Aufrüstung für libysche Rebellen: Legale Waffenlieferungen sind nicht unmöglich

Dr. Robert Frau

01.04.2011

Waffen aus westlichen Staaten sollen den Widerstand in Libyen unterstützen. Die USA preschen mit diesem Vorschlag voran und ernten den Widerspruch ihrer Verbündeten, die auf das beschlossene Embargo verweisen. Dabei ist das Waffenembargo nicht so wasserdicht, wie die Kritiker behaupten, meint Robert Frau.

Der Sturz Gaddafis geht einigen Staaten offenbar nicht schnell genug. Innerhalb der NATO wird daher der Ruf laut, Waffen und anderes Kriegsgerät an die Aufständischen in Libyen zu liefern, damit diese massiven und effektiven Widerstand gegen das Regime in Tripolis leisten können.

Die Außenministerin der USA stellt sich nun, um diese Forderung zu begründen, auf den Standpunkte, dass der Sicherheitsrat das Waffenembargo mit der Resolution 1970 (2011) erlassen und knappe drei Wochen später mit der Resolution 1973 (2011) wieder abgeschafft habe.

Ernst gemeint kann das kaum sein. Ausgerechnet die US-amerikanische Botschafterin hatte im Sicherheitsrat nicht nur betont, wie wichtig die Resolution 1973 zur Stärkung des – Zitat – "kompletten" Waffenembargos sei, sie hat auch darauf hingewiesen, dass ein Verstoß sanktioniert werden könne.

Tatsächlich sieht die Resolution 1973 (2011) weitere Regelungen zur effektiven Durchsetzung des Embargos, wie Kontrollen auf Hoher See, vor. Und damit, insofern stimmt die zunächst im Sicherheitsrat vertretene US-amerikanische Position, wurde das Waffenembargo sogar noch gestärkt.

Zudem wurden die Kämpfe in Libyen gerade erst heftiger, als die Resolution 1973 (2011) beschlossen wurde. Der Sicherheitsrat kann also mit der Resolution das Embargo nicht ernsthaft aufgehoben oder dies auch nur gewollt haben. Warum sollte er seine Maßnahmen in dem Moment zurückfahren, wenn sie dringender benötigt werden denn je?

US-Position basiert auf fehlerhafter Auslegung

Die USA berufen sich auf Absatz 4 der Resolution 1973. Die Klausel ermächtigt die Staaten, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Zivilbevölkerung vor Angriffen zu schützen. Damit, so die Argumentation, sei eine Ausnahme von dem Embargo geschaffen worden.

Diese Auslegung der Sicherheitsratsresolution durch die USA ist nicht haltbar.

Schon der Wortlaut der Resolution macht deutlich: Das Waffenembargo gilt umfassend und ausnahmslos. Weder sind Ausnahmen für Lieferungen an eine Konfliktpartei noch für Teile des libyschen Staatsgebietes vorgesehen. Vielmehr enthält die Resolution eine sehr umfangreiche Beschreibung aller verbotenen Im- und Exporte.

Auch Sinn und Zweck des Embargos lassen keine Ausnahme zu. Waffenlieferungen torpedieren das Ziel, Zivilisten zu schützen. Der Sicherheitsrat selbst verlangt in Resolution 1973 (2011) eine "sofortige Waffenruhe und ein vollständiges Ende der Gewalt".

Die US-amerikanische Auffassung setzt nun, die massive Bewaffnungs Libyens vorausgesetzt,  eine massive Bewaffnung der Rebellen mit einer Waffengleichheit gleich, die wiederum dann den Schutz von Zivilisten bedeute. Die Resolutionen des Sicherheitsrates sind aber klar nach dem Prinzip gestrickt, dass dann keine Gewalt vorliegt, wenn keine Waffen im Spiel sind. Der Bruch des Waffenembargos – gleichgültig, zu wessen Vorteil – widerspricht dieser Zielsetzung völlig.

Die geöffnete Hintertür für legale Waffenlieferungen...

Die widersprüchlichen Äußerungen US-amerikanischer Vertreter offenbaren, dass die Forderungen nach Waffenlieferungen politisch motiviert sind. Dabei gäbe es eine Rechtsgrundlage für Waffenlieferungen trotz des Embargos. Auf diese beruft sich bislang allerdings so weit ersichtlich niemand.

