Reform des Welt-Anti-Doping-Codes: Ein Schritt vor, zwei zurück

von Dr. Paul Lambertz

16.11.2013

Eine Dopingsperre von regelmäßig vier statt zwei Jahren, ein absolutes Trainingsverbot und eine Unterwerfung der Sportler-Eltern unter den Anti-Doping-Code – das sind einige der Neuerungen, die die WADA im Kampf gegen das Doping beschlossen hat. Paul Lambertz hält diese für unvereinbar mit dem deutschen Recht und bedauert, dass etwa das Doping Minderjähriger nicht angegangen worden ist.

Weltweit einheitliche und sportartübergreifende Standards für den Kampf gegen das Doping schaffen – das ist das Ziel, mit dem die World Anti-Doping Agency (WADA) 1999 in Lausanne als Stiftung schweizerischen Rechts gegründet wurde.

Herauskam 2003 erstmals der WADA-Code, der bereits einmal überarbeitet worden ist und nun vor einer neuen Reform steht, die 2015 in Kraft treten soll. So haben es die Mitglieder der Organisation in den vergangenen Tagen bei ihrer Konferenz in Johannesburg beschlossen. Herausgekommen sind weitreichende Änderungen, die in Deutschland nicht ohne weiteres angewandt werden können.

Athleten müssen sich WADA-Code unterwerfen

Da der WADA-Code kein staatliches Recht, sondern ein Regelwerk einer privaten Stiftung ist, gilt er gegenüber einem Sportler nur, wenn sich der Athlet den Regeln etwa in einem Vertrag mit seinem nationalen Spitzenverband unterworfen hat.

Im Grunde bekennen sich aber fast alle olympischen, internationalen sowie nationalen Spitzenverbände zum WADA-Code, der zu einem Großteil unabänderbar ist, so dass sie die Regelungen im Verhältnis zu ihren Sportlern Eins-zu-eins übernehmen müssen.

Die Athleten kommen also nicht darum herum, das Regelwerk zu akzeptieren. Wegen dieses faktischen Zwangs muss der Code verfassungskonform ausgestaltet sein. An der Verfassungskonformität bestehen jedoch Zweifel.

Vierjahres-Sperre und Trainingsverbot

So ist beispielsweise die Länge der Doping-Sperre nicht mit dem deutschen Recht in Einklang zu bringen. Bisher wurden Sportler bei einem ersten Doping-Verstoß in der Regel für zwei Jahre gesperrt, nun soll diese Frist auf vier Jahre verlängert werden.

Bereits im Verfahren um eine Sperre der Leichtathletin Katrin Krabbe im Jahr 1996 entschied das Oberlandesgericht (OLG) München, dass eine Sperre von vier Jahren in aller Regel das Ende der sportlichen Laufbahn bedeutet und bei einem Ersttäter unangemessen und unverhältnismäßig ist (Urt. v. 28.03.1996, Az. U (K) 3424/95).

Beim neuen WADA-Code kommt erschwerend ein absolutes Trainingsverbot während der Sperre hinzu. Nach vier Jahren ohne Training und Teilnahme an Wettkämpfen, wird es Athleten aber kaum gelingen, wieder in den Spitzensport einzusteigen. Die Dopingsperre gleicht damit einem Berufsverbot.

Die Verlängerung der Regelsperre auf vier Jahre ist deshalb eine übermäßige Strafe, die rechtswidrig ist. Deutsche Gerichte müssen die Sperren als gegenstandslos behandeln, weil es ihnen wegen der Autonomie der Sportverbände verwehrt ist, Strafen auf ein zulässiges Maß zu reduzieren. Mit der Verlängerung der Sperren auf vier Jahre, wäre dem Kampf gegen das Doping in Deutschland somit ein Bärendienst erwiesen.

Verschuldensunabhängige Haftung der Sportler unangebracht

Wie bereits in der vorherigen Version des Codes soll es nach dem Willen der WADA außerdem unerheblich bleiben, ob ein Athlet den Dopingverstoß zu vertreten hat oder nicht. Für eine Sperre reicht es daher aus, dass in der Probe des Athleten verbotene Substanzen nachgewiesen wurden. Lediglich auf der Rechtsfolgenseite, also bei der Bestimmung der Länge der Sperre soll das Verschulden des Athleten berücksichtigt werden.

