Yoga: Von Männern, die den Löwen machen

Nina Anika Klotz

26.08.2010

In Berlin-Charlottenburg findet wöchentlich ein Yoga-Kurs ausschließlich für Männer statt. Ohne Frauen in der Gruppe können die nämlich ein bisschen weniger Gockel und ein bisschen mehr Kobra sein. Ausnahmsweise durfte Nina Anika Klotz mitmachen.

"Stell Dir vor, du sitzt an einem Fluss. Du beobachtest die Wellenbewegungen und siehst, wie deine Gedanken langsam an dir vorbei fließen." Stell Dir vor, du sitzt nicht in Charlottenburg in einem mit lila Yogamatten ausgelegten Raum im Erdgeschoss, es gehen draußen nicht jede Menge Menschen vorbei auf ihrem Weg von der Arbeit nach Hause, es spielen nicht ein paar Straßenmusikanten ganz in der Nähe laut den Ententanz und im Nebenzimmer brummt nicht leise ein Blackberry vor sich hin. "Du blendest die Eindrücke des Tages langsam aus. Du bist ganz bei dir und kommst an im Hier und Jetzt."

Und da sind sie: Die neun Schüler von Wilfried Liefer sind angekommen im Hier und Jetzt ihrer Yoga-Stunde. Ihrer Männer-Yoga-Stunde. Wilfrieds eineinhalbstündige Kurs am Mittwochabend ist allein den Herren der Schöpfung vorbehalten.

"Wenn Männer beim Yoga unter sich sind, entsteht eine ganz andere, entspanntere Atmosphäre", erklärt Liefer, der seit bald zwei Jahren den reinen Männerkurs in Berlin unterrichtet. In gemischten Kursen sind Männer eigentlich immer in der Unterzahl. Yoga ist nun mal – nicht nur in Deutschland und "noch" muss man wohl sagen – eine Frauendomäne. "Dadurch fühlen sich manche Männer, gerade die nicht ganz so athletischen, unter Druck. Sie schämen sich, wenn sie vor den zahlenmäßig überlegenen Frauen eine Übung nicht so gut hinbekommen. Und das kann leicht mal vorkommen, da die meisten Männer von Natur aus in bestimmten Körperregionen weniger gelenkig sind als Frauen."

Mehr Balance weniger Balz

Außerdem sei es auch ganz gut, wenn keine potentiell "beutefähigen" Frauen dabei sind, wie Wilfried es formuliert. "So müssen die Jungs sich nicht ständig produzieren." Mehr Balance und weniger Balz sind gefragt!

Christian, Richter am Sozialgericht und seit 20 Jahren von Yoga begeistert, stimmt seinem Lehrer zu. "Klar ist das angenehmer, wenn da keine Damen im Kurs sind, die mir vielleicht gefallen. Ich muss mir nicht überlegen: Sieht das nun gut aus, was ich hier mache, sehe ich vielleicht sogar besser aus, als der Typ da drüben?" Über all das hinaus lenkt die Yogis im Männerkurs keine anmutig verbogene Schönheit von ihrer Konzentration auf die innere Entspanntheit ab.

Angekommen, konzentriert und flirtfrei machen sich die neun Charlottenburger Yogis barfuß und in Sport- und Freizeitklamotte daran, die draußen bereits untergehende Sonne zu grüßen. Der Sonnengruß ist ein klassischer Bewegungsablauf aus dem Hatha Yoga. Zuerst: Der Hund. Bei dieser Stellung stehen beide Füße auf den Boden, beide Hände auch, der Po ragt in den Himmel. "Spürt den Boden unter Euch, spürt, wie sich die Muskeln in Euren Beinen um die Knochen schließen", weist Wilfried mit ruhiger, gleichmäßiger Stimme seine Schüler an. Dann: Das Kind. Die Knie beugen, das Gesäß ablegen, ganz klein zusammenkauern.

Und ausatmen! Die richtige, bewusste Atmung ist wesentlich beim Yoga. Alte, verbrauchte Luft, negative Energie muss raus aus dem Körper! Frische Luft soll rein, tief hinein in den Bauch soll geatmet werden. Den Oberkörper aufrichten die Arme nach oben – und wieder fallen lasse. Ausatmen. Zurück in das Kind. "Durchtauchen zur Kobra", diktiert Wilfried. Die Männer gleiten mit dem Oberkörper die Matten entlang, beugen das Kreuz durch recken den Kopf nach oben. "Und halten!" Ja, doch, spätestens an dieser Stelle wird klar, dass Yoga eine körperliche Herausforderung ist. Mit Schwitzen und Schnaufen – und vor allem mit dem wunderbaren Gefühl danach, etwas für sich getan zu haben.

