Abgeordnetenbestechung: Kampf gegen Korruption in eigener Sache bleibt aus

von Dr. Sebastian Wolf

16.10.2012

Kürzlich beklagten selbst führende Manager die seit Jahren ausbleibende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Selten zogen große Firmen und NGOs so an einem Strang, meint Sebastian Wolf, einer der Sachverständigen, die am Mittwoch vor dem Rechtsausschuss des Bundestags in einer Anhörung zum Kampf gegen die Abgeordnetenbestechung auftreten werden.

Bereits Ende 2005 trat die Konvention der Vereinten Nationen (UN) gegen Korruption in Kraft. Mittlerweile haben 160 Staaten und die Europäische Union (EU) das Abkommen ratifiziert. Auch Deutschland unterzeichnete das Übereinkommen vor neun Jahren, eine Ratifizierung ist aber weiterhin nicht in Sicht. Dabei erfüllt die Bundesrepublik bereits fast alle verbindlichen Vorgaben der sehr umfangreichen Konvention. Die nötige Verschärfung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung verschleppt der Bundestag jedoch seit Jahren.

Der geltende § 108e Strafgesetzbuch (StGB) stellt lediglich den Kauf und Verkauf von Abgeordnetenstimmen bei Abstimmungen im Plenum und in den Ausschüssen unter Strafe. Andere Handlungen der Mandatsträger werden nicht erfasst, insbesondere sind nachträgliche Zahlungen für Stimmenkäufe erlaubt. Die bestehende Regelung ist vielfach, unter anderem vom Bundesgerichtshof (Urt. v. 09.05.2006, Az. 5 StR 453/05), als unzureichend gerügt worden. Manche Kritiker sprechen von symbolischem Strafrecht. Tatsächlich ist es bisher nur zu einer Handvoll Verurteilungen gekommen, stets auf kommunaler Ebene.

Art. 15 der UN-Konvention gegen Korruption fordert, Bestechung und Bestechlichkeit von inländischen Amtsträgern umfassend unter Strafe zu stellen. Das Abkommen unterscheidet dabei, anders als das deutsche Strafrecht, nicht zwischen Beamten und Abgeordneten. Für Amtsträger nach deutschem Strafrecht, also Beamte und gleichgestellte Bedienstete, gelten die strengen Antikorruptionsregelungen der §§ 331 bis 335 StGB. Diese Normen erfüllen im Unterschied zu § 108e StGB die Vorgaben des UN-Übereinkommens.

Union und FDP blockierten bislang eine Neuregelung

Da es sich primär um eine Frage handelt, die die Parlamentarier selbst betrifft, will der Bundestag den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung auch selbst, ohne einen Vorschlag der Bundesregierung regeln. Die dafür notwendige mehrheitsfähige Initiative aus der Mitte des Parlaments ist in der Vergangenheit vor allem an Politikern von CDU/CSU und FDP gescheitert. Sie befürchten seit Jahren, eine Verschärfung von § 108e StGB könne Abgeordnete bei der freien Wahrnehmung ihres Mandats behindern.

Kritiker einer Neuregelung argumentieren, sozialadäquates Verhalten von Mandatsträgern dürfe nicht unter Strafe gestellt werden, etwa gemeinsame Essen mit Interessenvertretern. Auch könne ein zu weitreichender Straftatbestand im politischen Wettbewerb missbraucht werden. Die Gleichstellung von Abgeordneten und Beamten in der UN-Konvention sei falsch, da erstere keine Dienstpflichten befolgen müssten.

Dutzende anderer Staaten zeigen allerdings, dass die skizzierten rechtspolitischen Bedenken gesetzgeberisch gelöst werden können. Zudem stellte der Bundestag die Bestechung ausländischer Abgeordneter und Mitglieder internationaler parlamentarischer Gremien bereits vor Jahren recht umfassend in § 2 des Internationalen Bestechungsgesetzes unter Strafe.

Am Widerstand von Union und FDP scheiterten in der letzten Legislaturperiode entsprechende Gesetzentwürfe von Bündnis90/Die Grünen und der Linkspartei. Deren Bundestagsfraktionen haben auch in dieser Legislaturperiode wieder Initiativen eingebracht, hinzu kommt ein Vorschlag der SPD. Die Vorlagen unterscheiden sich im Detail, sehen aber jeweils eine konventionskonforme Ausweitung der Strafbarkeit auf nahezu alle Handlungen in Wahrnehmung des Mandats vor. Die Erfolgsaussichten der drei oppositionellen Entwürfe dürften indes angesichts der momentanen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag gering sein.

Einmütige Kritik vom Europarat, NGOs und der deutschen Wirtschaft

Der Europarat mahnt seit einiger Zeit entsprechende Gesetzesänderungen an. Deutschland hat das Straf- und das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates vor 13 Jahren unterzeichnet und noch immer nicht ratifiziert. Der Europarat plädiert zudem für Verbesserungen beim deutschen System der Parteienfinanzierung. Auch den EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor hat die Bundesrepublik bislang nicht vollständig umgesetzt.

Nichtregierungsorganisationen wie Transparency International Deutschland oder Lobby Control sowie verschiedene Medien kritisieren seit Jahren die ausbleibende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption und die verschleppte Reform des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung.

In ihrem Aufruf an den Bundestag haben die 36 Konzernchefs darauf hingewiesen, dass die Nichtratifizierung des UN-Übereinkommens der deutschen Wirtschaft schade. Vielleicht bringt dies die Parlamentarier endlich dazu, die Korruptionsprävention in eigener Sache zu intensivieren.

Der Autor Dr. Sebastian Wolf ist Privatdozent an der Universität Konstanz und Forschungsbeauftragter am Liechtenstein-Institut in Bendern (Liechtenstein). Korruptionsbekämpfung ist einer seiner Forschungsschwerpunkte. Von 2007 bis 2010 war er Mitglied des Vorstands von Transparency International Deutschland. Er ist einer der Sachverständigen, die am Mittwoch vor dem Rechtsausschuss des Bundestags auftreten werden.

Zitiervorschlag

Dr. Sebastian Wolf, Abgeordnetenbestechung: Kampf gegen Korruption in eigener Sache bleibt aus . In: Legal Tribune Online, 16.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7320/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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