Wegen der massiven Auswirkungen einer Dopingsperre auf den Athleten ist diese verschuldensunabhängige Haftung nicht angebracht. Ob der Athlet die positive Probe oder den Verstoß zu vertreten hat, sollte daher unbedingt berücksichtigt werden. Allein schon, um die Akzeptanz der Dopingverfolgung zu erhöhen.

Um die Schlagkraft der Verbände gegen das Doping zu erhalten und gleichzeitig die Athletenrechte zu stärken, bietet es sich vielmehr an, einen positiven Dopingtest als Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Dopingverstoß anzusehen. Der Athlet müsste dann diesen Anscheinsbeweis widerlegen.

Anti-Dopingregeln sollen auch für Eltern gelten

Die Reform unterwirft dem WADA-Code auch das Umfeld der Athleten, also etwa den Trainer, Ärzte oder die Eltern, soweit sie mit dem Sportler zusammenarbeiten. Dieser Ansatz ist grundsätzlich richtig. Schließlich ist in aller Regel auch das Athletenumfeld an dem Doping beteiligt. Allerdings ist der Adressatenkreis etwas uferlos und unbestimmt geraten. Zumal auf keiner der Personen irgendein Druck lastet, sich den Dopingregeln zu unterwerfen. Anders als die Athleten, sind diese nämlich nicht auf die Zusammenarbeit mit den Sportverbänden angewiesen.

Es dürfte nach deutschem Recht im Übrigen nicht zulässig sein, etwa die Lizenz für den Athleten davon abhängig zu machen, dass seine Eltern die WADA-Vereinbarung unterschreiben. Und was soll mit den Eltern passieren? Soll ihnen der Kontakt zu ihrem Kind während einer Doping-Sperre verboten werden? Das wäre ein zu starker Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung des Athleten.

Vertane Chance

Viel drängendere Fragen des Dopingrechts beantwortet der neue WADA-Code erst gar nicht. So hätte das Doping Minderjähriger eigenständig geregelt werden sollen, da immer mehr Jugendliche Wettkampfsport auf internationalem Niveau betreiben. Die Gleichbehandlung einer 14-jährigen Turnerin mit einem vierzigjährigen Radfahrer ist aber alles andere als sachgerecht. Eine Regelung wäre daher nicht nur wünschenswert, sondern unerlässlich gewesen.
Auch die Feinjustierung der Dopingstrafen wurde versäumt. So wäre es angebracht gewesen, eine Aussetzung auf Bewährung zu ermöglichen, um der Vielfältigkeit der Dopingverstöße gerecht werden zu können.

Nicht jedes Update verbessert zwangsläufig das bestehende System. Getrieben von dem Gedanken, den Kampf gegen das Doping zu verschärfen, schießt die WADA – zumindest aus deutscher Sicht – über ihr Ziel hinaus und stellt die nationalen Sportverbände vor große Herausforderungen. Diese sind gezwungen, unwirksame Regelungen mit ihren Athleten zu vereinbaren. Erste Abgrenzungsversuche sind bei der Nationalen Anti Doping Agentur bereits zu erkennen, die sich gegen die Verlängerung der Dopingsperre ausspricht. Konsequenz der neuen Regelung wird eine Klagewelle der Athleten sein. So wird man den Kampf gegen das Doping nicht gewinnen.

Der Autor Dr. Paul Lambertz ist Rechtsanwalt in der Düsseldorfer Sozietät Marccus Partners. Neben seiner Tätigkeit im Wirtschaftsrecht hat er sich auf den Bereich des Sportrechts spezialisiert. Der Autor promovierte über Frage der Nominierung im Sport.

Zitiervorschlag

Paul Lambertz, Reform des Welt-Anti-Doping-Codes: Ein Schritt vor, zwei zurück . In: Legal Tribune Online, 16.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10048/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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