Kündigung nach exzessiver Internetnutzung: 45 Stunden im Monat privat bei der Arbeit gesurft

2/2: Fall gar nicht so eindeutig

Dass es durchaus Risiken und Klärungsbedarf gibt, ist bereits aus der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zu entnehmen, das die Revision zum BAG zuließ. Im Fokus der rechtlichen Diskussion stand die Frage, ob die Erkenntnisse aus der Auswertung des Browserverlaufes überhaupt berücksichtigt werden durften. Entscheidungserhebliche Frage war damit, ob die in einem Dienstrechner gespeicherten Daten über die Internetnutzung prozessual verwertet werden dürfen oder diesem Vorgehen ein Beweisverwertungs- oder Sachvortragsverbot entgegensteht.

In Fällen der Verletzung des Rechts der informationellen Selbstbestimmung kann in der Tat ausnahmsweise ein solches Verbot bestehen. Hierbei sind aber auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an der Verwertbarkeit in der Entscheidung zu berücksichtigen. Diese Abwägungsfrage zwischen Nutzung von Daten und deren unrechtmäßiger Verwendung wird durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) konkretisiert, welches für eine Nutzung von Daten stets eine Ermächtigung verlange, so das LAG.

Mangels wirksamer Betriebsvereinbarung oder Einwilligung des Arbeitnehmers komme nur eine gesetzliche Legitimation in Kraft. Als solche könne § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG dienen, der dem Arbeitgeber die Erhebung und Verwertung von Daten im Arbeitsverhältnis zur Missbrauchskontrolle erlaubt. Dies sei auch in einem erforderlichen Rahmen vorliegend erfolgt, da das konkrete Ausmaß eines Missbrauchs des dienstlichen Internetzugangs sich nur durch Auswertung der Verlaufsdaten und nicht etwa schon durch die Auswertung der im Firewall-Server protokollierten Volumina des Internetverkehrs habe feststellen lassen.
Im Ergebnis nahmen die Berliner Landesarbeitsrichter also ein datenschutzrechtskonformes Verhalten des Arbeitgebers an, ließen mangels höchstrichterlicher Entscheidung zum Zeitpunkt des Urteils aber die Revision zum BAG zu.

Wie das BAG wohl entschieden hätte

Legt man die Erkenntnisse aus dem landesarbeitsgerichtlichen Urteil zu Grunde, so spricht viel dafür, dass das BAG sich den Vorinstanzen angeschlossen hätte. Zum einen erscheint angesichts der massiven Vorwürfe eine datenschutzrechtlich Auswertung im Ergebnis gerechtfertigt, da die erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Unternehmens bei einer Abwägung überwiegen dürfte.
Zum anderen hatten die Erfurter Richter in zwei jüngeren Urteilen (v. 22.9.2016, Az.: 2 AZR 848/15 u. v. 20.10.2016, Az.: 2 AZR 395/15) betont, dass selbst ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorgaben nicht per se zur Unverwertbarkeit entsprechend erlangter Erkenntnisse führt. Vielmehr bedürfe es in jedem Fall einer Abwägung im Einzelfall zwischen Beweisverwertungsinteresse und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.

Die gegenteilige Auffassung, die partiell von Instanzgerichten (LAG Baden-Württemberg v. 20.7.2016, 4 Sa 61/15) vertreten wurde, hat das BAG damit ausdrücklich abgelehnt. Ob der Mann seine Erfolgsaussichten deshalb gering einschätzte und nach einem langen Streit einen Vergleich einging, ist nicht bekannt. Vielleicht war ihm auch bloß eine weitere ausführliche Diskussion der Inhalte der von ihm besuchten Seiten vor Gericht inklusive medialer Aufmerksamkeit zu viel des Guten.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Römermann Rechtsanwälte AG in Hamburg.

Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, Kündigung nach exzessiver Internetnutzung: 45 Stunden im Monat privat bei der Arbeit gesurft . In: Legal Tribune Online, 21.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22713/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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