Zum Geburtstag von Miguel de Cervantes: Der Dichter von der traurigen Gestalt

Der spanische Dichter Miguel de Cervantes y Saavedra schuf mit "Der sinnreiche Junker Don Quijote von La Mancha" den erfolgreichsten Roman der Weltliteratur. Große Teile des Buches entstanden in einer Gefängniszelle in Madrid. Der Dichter wurde in dieser Woche vor 463 Jahren geboren.

Cervantes"An einem Orte der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will [...]."

Mit diesen Worten beginnt "Don Quijote", der Bestseller über den Ritter von der traurigen Gestalt und seinen treuen Knappen Sancho Panza. Das Buch erschien im goldenen Zeitalter der spanischen Kultur, das von den Malern El Greco und Velázquez ebenso geprägt war wie von den Dramatikern Calderón de la Barca  und Lope de Vega. Mit mehr als 2.000 Auflagen in 70 Sprachen gilt das Werk nach der Bibel als das meist verbreitete Buch der Welt. Es sollte nach dem Motiv seines Verfassers eine bissige Parodie auf die Ritterepen der damaligen Zeit darstellen.

Während Thomas Mann den "Don Quijote" als ein "Volks- und Menschheitsbuch" bezeichnete, sah Dostojewski darin "das traurigste Buch, das je geschrieben wurde, denn es ist die Geschichte einer verlorenen Illusion." Traurig und desillusionierend verlief auch das Leben seines Verfassers, der mehr als einmal mit der Justiz in Berührung kam.

Auf der Flucht und in Gefangenschaft

Miguel de Cervantes wuchs in Alcalá de Henares, einer Universitätsstadt in der Nähe von Madrid, auf. Sein Vater war ein erfolgloser Arzt, die Mutter entstammte einer verarmten Adelsfamilie. Der Lehrer und Humanist Juan López de Hoyos sorgte für Cervantes' Bildung und Erziehung. Ihm war es zu verdanken, dass sein Sprössling bereits in jungen Jahren mit lateinischen und kastilianischen Versen brillierte. Cervantes' erstes Buch mit Sonetten erschien 1569 in Madrid.

Ein handfester Streit in einem Wirtshaus vernichtete noch im selben Jahr den Lebensplan des jungen Dichters. Er kam vor Gericht und wurde wegen der massiven Verletzung seines Gegners zum Verlust der rechten Hand und einer zehnjährigen Verbannung verurteilt. Um der überzogenen Strafe zu entgehen, flüchtete der 21-jährige nach Italien.

Im Vatikan fand er eine Anstellung als Spanischlehrer und Kammerdiener bei dem noch jungen Kardinal Giulio Acquavita. Anschließend diente Cervantes als Musketier im spanischen Regiment von Neapel und kämpfte 1571 für die katholische Koalition in der Seeschlacht von Lepanto gegen die Türken. Bei der Schlacht wurde seine linke Hand verstümmelt.

Anfang September 1575 schiffte er sich mit seinem Bruder in Neapel auf der Galeere "Sol" für die Rückkehr nach Spanien ein. Die Familie hatte inzwischen seine Begnadigung erwirkt. Die "Sol" wurde jedoch von muslimischen Korsaren gekapert. Cervantes und sein Bruder wurden ihre Gefangenen. Das Ziel der Entführer war Algier. Mit der Festung und dem sicheren Hafen im Rücken, führten die Korsaren im Namen des Sultans von Konstantinopel einen erbitterten Kampf gegen die christlichen Mittelmeermächte. In den folgenden fünf Jahren war Cervantes einer von ca. 25.000 christlichen Sklaven in Algier. Schließlich wurden er und sein Bruder mit Hilfe des noch heute existierenden Ordens der Trinitarier freigekauft. Am 27. Oktober 1580 erfolgte die Rückkehr nach Spanien.

Gefängnisstrafen und Kerkerhaft

Cervantes feierte erste literarische Erfolge und verarbeitete seine Erfahrungen aus der Gefangenschaft. 1884 heiratete er die 18 Jahre jüngere Catalina de Salazar y Palacios, Tochter eines wohlhabenden Bauern. Diese Verbindung blieb kinderlos, doch hatte er aus einer Affäre mit der Schauspielerin Ana Franca de Rojas eine Tochter, Isabel de Saavedra. Ende der 80er-Jahre trennte er sich von seiner Frau.

Da die Schriftstellerei brotlos blieb, ergriff Cervantes ab 1587 den Beruf des königlichen Kommissars für den Aufkauf von Getreide und Öl für die Kriegsflotte. Er musste den Bauern für wenig Geld ihre mühsam erwirtschaftete Ernte abkaufen. Später wurde sein Aufgabenfeld erweitert, als er im Namen der Krone zum Steuerschuldeintreiber wurde.

Am 6. September 1897 wurde Cervantes wegen vermeintlich nicht abgerechneter Einnahmen verhaftet und in einem Madrider Gefängnis inhaftiert. Hier begann die Geburtsstunde seines bedeutendsten Werkes "Don Quijote"über einen Helden, der zur falschen Zeit mit falschen Mitteln für heroische Ideale kämpft. Der erste Teil erschien 1605, der zweite zehn Jahre später. Sein Schöpfer wurde mit königlichem Befehl vom 1. Dezember 1897 unter der Auflage in Freiheit gesetzt, die fehlende Steuersumme binnen 30 Tagen bei der Rechnungs-Kammer nachzuzahlen – was er auch tat.

Ein ähnlicher Vorgang – die vermeintliche Veruntreuung von Staatsgeldern und die vorübergehende Inhaftierung Cervantes' – wiederholte sich 1602 in Valladolid, wo der Dichter inzwischen lebte.

In Valladolid kam es zu einem weiteren Zwischenfall mit juristischen Folgen: Am späten Abend des 27. Juni 1605 wurde ein gewisser Gaspar de Ezpeleta auf dem Heimweg genau vor Cervantes' Haus von einem maskierten Angreifer überfallen und tödlich verwundet. Ezpeleta konnte noch um Hilfe rufen, sodass ein Nachbar herbeieilte, der wiederum Cervantes hinzuholte. Gemeinsam trugen die beiden den Sterbenden zum Haus einer stadtbekannten Dame, wo er zwei Tage darauf seinen Verletzungen erlag. Der Stadt- und Hofrichter von Valladolid glaubte, Cervantes (oder einer seiner Verwandten) sei für den Angriff verantwortlich und ließ den Schriftsteller und seine Familie (Schwester, Tochter) in den Kerker werfen. Erst acht Tage und zahlreiche Verhöre später kamen die Inhaftierten wieder gegen Bürgschaft frei.

Der "Don Quijote" brachte Miguel de Cervantes zwar den ersehnten literarischen Erfolg, doch verbrauchte er seine Honorare rasch wieder. Er starb am 23. April 1616 verarmt in Madrid.

Zitiervorschlag

Jürgen Seul, Zum Geburtstag von Miguel de Cervantes: Der Dichter von der traurigen Gestalt . In: Legal Tribune Online, 01.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1611/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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