Stelle in Erwägung ziehen.

Allerdings gilt die Dynamisierung nur für Beschäftigungszeiten nach dem 31. Dezember 2017. Zudem soll die Dynamisierung nicht für Versorgungswerke gelten, die am 20. Mai 2014 bereits geschlossen waren.

Darüber hinaus führt der Gesetzentwurf als übergeordneten Grundsatz ein allgemeines Benachteiligungsverbot ein. Danach dürfen ausgeschiedene Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wert ihrer Anwartschaft gegenüber vergleichbaren aktiven Arbeitnehmern nicht benachteiligt werden. Reichweite und Bedeutung dieses Benachteiligungsverbots sind aber unklar.

Unverfallbarkeit und Wartezeit

Auch an der gesetzlichen Frist für die Unverfallbarkeit schraubt die neue Richtlinie: Betriebliche Altersversorgung, die aus einer Entgeltumwandlung finanziert wird, kann ab dem ersten Tag ihrer Vereinbarung nicht verfallen. Anders bei Zusagen, die über das Gehalt hinaus gewährt werden. Für diese gilt eine gesetzliche Unverfallbarkeit, wenn sie zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb mindestens fünf Jahre bestanden hat und der Arbeitnehmer zudem das 25. Lebensjahr vollendet hat.

Diese Unverfallbarkeitsfrist wird in Zukunft drei Jahre betragen, das Mindestalter für den Erwerb einer unverfallbaren Anwartschaft 21 Jahre. In Zukunft werden also Anwartschaften schneller und früher aufrechterhalten als heute.

Die kürzere Frist bezieht auch Wartezeiten mit ein, die zusammen mit der Unverfallbarkeitsfrist nicht länger als drei Jahre sein dürfen. Wartezeiten und Vorschaltzeiten in Versorgungsplänen sind daher auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.

Auch die Altersgrenzen in den steuerlichen Regelungen zur Bildung von Pensionsrückstellungen und zur Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an eine Unterstützungskasse werden nach unten angepasst.

Abfindung von Bagatellanwartschaften

Nach derzeitiger Rechtslage hat der Arbeitgeber das Recht, eine Bagatellanwartschaft einseitig abzufinden. Im Jahr 2015 liegt eine Bagatellanwartschaft vor, wenn die Versorgungsleistung bei Erreichen der Altersgrenze 28,35 Euro monatlich oder einmalig 3.402 Euro in den alten Bundesländern beziehungsweise 24,15 Euro monatlich oder einmalig 2.898 Euro in den neuen Bundesländern nicht übersteigen wird.

Begründet der Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat ein Arbeitsverhältnis, ist für eine Abfindung solcher Bagatellanwartschaften in Zukunft die Einwilligung des Arbeitnehmers erforderlich. Der Arbeitnehmer muss dem ehemaligen Arbeitgeber den Wechsel ins Ausland binnen drei Monaten mitteilen.

Die einseitige Abfindung von Bagatellanwartschaften bleibt aber weiterhin möglich bei rein innerstaatlichen Sachverhalten.

Auskunftspflichten

Über die bestehenden Auskunftspflichten hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, dass der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger zukünftig dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen mitteilen muss,

  • ob und wie eine Anwartschaft erworben wird,
  • wie hoch der Anspruch auf Altersversorgung aus der bisher erworbenen Anwartschaft ist und bei Erreichen der Altersgrenze voraussichtlich sein wird,
  • wie sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Anwartschaft auswirkt, und
  • wie sich die Anwartschaft nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses entwickeln wird.

Zudem hat der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer oder einem Hinterbliebenen auf dessen Verlangen mitzuteilen, wie hoch die Anwartschaft ist und wie sich die Anwartschaft künftig entwickeln wird.

Die Auskünfte sind in Textform zu erteilen. Online-Portale sind allein nicht ausreichend, um die Auskunftspflicht in dieser Form zu erfüllen.

Daher wird auch der Verwaltungsaufwand für die Unternehmen steigen. Abweichend vom geltenden Recht ist ein berechtigtes Interesse an der Auskunft nicht erforderlich. Eine Begrenzung der Auskunftspflicht ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Rentenanpassung bei Direktversicherung und Pensionskasse

Der Gesetzentwurf regelt zudem die gesetzliche Rentenanpassung für Direktversicherungen und Pensionskassen neu. Diese Änderung ist jedoch nicht der Mobilitätsrichtlinie, sondern der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geschuldet (Urt. v. 30.09.2014, Az. 3 AZR 617/12). Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass auch in diesen Durchführungswegen eine Rentenanpassung zu prüfen ist, wenn zur Berechnung der Leistung ein höherer als der gesetzliche Höchstzinssatz angewendet wird.

In Zukunft soll die Prüfung einer Rentenanpassung entfallen, unabhängig davon, welcher Rechnungszins von der Direktversicherung oder der Pensionskasse angewendet wird. Dies begünstigt vor allem regulierte Pensionskassen, die ihre Leistungen mit einem von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigten Zinssatz berechnen, nicht mit dem gesetzlichen Höchstzinssatz.

Die Änderung zur Rentenanpassung soll ab dem Tag der Verkündung des Gesetzes gelten. Im Übrigen sollen die Änderungen am 1. Januar 2018 in Kraft treten.

Dr. Thomas Frank ist Senior Associate der Praxisgruppe Pensions im Münchener Büro der internationalen Kanzlei Hogan Lovells.

Zitiervorschlag

Dr. Thomas Frank , Reform des Betriebsrentenrechts: Jobwechsel – und die bAV geht mit . In: Legal Tribune Online, 13.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16123/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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