Jahrhundert-Rückblick: Juris­ti­scher Zeit­geist, ein­ge­fangen

von Martin Rath

01.01.2017

1987 – Männerkleider tragen - dem Herrn ein Greuel

Den Gläubigen ist es untersagt, "Strandbäder, Schwimmbäder und ähnliche Orte zu besu-chen, wo unanständige Kleidung getragen wird". Es "ist unter anderem für Frauen bestimmt, daß sie unter keinen Umständen und bei keiner Gelegenheit Hosen tragen dürfen". Auf die Geschlechterehre der Frau wird hoher Wert gelegt, gerade beim Hosen-Verbot: "Wenn man an den Schulen von den Mädchen solches verlangt, wie z.B. für Leibesübungen, so müssen sie das rundwegs verweigern."

Mit Hinweis auf die schweren Bußstrafen, die ihnen ihr Kult sonst auferlegte, verlangten die Eltern einer bayerischen Schülerin, dass diese vom Sportunterricht befreit werde.

Der Verwaltungsgerichtshof München gab ihnen Recht (Urt. v. 06.05.1987, Az. 7 B 86.01557), weil "die Kläger und ihre Tochter durch deren Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht wegen des dabei notwendigen Tragens von Sport- und Schwimmkleidung einem verfassungsrechtlich unzumutbaren Glaubens- und Gewissenskonflikt ausgesetzt würden".

Nebenbei: Die Kläger und die in ihrer Sittlichkeit geschützte Tochter waren Angehörige der "Palmarischen Kirche", einer katholischen Sekte, deren religiösen Führern die römisch-katholische Kirche zu modern schien. Zu den unter den "Kulturvölkern" konsensfähigen Regeln, die ggf. von Staats wegen zu beachten seien, zählten die bayerischen Richter bei dieser Gelegenheit das 5. Buch Mose, Vers 22, 5: " Eine Frau soll nicht Männersachen tragen, und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn wer das tut, der ist dem HERRN, deinem Gott, ein Greuel."

Zitiervorschlag

Martin Rath, Jahrhundert-Rückblick: Juristischer Zeitgeist, eingefangen . In: Legal Tribune Online, 01.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21627/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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