BAG zu Fragen nach eingestellten Ermittlungsverfahren: Was Arbeitgeber wissen dürfen

von Tim Wybitul

16.11.2012

Eine weiße Weste ist vor allem für Führungs- und Vertrauenspositionen wichtig, auch Mitarbeiter in Banken sollten ein möglichst straffreies Vorleben haben. Im Fall eines Lehrers entschied das BAG am Mittwoch allerdings, dass Bewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten Ermittlungsverfahren gefragt werden dürfen. Tim Wybitul erläutert, was Arbeitgeber in welchen Branchen künftig fragen dürfen.

Kaum ein Compliance-Handbuch kommt mehr ohne Vorschläge für Background-Checks oder Mitarbeiter-Screenings aus. Will ein Unternehmen Haftung vermeiden, muss es aufpassen, welche Mitarbeiter es einstellt. Viele Betriebe sind derzeit mit Korruptionsskandalen, Kartellvorwürfen oder anderen Wirtschaftsstraftaten konfrontiert. Die Folgen nachlässiger Kontrollen sind oft massiv. Rufschäden und Millionenstrafen können den Bestand ganzer Unternehmen bedrohen. Vernachlässigen Entscheidungsträger ihre Aufsichtspflichten drohen ihnen selbst Bußgelder von bis zu einer Million Euro und die Abschöpfung von Gewinnen.

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer dennoch ein Recht darauf, dass der Arbeitgeber ihre informationelle Selbstbestimmung achtet. Das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters muss allerdings dann zurückstehen, wenn das Informationsinteresse des Unternehmens überwiegt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss der Arbeitgeber dafür ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Fragen haben. Ist dies nicht der Fall, darf der Bewerber sogar lügen.

Lüge des Lehrers ohne Konsequenzen

Das BAG entschied nun über die Kündigung eines Hauptschullehrers in Nordrhein-Westfalen. Der Mann hatte bei seiner Einstellung auf einem Vordruck versichert, gegen ihn liefen keine Ermittlungen. Zudem habe es in den letzten drei Jahren auch keine Ermittlungsverfahren gegen ihn gegeben. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft aber gleich mehrfach gegen den Bewerber ermittelt; die Verfahren dann aber eingestellt.

Nach einem anonymen Hinweis flog der Schwindel auf. Dem Lehrer wurde gekündigt. Ebenso wie die Vorinstanzen hielt das höchste Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam. Arbeitgeber dürften grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche pauschale Frage verstoße vor allem gegen § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Danach dürfen Daten von Bewerbern und Beschäftigten nämlich nur erhoben werden, wenn dies für die Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

Informationen über abgeschlossene Ermittlungsverfahren seien für eine Bewerbung um eine Stelle als Lehrer aber nicht erforderlich, befanden die Richter. Die allein auf die falsche Auskunft des Lehrers gestützte Kündigung verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Deshalb sei die Kündigung wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 138 BGB unwirksam.

Sonderregeln für Banken

§ 32 BDSG müssen Unternehmen beim Umgang mit den Daten von Bewerbern und bereits eingestellten Beschäftigten schon seit 2009 beachten. Die Vorschrift erlaubt das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Beschäftigtendaten nur dann, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Was genau erforderlich ist, hängt vom Zweck ab, den der Arbeitgeber verfolgt. In dem vom BAG entschiedenen Fall wollte das Land Nordrhein-Westfalen als Träger der Schule wohl generell sicherstellen, dass es keine möglichen Straftäter beschäftigte.

Entscheidend für den Umfang des Fragerechts ist vor allem die konkret zu besetzende Stelle. Zwar stellten die Erfurter Richter fest, dass die Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren grundsätzlich unzulässig ist. Das heißt aber, dass sich Arbeitgeber über derartige Informationen in Ausnahmefällen doch erkundigen dürfen, etwa wenn es um ausgesprochene Vertrauensstellungen oder wichtige Führungspositionen geht.

Manche Gesetze sehen sogar ausdrückliche Sonderregeln für Kontrollen von Beschäftigten vor, etwa das Geldwäsche- oder das Kreditwesengesetz. Danach müssen beispielsweise Banken ihre Mitarbeiter strenger überwachen als andere Unternehmen; sie dürfen sie aber auch intensiver kontrollieren, ohne mit dem Datenschutz in Konflikt zu geraten.

In jedem Falle darf der Arbeitgeber seine Fragen nicht ins Blaue hinein stellen. Die Nachfrage muss stets in konkretem Zusammenhang mit der Ausübung der Stelle stehen. In Zweifelsfällen kann übrigens auch die Aufsichtsbehörde für den Datenschutz weiterhelfen.

Der Autor Tim Wybitul ist Of Counsel bei Hogan Lovells, Lehrbeauftragter für Datenschutz der Deutschen Universität für Weiterbildung, Berlin und Mitherausgeber der Zeitschrift für Datenschutz (ZD). Als Fachanwalt für Arbeitsrecht berät er Unternehmen in den Bereichen Arbeitsrecht, Datenschutz, Compliance und bei internen Ermittlungen.

Zitiervorschlag

Tim Wybitul, BAG zu Fragen nach eingestellten Ermittlungsverfahren: Was Arbeitgeber wissen dürfen . In: Legal Tribune Online, 16.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7567/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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