BAG zu teurem Aufhebungsvertrag: Arbeit­geber darf unlieb­samen Betriebsrat her­aus­kaufen

Gastbeitrag von Dr. Frederik Möller

30.04.2018

Das BAG ebnet einen Weg, unliebsame Betriebsräte elegant aus dem Betrieb herauszukaufen. Frederik Möller erläutert den Hintergrund.

In einem bislang kaum beachteten Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Arbeitgeber unbequeme Betriebsräte aus dem Unternehmen herauskaufen können (Urt. v. 21.03.2018, Az.: 7 AZR 590/16).

Betriebsräte sind durch zahlreiche Normen der Betriebsverfassung besonders geschützt, damit sie ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Interessenvertretung der Arbeitnehmer ohne Einfluss des Arbeitgebers oder die Befürchtung von Repressalien ausüben können.

Betriebsräte können z.B. nur außerordentlich und mit Zustimmung des Betriebsratsgremiums gekündigt werden (§ 15 KSchG und § 103 BetrVG) und dürfen vom Arbeitgeber weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 78 Satz 2 BetrVG).

Dieser Schutz ist Grundvoraussetzung dafür, dass Betriebsrat und Arbeitgeber vertrauensvoll und auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Das im Arbeitsverhältnis üblicherweise bestehende Machtgefälle zwischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmer soll nicht auf die Ebene der Betriebspartner durchschlagen.

Herauskaufen kann für Betrieb teuer werden

Nicht selten kommt es aber zu tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten. Das kann soweit gehen, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat, unversöhnlich gegenüberstehen, bisweilen aus dem Streit in der Sache eine persönliche Fehde wird.

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, wie sie der Betriebsverfassung als Idee zugrunde liegt, funktioniert in diesen Fällen nicht mehr. Oftmals bleibt dann als einzige Lösung – sowohl für Arbeitgeber als auch Betriebsratsmitglied –, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Das kann allerdings für das Unternehmen teuer werden. Weil die Betriebsräte vor Kündigungen gut geschützt sind, lassen sie sich ihre Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch hohe Abfindungszahlungen vergolden.

Vorwurf des sexuellen Übergriffs auf Sekretärin

So war es auch in dem vom BAG entschiedenen Fall. Der Arbeitgeber hatte beim Arbeitsgericht beantragt, die Zustimmung der Kündigung gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden zu ersetzen. Dazu hatte der Arbeitgeber die eidesstattliche Erklärung einer Betriebsratssekretärin vorgelegt, die dem Betriebsratsvorsitzenden über einen Zeitraum von über einem halben Jahr u.a. sexuelle Belästigung vorwarf.

Der seit über 30 Jahren in dem Betrieb tätige Betriebsratsvorsitzende ließ das über seine Anwälte dementieren. Parallel erwirkte der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Betriebsratsvorsitzenden, die ihm verbot, zum wiederholten Mal eine Betriebsversammlung einzuberufen, um diese für die Darstellung seiner Opferrolle in dem Kündigungsverfahren zu missbrauchen.

Betriebsratsvorsitzender verlangte eine halbe Million

Trotz dieses Teilerfolgs war für beide Streithähne unvorhersehbar, wie das Zustimmungsersetzungsverfahren und ein sich anschließender jahrelanger Kündigungsschutzprozess am Ende ausgehen würde. Deshalb kam es zwischen den Parteien zu Vergleichsgesprächen.

Am Anfang soll der Arbeitnehmer 500.000 Euro Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes verlangt haben – das Zehnfache seines Jahresgehalts. Das lehnte der Arbeitgeber zwar ab. Am Ende einigten sie sich aber im Kern auf eine Zahlung von annähernd 270.000 Euro, die in mehreren Etappen vom Arbeitgeber zu zahlen waren. 120.000 Euro betrug die eigentliche Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Rund 150.000 Euro zahlte der Arbeitgeber für die Zeit der Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden, also während einer Dauer von 29 Monaten.

