Beinahe-Durchsuchung bei Augsburger Allgemeiner: Auch Redaktionen sind nicht unantastbar

von Martin W. Huff

01.02.2013

2/2: "Der Nutzer ist für seine Beiträge allein verantwortlich"

Wenn sich nun auf den Servern der Presse-Druck- und Verlags-GmbH, welche die Augsburger Allgemeine Zeitung rechtlich verantwortet, Daten finden, die zur Ermittlung des Straftäters führen können, dann können auch diese Daten beschlagnahmt werden. Wenn dazu eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Redaktion erforderlich wird, steht bloß die Tatsache, dass es sich um eine Redaktion handelt, der Durchsuchung nicht entgegen.

Denn es geht hier nicht um einen Eingriff in redaktionelle Daten oder Informationen, sondern um die Ermittlung eines möglichen Straftäters, der ja gerade keinen redaktionellen Inhalt gestaltet hat. Der von einem Nutzer generierte Inhalt soll der Redaktion gerade nicht zugerechnet werden. In Ziffer 7.1. der Nutzungsbedingungen der Augsburger Allgemeinen heißt es dazu wörtlich: "Der Nutzer ist für die von ihm eingestellten Beiträge allein verantwortlich. Die Betreiberin vermittelt lediglich den Zugang zu diesen Beiträgen."

Diese Regelungen entsprechen auch dem Telemediengesetz (TMG), das diese Verantwortung klar regelt und den Verlag auch dazu verpflichtet, Kommentare mit strafbarem Inhalt  zu löschen. Wäre das nicht geschehen, hätte der Verlag sich unter Umständen selber strafbar gemacht, sich aber auf jeden Fall Unterlassungsansprüchen ausgesetzt.

Inhalte Dritter sind eben keine redaktionellen – sie begründen weder Haftung noch Schutz

Auch auf den Schutz des Redaktionsgeheimnisses kann die Augsburger Allgemeine sich nicht berufen. Dieses hat einen völlig anderen Inhalt, nämlich den des Quellenschutzes. Damit greifen auch die Regelungen zum  Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten und die  im Juni 2012 zum Schutz der Pressefreiheit in § 97 StPO eingefügten Änderungen nicht. Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses umfasst nämlich gerade nicht völlig unbearbeitete Texte von Dritten, denen das Unternehmen lediglich den Zugang zu seiner Internetseite zur Verfügung stellt. Und selbstverständlich führt auch die Anonymität der Äußerung nicht dazu, dass aus ihrem Inhalt ein Redaktionsgeheimnis würde.

Dies bedeutet für den Augsburger Fall: Wenn zur Ermittlung eines Straftäters, der auf nicht redaktionellen Seiten wie in einem Forum eventuell strafbare Inhalte veröffentlicht, die Aufdeckung der Anonymität erforderlich ist, so darf dies auch durch die Beschlagnahme von Daten auf dem Server eines Verlags geschehen. Ob sich durch die gefundenen Daten wirklich der Täter ermitteln lässt, ist dabei oft fraglich, aber die Staatsanwaltschaft muss dies in einem Rechtsstaat zumindest versuchen.

Straftaten im Internet müssen – gerade bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten –verfolgt werden können. Die Medien erweisen sich selber keinen Gefallen, wenn sie solche Beleidigungen fördern und die Daten nicht herausgeben. Denn mit dem Wechsel ins digitale Zeitalter sind Redaktionen nicht mehr nur Redaktionen – sie sind mit den Webseiten, zu denen sie Dritten den Zugang zwecks Veröffentlichung von Inhalten ohne redaktionelle Prüfung nicht nur ermöglichen, sondern diesen auch forcieren, auch ganz schlicht Anbieter im Sinne des Telemediengesetzes. Aber nur, wer redaktionell arbeitet, kann sich auf die Redaktionsfreiheit berufen.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist zudem Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln und für anwaltliches Berufsrecht an der German Gradute School of Management and Law in Heilbronn.

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Beinahe-Durchsuchung bei Augsburger Allgemeiner: Auch Redaktionen sind nicht unantastbar . In: Legal Tribune Online, 01.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8075/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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