Männeryoga und Fußball? Das passt!

"Man fühlt sich lockerer und entspannter, ist gelassener. Meist hält das Gefühl auch am nächsten Tag noch an", so Wilfried. Ziel beim Yoga ist ein Energieausgleich innerhalb des Körpers. Es soll die körperliche Befindlichkeit ganz allgemein verbessern. Es kann auch konzentrationssteigernd wirken oder schlichtweg die Laune verbessern, das Gemüt befreien. Nicht umsonst findet Yoga mehr und mehr Anwendung in der Psychotherapie. Wer es einmal vier Wochen regelmäßig (das heißt: täglich!) ausprobiert, wird eine positive Veränderung wahrnehmen, garantiert Wilfried. Natürlich können auch körperliche und ganz klassische Büro-Leiden wie verspannte Nacken und versteifte Schultern mittels regelmäßiger Yoga-Übungen gelindert werden.

So genau können Wilfrieds Schüler gar nicht beschreiben, was Yoga bei ihnen bewirkt. "Ich merke nur einfach, dass es mir gut tut", erzählt Philip, ein Berliner Rechtsanwalt, seit eineinhalb Jahren in der Männeryogaklasse. "Ich habe mir durch jahrelanges Fußballspielen die Knie ein bisschen kaputtgemacht. Das Gute beim Yoga ist, dass ich es selbst dosieren kann und meine Knie nicht zu sehr belasten muss. Gleichzeitig ist es eine ästhetische und athletische Form der Bewegung."

Die Kombination von Männeryoga und Fußball hat sich im Übrigen bereits auf oberster Ebene bewährt: Die deutsche Fußballnationalmannschaft nimmt seit einigen Jahren regelmäßig Yoga-Unterricht beim Münchner Yoga-Lehrer Dr. Patrick Broome. "Vor und während der WM war die Yoga-Stunde ein Pflichtteil des Trainingsplans", berichte Broome im Interview mit LTO. "Alle Elf, die beim Turnier in Südafrika gespielt haben, mussten am nächsten Tag zum Yoga kommen. Und das haben sie auch immer gern gemacht, schon allein, weil sie wussten, dass es am Ende eine schöne Nackenmassage gibt."

Ob er glaubt, dass regelmäßiges Yoga zum Erfolg der jungen, deutschen Mannschaft beigetragen hat? "Vielleicht war es ein kleiner Baustein von vielen. Bestimmt aber hilft Yoga den Spielern, nach einem Spiel schneller runter zu kommen und zu entspannen. Auch die Niederlage gegen Spanien ließ sich so besser verdauen."

"Om Shanti Om" und dann ein Bier

Bei Wilfried Liefer trainieren zwar keine Spitzensportler, aber Männer aus den unterschiedlichsten Bereichen, die auch manchmal einfach runterkommen müssen nach allerlei Anstrengungen, Niederlagen und Wettkämpfen, die ihr beruflicher Alltag mit sich bringt, als Juristen, Bäcker, Therapeuten. Alle liegen am Ende der Stunde nebeneinander, atmen tief und fühlen Wärme und Entspannung durch ihre Beine fließen, durch ihren Arme und den Bauch.

Abschließend singen sie zusammen ein Mantra, "Om Shanti Om" kommt darin vor. "Das ist der Teil, der mir anfangs ehrlich gesagt etwas unangenehm war", erinnert sich Richter Christian. "Es ist schon befremdlich, mit einer Gruppe Männer unverständliche Silben vor sich hinzusummen." Mittlerweile stimmt er aber eigentlich ganz gern mit ein. Und als die zehn Männer sich nach der Yoga-Stunde in klassische Männermanier und ganz un-yogi-mäßig noch auf ein Bier beim Italiener an der Ecke aufmachen, summt der eine oder andere noch ganz beschwingt und tiefenentspannt,  leise das "Om Shanti" vor sich hin.

Wilfried Liefers Kursprogramm für Männeryoga in Berlin unter: www.yoga-seminare-berlin.de

Zitiervorschlag

Nina Anika Klotz, Yoga: Von Männern, die den Löwen machen . In: Legal Tribune Online, 26.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1296/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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