Abfindung verprasst: Hochzeitsfeier mit 1.000 Gästen 

Derart zu reichlich Kapital gekommen ließ es der ehemalige Betriebsratsvorsitzende privat ordentlich krachen. So finanzierte er seinem Sohn eine Hochzeitsfeier mit 1.000 Gästen. Danach war die Hälfte der Abfindung weg. Mit dem Rest tilgte der 51-Jährige seine Schulden.

Und danach kam erst einmal Katerstimmung auf. Offenbar überlegte er dann, wie er wieder zurück in seinen alten Job kommen könnte. Er focht den Aufhebungsvertrag wegen Nichtigkeit an. Seine Begründung: Der Vertrag habe ihn wegen eklatant hohen Abfindungszahlungen im Verhältnis zu normalen Mitarbeitern unverhältnismäßig begünstigt.

Doch diese Milchmädchenrechnung machten weder die Instanzgerichte noch das Bundesarbeitsgericht mit. Die Erfurter Richter ließen vielmehr über ihre Pressestelle mitteilen: Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags werde das Betriebsratsmitglied "regelmäßig nicht unzulässig begünstigt".

Soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger ist als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt, beruhe dies auf dem in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz.

Freikaufen von Prozessrisiko ist legal

Auch wenn die Entscheidungsgründe des Urteils noch ausstehen, kann man festhalten: Das Bundesarbeitsgericht erlaubt eine erheblich über dem Durchschnitt liegende Abfindungszahlung an einen Betriebsrat, um so das gegenüber Arbeitnehmern erheblich höhere Prozessrisiko zu umschiffen.

Nach einer Deloitte-Studie erhalten ausscheidende Mitarbeiter in Deutschland im Schnitt rund 40.000 Euro. Die 120.000 Euro, die der Betriebsrat im vorliegenden Fall erhalten hat, liegen also um das Dreifache darüber.

Nimmt man stattdessen die bekannte Faustformel, wonach zu Unrecht gekündigten Arbeitnehmern pro Jahr der Beschäftigung ein halbes Monatsgehalt zustehen, käme man vorliegend auf einen Betrag von 75.000 Euro (30 Jahre mal 2.500 Euro). Auch nach dieser Modellrechnung wäre im BAG-Fall immer noch das Doppelte an Abfindung verglichen mit Nichtbetriebsräten geflossen.

Offensichtlich störten sich die Bundesarbeitsrichter auch nicht an der Tatsache, dass dem gekündigten Betriebsratsvorsitzenden zusätzlich über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren nach Abschluss des Aufhebungsvertrags das Gehalt weitergezahlt wurde. Das deutet darauf hin, dass die Arbeitsgerichte künftig bei der Abfindungsregelung für Betriebsräte einen sehr großzügigen Rabatt gewähren werden. 

Nochmals: Der Arbeitgeber darf sich vom besonderen Prozessrisiko freikaufen, das bei Kündigung eines Betriebsrats besteht. Wo es an diesem speziellen Prozessrisiko mangelt, lebt wieder die – unzulässige –  Begünstigung von Betriebsräten auf.  

Sollte der Arbeitgeber etwa versuchen, Betriebsräte gezielt aus ihrem Amt zu kaufen, weil sie als Betriebsrat nicht arbeitgeberfreundlich genug entscheiden oder handeln, ist das eindeutig illegal.

Allerdings wird sich in einem solchen Fall das betroffene Betriebsratsmitglied auch nicht auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags berufen können, schließlich hat er die Begünstigung in seiner starken Position als Betriebsrat akzeptiert und würde sich im Ergebnis widersprüchlich verhalten.

Rechtsanwalt Dr. Frederik Möller ist Senior Associate im Frankfurter Büro von CMS Deutschland. Er berät deutsche und internationale Unternehmen zu allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. zu seinem Schwerpunkt gehören unter anderem betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen.

Zitiervorschlag

Dr. Frederik Möller , BAG zu teurem Aufhebungsvertrag: Arbeitgeber darf unliebsamen Betriebsrat herauskaufen . In: Legal Tribune Online, 30.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28353/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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