Jahrhundert-Rückblick: Juris­ti­scher Zeit­geist, ein­ge­fangen

von Martin Rath

01.01.2017

1977 – Die Schleyer-Entführung und Sicherheit beim BVerfG

Die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer im Herbst des Jahres 1977 ist als einschneidendes Ereignis in Erinnerung geblieben.

Ende 2016, nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz, wird Bundeskanzler Helmut Schmidt gern als jemand zitiert, der damals der Terror-Hysterie in Deutschland rhetorisch etwas entgegengesetzt habe. Vergessen sind darüber die Diskussionen im Krisenstab führender SPD-, CDU/CSU- und FDP-Politiker unter Kanzler Schmidt, gegen strafgefangene Terroristen rechtswidrige Repressalien zu erwägen.

1977 setzte das Bundesverfassungsgericht einerseits etwas fort, was von vielen als – inzwi-schen seit einem Vierteljahrhundert bewährte – liberale Umbau-Arbeit am deutschen Recht wahrgenommen wurde: Zum Beispiel mit dem etwas halbherzigen Urteil vom 21. Juni 1977, das verlangte, der lebenslangen Freiheitsstrafe Grenzen zu setzen (Az. 1 BvL 14/76). Seit jenem Jahr ist allen Strafvollzugs-Reformern, die mit dem Resozialisierungsgedanken ernstmachen wollten, eine Möglichkeit abhandengekommen, ihre Anliegen mit diesem starken Beispiel politisch zu thematisieren.

Im August 1978 sollte das Bundesverfassungsgericht andererseits dem sogenannten Kontaktsperregesetz seinen Segen geben, mit dem 1977 eilends die Kommunikation der RAF-Gefangenen eingeschränkt worden war (Beschl. v. 01.08.1978, Az. 2 BvR 1013/77 u.a.).

War die Rechtspolitik seit 1949 damit beschäftigt gewesen, dem deutschen (Straf-) Recht liberalere Züge zu geben, kann 1977 als das Jahr gelten, in dem die Wende zu immer noch mehr Sicherheit vollzogen wurde, von der sich die deutsche Rechtspolitik gar nicht mehr freimachen mag.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Jahrhundert-Rückblick: Juristischer Zeitgeist, eingefangen . In: Legal Tribune Online, 01.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21627/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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