Historisches Urteil: Wer Eifer­sucht ver­ur­sacht, ver­letzt die Ehre

von Martin Rath

14.02.2016

Als kommerziell nützlicher Brauch hat sich der Valentinstag zwar erst seit den 1950er Jahren etabliert. Pünktlich zum Tag klärte das Reichsgericht aber schon vor 80 Jahren über das Beisammensein von Mann und Frau auf.

Am 13. Februar 1936 erging ein Urteil des Reichsgerichts zu Leipzig, das sich der Verhältnisse zwischen Frauen und Männern auf so grundlegend bizarre Art und Weise annahm, dass man glauben wollte, die Herren Reichsgerichtsräte hätten eine Art Aprilscherz zum Valentinstag liefern wollen.

Natürlich gibt es gewichtige Gründe, die gegen eine solche Terminplanung sprechen. Auf sie kommen wir zurück. Das Urteil ist für sich genommen aber bereits bemerkenswert genug.

Das Landgericht Aachen hatte tatgerichtlich über einen Vorgang in irgendeiner dieser oftmals tristen Ortschaften im Dreieck zwischen Düsseldorf, Köln und Aachen zu entscheiden, wo die Menschen damals sehr fromm katholisch und ein Mann mit einem Automobil noch eine Ausnahmeerscheinung war.

Eine Spritztour mit dem Auto: Suche den Tatbestand!

Eine dieser Ausnahmeerscheinungen war mit seinem Pkw in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember 1934 gegen Mitternacht in die Gastwirtschaft mit ihm befreundeter Wirtsleute eingekehrt. Dort traf er die Wirtin an, die mit einem anderen Gast bereits "mehrere Glas Weinbrand trank". Ihr Gatte "besuchte in einem Nachbarort eine Festlichkeit, und es war zu erwarten, daß er nicht vor den Morgenstunden zurückkehren werde".

Nachdem sich der andere Gast verabschiedet hatte, gesellte sich die Wirtin zum Mann mit dem Auto, der ihr nun "mehrere Glas Weizenkorn" ausgab. Gegen zwei Uhr früh schlug er vor, die Wirtschaft war inzwischen, abgesehen von ihm, der trinkenden Wirtin und einem Kellner verlassen, "eine kleine Fahrt zu unternehmen und noch in einer anderen Wirtschaft ein Glas Bier zu trinken".

Trotz der Vorhaltungen des Kellners, die beiden sollten "die Dummheit sein lassen", und "was denn der Mann dazu sagen werde", trat der Mann mit dem Automobil die Fahrt an, an der neben der Wirtin noch eine Hausgehilfin teilnahm. In einer weiteren Kneipe auf der Strecke wurde "Bier Wermutschnaps und Weinbrand" konsumiert – die Gerichte buchstabieren die Getränkekarte übrigens gründlich durch.

Gegen sechs Uhr morgens wurden die beiden Frauen wieder daheim abgeliefert. Der Wirt war inzwischen von seiner Feier zurückgekehrt: "Als er hörte, was vorgefallen war, wurde er sehr zornig und versetzte seiner Frau und dem Mädchen [der Hausgehilfin] Ohrfeigen. Alsdann schaffte er mit Hilfe des Mädchens seine Frau in die Wohnung, wo sie erst am nächsten Tage zur Besinnung kam."

Ehrensache für die offizielle Urteilssammlung

Zur Anklage kam nicht etwa der Akt häuslicher Gewalt durch den Wirt. Vielmehr fand sich der Mann mit dem Automobil eines Verbrechens nach § 176 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) alter Fassung (a.F.) angeklagt, demzufolge mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus bedroht wurde, wer "eine in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindliche oder eine geisteskranke Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe mißbraucht".

Eine solche Tat war nach der Überzeugung des Landgerichts Aachen nicht zu beweisen. Zur Revision kam es, weil das Gericht den Mann mit dem Auto stattdessen wegen einer Beleidigung nach § 185 StGB verurteilt hatte, "begangen gegenüber dem Ehemann".

Das Reichsgericht zitiert zustimmend aus den Urteilsgründen der Aachener Richter, es sei "doch eine grobe Ungehörigkeit … gewesen, die Abwesenheit des Ehemanns zu einer derartigen nächtlichen Fahrt mit der schon angeheiterten und leichtsinnig gewordenen Frau auszunützen. Zur Ehre von Ehegatten gehöre es, daß sie nicht nur einander die Treue hielten, sondern auch nach außen hin alles vermieden, was berechtigte Zweifel an ihrer ehelichen Treue hervorrufen könne. Eine Ehefrau, die sich hierüber hinwegsetze, schädige nicht nur ihre eigene Ehre, sondern in der Regel auch die ihres Mannes."

Zitiervorschlag

Martin Rath, Historisches Urteil: Wer Eifersucht verursacht, verletzt die Ehre . In: Legal Tribune Online, 14.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18455/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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