BAG zu Betriebsrenten: Küchensieb statt Altersvorsorge

von Hendrik Bourguignon

13.02.2013

Arbeitgeber dürfen die Zahlung von Betriebsrenten davon abhängig machen, dass ihre Mitarbeiter mindestens 15 Jahre bei ihnen gearbeitet haben. Das ist weder eine Diskriminierung wegen des Alters noch wegen des Geschlecht, entschied das BAG am Dienstag. Das Urteil liegt auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung und gibt Unternehmen Rechtssicherheit, meint Hendrik Bourguignon.

Zum ersten Mal seit rund 25 Jahren hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Höchstaltersgrenzen bei der betrieblichen Altersvorsorge beschäftigt. Dabei haben sich die Erfurter Richter klar auf die Seite der Arbeitgeber geschlagen: Unternehmen dürfen eine Betriebsrente davon abhängig machen, dass Mitarbeiter dem Betrieb für eine gewisse Dauer angehört haben. Wer bei Einführung des Rentensystems bereits zu alt ist, um überhaupt noch solange dort arbeiten zu können, hat keinen Anspruch auf die Betriebsrente (Urt. v. 12.02.2013, Az. 3 AZR 100/11).

So erging es einer EDV-Sachbearbeiterin in einer Softwarefirma. Weil sie bereits 57 Jahre alt war, als ihr Unternehmen eine Unterstützungskasse gründete und bekanntgab, künftig eine Betriebsrente zu gewähren, konnte sie die geforderte 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zum Renteneintritt nicht mehr erreichen. Als sie mit 66 Jahren in Rente ging, wurde ihr die Betriebsrente verweigert. Stattdessen schenkte ihr das Unternehmen ein Küchensieb.

Gestaltungsfreiheit für Arbeitgeber

Die Sachbearbeiterin war insgesamt elf Jahre, neun davon seit Einführung des Betriebsrentensystems für die Softwarefirma tätig gewesen. Sie klagte, weil sie die geforderte 15-jährige Betriebszugehörigkeit für willkürlich hielt. Das BAG sah dies anders. Es liege im Ermessen des Arbeitgebers, ob er Betriebsrenten gewähre und nach welchen Kriterien. Die Klage hatte vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht, wie schon in den Vorinstanzen, keinen Erfolg.

Der Arbeitgeber ist nach Auffassung der Erfurter Richter nicht verpflichtet, der Frau eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren. Zwar behandelte das Softwareunternehmen bei der Einführung des Betriebsrentensystems nicht alle Mitarbeiter gleich. Es schloss diejenigen aus, die bis zur Rente keine 15 Jahre mehr in dem Betrieb arbeiten würden.

Diese Differenzierung diskriminiere Mitarbeiter aber weder wegen ihres Alters noch wegen des Geschlechts. Inwieweit sich die Klägerin wegen ihres Geschlechts benachteiligt fühlte, geht aus der Entscheidung des BAG nicht hervor. In Betracht kommt eine mittelbare Diskriminierung von Frauen wegen des Geschlechts aus verschiedenen Gründen, insbesondere Entgeltsysteme, die häufiger Frauen als Männer von Entgeltansprüchen ausschließt oder diese trotz gleichwertiger Arbeit kürzt.

Arbeitgeber dürfen die Rentenberechtigung von einer Wartezeit abhängig machen. Die von der Softwarefirma geforderten 15 Jahre Betriebszugehörigkeit kommen im Grunde einer Altersgrenze für die Aufnahme in das betriebliche Rentenversorgungssystem gleich. Nach der Rechtsprechung des BAG sind solche Höchstaltersgrenzen sogar ohne Wartezeiten wirksam.

Unternehmen müssen Vorwurf der Altersdiskriminierung nicht fürchten

Da der Arbeitgeber frei ist, ob er überhaupt Versorgungszusagen erteilt, kann ihm auch nicht verwehrt werden, das höhere und kostspieligere Risiko älterer Arbeitnehmer auszuschließen. Bei leistungsbezogenen, arbeitgeberfinanzierten Versorgungssystemen lässt sich anders als bei beitragsbezogenen Versorgungssystemen das Risiko eines höheren Eintrittsalters nicht mithilfe von versicherungsmathematischen Berechnungsfaktoren ausgleichen. Um die gleiche Leistung zu finanzieren, sind für ältere Arbeitnehmer höhere Aufwendungen erforderlich als für jüngere, worauf bereits die Vorinstanz in ihrer Urteilsbegründung hingewiesen hat.

Das Softwareunternehmen hatte dargelegt, dass es sich für eine 15-jährige Wartezeit entschieden hatte, weil es nach seinen Kalkulationen diesen Zeitraum brauche, um die nötigen Mittel zu erwirtschaften und anzusparen. Bislang hatte das BAG sogar eine 20-jährige Wartezeit für zulässig erachtet. Diese Rechtsprechung ist allerdings schon rund 25 Jahre alt.

Die Wartezeit verstößt auch nicht dadurch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass die Frau die 15-jährige Wartezeit erfüllt hätte, wenn sie bis zu ihrem 70. Lebensjahr weitergearbeitet hätte. Bereits nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamburg vermischt die Klägerin mit dieser Argumentation Zugangs- und Leistungsvoraussetzungen, die nebeneinander sinnvoll sind und getrennt bewertet werden müssen. Die Zugangsvoraussetzung ist hier, dass im Jahre 1999 bei Einführung der Betriebsrente ein Arbeitsverhältnis bestand. Die Leistungsvoraussetzung ist die 15-jährige Wartezeit und das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters von damals 65 Jahren.

Das BAG gibt mit seinem Urteil mehr Orientierung für Unternehmen, die Systeme betrieblicher Altersversorgung einrichten möchten oder bereits damit begonnen haben. Sie können Wartezeiten von 15 Jahren für den Bezug von Versorgungsleistungen festlegen, ohne Vorwürfe einer Altersdiskriminierung befürchten zu müssen.

Der Autor Hendrik Bourguignon ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in der Kanzlei Schmalz Rechtsanwälte in Frankfurt.

Zitiervorschlag

Hendrik Bourguignon, BAG zu Betriebsrenten: Küchensieb statt Altersvorsorge . In: Legal Tribune Online, 13.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8142/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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