Entwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes: Zucker­brot und Peit­sche

von Wolfram Steckbeck

11.12.2014

Das Kabinett hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der integrierten Ausländern ein Bleiberecht verschaffen soll. "Nicht Integrierte" hingegen sollen schneller abgeschoben werden. Die Kettenduldungen abzuschaffen, ist auch dringend notwendig, meint Wolfram Steckbeck. Gleichzeitig fürchtet er, dass den Behörden zu viel Raum bei der Interpretation der geplanten Normen gelassen wird.

Als einen "weiteren wichtigen Beitrag für Klarheit und Gerechtigkeit in der deutschen Flüchtlingspolitik" bezeichnet die Pressemitteilung des Innenministeriums den Gesetzesentwurf zum Bleiberecht und zur Aufenthaltsbeendigung. Die Bundesregierung verkauft das am 3. Dezember beschlossene Paket also als eine Verbesserung der Aufenthaltsrechte für Menschen, die schon lange ohne vernünftigen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben.

Sinnvoll wäre das allemal, denn das derzeit oftmals angewandte Instrument der "Duldung" ist nach der Rechtsdefinition und nach der ursprünglichen Konzeption kein Aufenthaltsrecht, sondern ein tatsächlicher Zustand – nämlich die "vorübergehende Aussetzung der Abschiebung". In viel zu vielen Fällen geht diese Aussetzung der Abschiebung jedoch nicht "vorüber", sondern dauert endlos an. Das einzige Ausweispapier, das Geduldete in dieser Zeit haben, ist die Duldungsbescheinigung. Die ist eigentlich zwingend auszustellen – in der Praxis unterbleibt das jedoch häufig.

Dank einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2003 müssen Betroffene wenigstens nicht mehr monate- oder gar jahrelang ganz ohne Papiere oder nur mit Grenzübertrittsbescheinigungen herumlaufen (v. 06.03.2003, Az. 2 BvR 397/02). Das höchste deutsche Gericht hatte damals festgestellt, dass keine Konstellation vorstellbar sei, in der Ausländer nicht einen gesetzlich zwingenden Anspruch auf Erteilung einer Duldung hätten.

Kettenduldungen sollen ein Ende haben

Bereits seit Jahren hat der Gesetzgeber versprochen, auch mit den Kettenduldungen Schluss zu machen. Die 2007 mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eingeführte Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 und 3 sollte das eigentlich erreichen, hat sich aber als untaugliches Mittel erwiesen. Danach soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, es sei denn, der Betroffene hat die Ausreiseverhinderung verschuldet. Doch die Behörden gehen eigentlich immer davon aus, dass der Ausländer die Ausreise selbst vereitelt habe und sie daher nicht unmöglich sei.

Immer wieder zeigte sich in der Vergangenheit, dass Handwerker und Industrie an der Arbeitskraft ausländischer geduldeter Arbeitnehmer interessiert waren und die Mitarbeiter nicht verlieren wollten. Dies führte zur Vorschrift des § 18 a AufenthG, die bisher eine der wenigen Möglichkeiten für qualifizierte Geduldete ist, ihren Aufenthalt zu legalisieren – neben der Vorschrift des § 25 a AufenthG für gut integrierte Jugendliche.

"Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration"  lautet nun der Titel des neuen § 25 b AufenthG. In seinen Genuss kommen sollten diejenigen, deren Aufenthalt in Deutschland bereits eine gewisse Dauer überschreitet: Acht Jahre für Alleinstehende, sechs für Personen mit Kindern. Außerdem müssen die Betroffenen in der Lage sein, sich selbst zu ernähren, Deutsch sprechen (dass sie es auch am Küchentisch sprechen, wird trotz des jüngsten Vorstoßes der CSU nicht verlangt), und ihre Kinder müssen in die Schule oder in den Kindergarten gehen. Sogar Ausländer, die pflegebedürftige nahe Angehörige versorgen und dafür vorübergehend Sozialleistungen benötigen, sollen unter die Vorschrift fallen. Im Gegensatz zu früheren Regelungen ist ein Stichtag nicht vorgesehen.

Ausweisung und Haft werden verschärft

Doch gleichzeitig soll, wie Bundesinnenminister de Maizière stolz formuliert hat, auch eine abweisende Botschaft als "Teil der Gesamtstrategie" im Gesetz stecken: Danach sollen etwa solche Ausländer nicht von der Regelung profitieren, die  wegen geringfügiger Straftaten zu einer Strafe von mehr als 50 Tagessätzen verurteilt worden sind, die nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder die keine Deutschkenntnisse des Niveaus A2 nachweisen können. Diese Personen sollen die ganze Härte des Ausweisungsrechts spüren.

Auch die Haftmöglichkeiten für ausreisepflichtige Ausländer werden erweitert. In die Begriffsbestimmungen des § 2 AufenthG soll eine Legaldefinition eingefügt werden, die bestimmt, wann konkrete Anhaltspunkte für den begründeten Verdacht vorliegen, der Ausländer wolle sich seiner Abschiebung entziehen. Ein solcher Fall sei gegeben, wenn der Ausländer zur Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt habe. Wobei die Logik sich nicht recht erschließt, denn dieses Geld ist ja weg. Auch die Identitätstäuschung, welche die Ausländerbehörden schnell anführen, zählt zu diesen Anhaltspunkten – obwohl die Schuld hier oftmals nicht beim Abzuschiebenden, sondern bei den Dolmetschern liegt, die Namen oder Daten aus ausländischen Kalendern unzutreffend übertragen haben.

Der neue Entwurf wird wohl Gesetz werden, weil die Koalition die Mehrheit hat. Doch ob die neuen Regelungen auch tatsächlich aus den Kettenduldungen herausführen, muss sich erst noch zeigen.

Der Autor Wolfram Steckbeck ist Rechtsanwalt in Nürnberg und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen AnwaltVerein.

Zitiervorschlag

Wolfram Steckbeck, Entwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes: Zuckerbrot und Peitsche . In: Legal Tribune Online, 11.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14089/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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