Alleinige Zuständigkeit des BVerwG: Kurzer Pro­zess beim Auto­bahnbau

von Dr. Burghard Hildebrandt und Dr. Simon Frye, LL.M.

06.03.2017

2/2: Rechtswegbeschränkung ist zulässig – aber nicht als Regelfall

Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob die Verkürzung des Rechtswegs auch verfassungsrechtlich zulässig ist. Der verfassungsrechtliche Rahmen ergibt sich insoweit neben Art. 19 Abs. 4 GG aus den Art. 92 GG und Art 95 GG.

Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG steht jedermann, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies soll aber lediglich den Zugang zu Gericht gewährleisten. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG begründet – genauso wie das allgemeine Rechtsstaatsprinzip – keinen Anspruch auf einen Instanzenzug (Bundesverfassungsgericht, (BVerfG), Beschl. v. 07.07.1992, Az. 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90). Dementsprechend hindert er den Gesetzgeber nicht, eine alleinige Zuständigkeit des BVerwG für bestimmte Vorhaben zu bestimmen.

Nach Art. 92 GG ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut und wird durch das BVerfG, durch die im GG vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Art. 95 Abs. 1 GG sieht vor, dass der Bund den Bundesgerichtshof, das BVerwG, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht als oberste Gerichtshöfe einrichtet.

Die Zuweisung der konkreten Zuständigkeiten dieser Bundesgerichte sowie der Gerichte der Länder bleibt grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen. Insbesondere kann man aus der Bezeichnung "oberste Gerichtshöfe" nicht ableiten, dass die Bundesgerichte nur Rechtsmittelgerichte sein können. Allerdings muss der Bundesgesetzgeber bei der Zuweisung der Zuständigkeiten die im GG getroffenen Grundentscheidungen beachten.

Daraus ergibt sich, dass "oberste Gerichtshöfen" grundsätzlich die Funktion von Rechtsmittelgerichten in letzter Instanz erfüllen. Ausnahmsweise kann ihnen der Bundesgesetzgeber aber – soweit sachlich einleuchtende Gründe vorliegen – auch eine erstinstanzliche Zuständigkeit zuweisen. Aus dem föderalen Aufbau des Gerichtswesens ergibt sich, dass es sich in diesen Ausnahmefällen um Rechtsstreitigkeiten handelt, bei denen das Interesse an einer schnellen Klärung aus gesamtstaatlichen oder bundesstaatlichen Interessen resultiert. Da die Beurteilung, ob solche Interessen vorliegen, in der Regel (verkehrs-) politische Wertungen erfordert, billigt die Rechtsprechung dem Gesetzgeber hierbei einen weiten Einschätzungsspielraum zu.

Neue Impulse durch erstinstanzliche Tätigkeit

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber nicht nach Belieben Autobahn-Bauprojekte vom regulären Instanzenzug ausklammern darf. Vielmehr muss die Aufnahme von Vorhaben in die Anlage des FStrG die Ausnahme sein und nur solchen Projekten vorbehalten bleiben, bei denen sich ein sachlicher Grund findet. Wegen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers kann ein Gericht – im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG – die Aufnahme eines Vorhabens aber nur dann beanstanden, wenn sie offensichtlich fehlerhaft oder unsachlich ist (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt: BVerwG, Urt. v. 09.07.2008, Az. 9 A 14/07).

Daher dürften der Aufnahme neuer Vorhaben in das FStrG – auch, wenn sie umstritten ist – letztlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Für das BVerwG mag sie auch neue Impulse bedeuten: Als das Gericht in den 90er Jahren erstmalig auch als Tatsacheninstanz tätig wurde, hat dies seine Rechtsprechung mittelbar beeinflusst. Die Vornahme von Sachverhaltsermittlungen und Beweiswürdigungen führte dazu, dass das BVerwG einige Rechtsansichten, die es als reine Revisionsinstanz entwickelt hatte – z.B. im Bereich des Lärmschutzes – wenn nicht aufgab, so doch modifizierte. In einem gewissen Sinn bedeutet die erstinstanzliche Zuständigkeit somit auch einen Schritt "weg von der Theorie und hin zur Praxis".

Dr. Burghard Hildebrandt ist Partner der Kanzlei Gleiss Lutz und berät seit vielen Jahren im öffentlichen Recht. Einen Schwerpunkt seiner Beratungstätigkeit bildet dabei der Bereich der Projektentwicklung. Zu seinen Mandanten zählen namhafte deutsche und internationale Unternehmen, aber auch die öffentliche Hand. Dr. Simon Frye ist für ihn als Associate tätig.

Zitiervorschlag

Dr. Burghard Hildebrandt und Dr. Simon Frye, LL.M., Alleinige Zuständigkeit des BVerwG: Kurzer Prozess beim Autobahnbau . In: Legal Tribune Online, 06.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22277/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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