Absatz 9 der Resolution 1970 (2011) lässt drei Ausnahmen von der Ausfuhrsperre zu. Zwei davon betreffen nicht-tödliches Gerät und Schutzkleidung. Die dritte Ausnahme ist heikel, bei entsprechender Auslegung könnte sie eine Umgehung des Embargos möglich machen.

Das Waffenembargo gilt danach ausdrücklich nicht für "andere Verkäufe oder Lieferungen von Rüstungsgütern", soweit der Sanktionsausschuss dazu im Voraus seine Ermächtigung erteilt hat.

...und Schwierigkeiten beim Durchschreiten

Über Ausnahmen von dem Embargo entscheidet der Sicherheitsrat selbst (alle Mitglieder des Sicherheitsrates sind auch Mitglieder des Sanktionsausschusses). Innerhalb des Ausschusses wird im Konsens abgestimmt, das heißt ein einzelnes Mitglied kann eine Ausnahme blockieren. Damit wird die praktische Relevanz der Ausnahmevorschrift schon aus formalen Gründen gemindert.

Der rechtliche Knackpunkt aber ist die Frage, was "andere Verkäufe oder Lieferungen" sind. Richtig dürfte sein: Das Waffenembargo reicht weit und erfasst alle Konstellationen: Der Sicherheitsrat zählt alle möglichen Lieferungen auf und legt Wert darauf, eine möglichst vollständige  Aufzählung zu erreichen. Er erstreckt das Embargo nicht nur auf jede direkte oder indirekte Lieferung, sondern auf alle Formen des Verkaufs oder der Weitergabe. Gestoppt werden können schon Transporte, bei denen der Verdacht auf einen Bruch des Embargos besteht. "

Andere" Lieferungen als die verbotenen sind dann nicht mehr denkbar. Somit ergibt die Ausnahme in Abs. 9 nur dann einen Sinn, wenn der Sicherheitsrat von den vorherigen Maßnahmen Ausnahmen zulassen kann. Anderenfalls wäre die Regelung überflüssig.

Höchstens reine Defensivwaffen zulässig

Selbst wenn sich der Sicherheitsrat zu Ausnahmen entschließt, dürfte nur solches Gerät ausgenommen werden, das die Zivilbevölkerung schützt, also höchstens reine Defensivwaffen.  Dies ergibt sich aus dem ersten Absatz der Resolution, wonach ein sofortiger Waffenstillstand das oberste und dringlichste Ziel der Maßnahmen ist. Daran muss sich auch die Ausnahme messen lassen: Waffenlieferungen können dazu nur beitragen, wenn sie die Gewalt stoppen. Und das kann wiederum nur für Defensivwaffen gelten.

Verstärkt wird diese Auslegung durch den Absatz 4 der Resolution 1973 (2011). Militärische Zwangsmaßnahmen dürfen nur zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen werden. Die Maßnahmen in beide Resolutionen zeigen deutlich, dass es dem Sicherheitsrat um den Schutz der Zivilbevölkerung und den Stopp der Gewalt geht. Es widerspräche also dem Zweck beider Resolutionen, wenn die Ausnahme weit ausgelegt würde.

Gaddafis Sturz ist damit nicht zu erreichen - vielleicht ist das der Grund, warum die USA diese Ausnahme nicht in Anspruch nehmen.

Wirklich wasserdicht ist das Waffenembargo also nicht. Der Sicherheitsrat hat ein kleines Hintertürchen offen gelassen, durch das Waffen nach Libyen gelangen können. Zu hoffen ist, dass die Mitglieder nicht durch diese Tür gehen.

Dr. Robert Frau ist Habilitand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Verfassungsrecht der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

 

Mehr dazu auf LTO.de:https://www.lto.de/de/html/nachrichten/2857/krieg_in_libyen_viele_moegliche_angeklagte_fuer_den_haag/

Krieg in Libyen: Viele mögliche Angeklagte für Den Haag

Uno-Resolution zu Libyen: Sicherheitsrat autorisiert den Einsatz von Waffengewalt

Revolution in Libyen: Staatliche Souveränität vs. Menschenrechte

Zitiervorschlag

Robert Frau, Aufrüstung für libysche Rebellen: Legale Waffenlieferungen sind nicht unmöglich . In: Legal Tribune Online, 01.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2932/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen