Unverbindlichkeit unbilliger Arbeitgeberweisungen: Senat gibt Recht­sp­re­chung auf

von Günther Heckelmann

20.09.2017

Konträr zur ständigen Rechtsprechung des Fünften sollen nach Ansicht des Zehnten Senats des BAG unbillige Weisungen des Arbeitgebers nicht befolgt werden. Der Fünfte schließt sich nun an. Mit unerfreulichen Folgen, meint Günther Heckelmann.

Bereits der Anfragebeschluss des Zehnten Senats am Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14. Juni 2017 (Az. 10 AZR 330/16 (A)) entfachte in der juristischen Literatur eine intensive Diskussion über mögliche Folgen einer Rechtsprechungsänderung zu unbilligen Weisungen durch den Arbeitgeber. Der Zehnte Senat äußerte die Rechtsauffassung, unbillige Weisungen durch den Arbeitgeber müssten vom Arbeitnehmer nicht befolgt werden.

Am Dienstag nun hat der Fünfte Senat mitgeteilt, er hielte an seiner bisherigen Auffassung nicht länger fest. Die Entscheidung ist von großer Praxisrelevanz und bedeutet eine Zäsur in der Rechtsprechungslinie des Fünften Senats.

Divergenzvorlage entbehrlich

Der Fünfte Senat hatte bisher angenommen, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe. Er müsse vielmehr nach § 315 Abs. 3 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über die Bestimmung der Leistung durch eine Partei die Gerichte für Arbeitssachen anrufen.

Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung vorläufig gebunden, bis durch eine rechtskräftige Entscheidung die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe (BAG Urt. v. 22. 02.2012, Az. 5 AZR 249/11). Laut Mitteilung des BAG hat der Fünfte Senat nun auf die Anfrage mitgeteilt, dass er an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festhält. Damit ist eine Divergenzvorlage vor dem Großen Senat des BAG entbehrlich.

Wirkung auf Kündigung unklar

Gegenstand des Verfahrens beim Zehnten Senat, welches den Stein ins Rollen brachte, war die Versetzung eines Arbeitnehmers von seinem bisherigen Arbeitsort Dortmund an den Standort Berlin. Nachdem sich der betroffene Arbeitnehmer trotz zweimaliger Abmahnung geweigert hatte der Versetzungsanordnung Folge zu leisten, wurde sein Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos gekündigt.

Mit seiner nunmehr vor dem Zehnten Senat anhängigen Klage wehrte sich der Arbeitnehmer sowohl gegen die Versetzung als auch gegen die Abmahnungen und machte darüber hinaus vorenthaltene Vergütung geltend. Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wurde in einem separaten Verfahren geltend gemacht und ist zur Zeit noch beim Zweiten Senat anhängig (Az. 2 AZR 329/16). Nachdem die Instanzgerichte die Unrechtmäßigkeit der Versetzung feststellten und insbesondere das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (Urt. v. 17.03.2016, Az. 17 Sa 1660/15) gegen die Rechtsprechungslinie des Fünften Senats Stellung bezog, schloss sich auch der Zehnte Senat dieser Auffassung an.

Mit dem Antwortbeschluss ist nun der Weg für den Zehnten Senat frei, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Fünften Senats zu urteilen. Welche Auswirkungen die Verweigerung einer unbilligen Weisung auf die Wirksamkeit einer wegen Nichtbefolgung ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung hat, ist indes noch nicht geklärt. Damit wird sich der Zweite Senat im anhängigen Kündigungsrechtsstreit befassen müssen, weshalb das letzte Wort zu dieser Thematik noch nicht gesprochen ist.

Zitiervorschlag

Günther Heckelmann, Unverbindlichkeit unbilliger Arbeitgeberweisungen: Senat gibt Rechtsprechung auf . In: Legal Tribune Online, 20.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24613/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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