Der Bewährungshelfer Peter Asprion: "Ich will die Sicherungsverwahrung abschaffen"

von Annelie Kaufmann

30.11.2012

2/2: Prognosen hält der Bewährungshelfer für unmöglich

Das treibt ihn an. Asprion hat Soziale Arbeit studiert, später auch Pädagogik und Erwachsenenbildung. Er war 17 Jahre als Sozialarbeiter in einem Freiburger Gefängnis, für zehn Jahre leitete er einen Verein zur Freien Straffälligenhilfe. Heute ist er nicht nur Bewährungshelfer, sondern leitet auch eine Praxis als Mediator. Er bietet Fortbildungen, Coachings und Täter-Opfer-Ausgleich an.

"Ich hab den Job gesucht", sagt er. "Ich hab einfach ein Herz für Ausgegrenzte und Zu-Kurz-Gekommene". Es ist ein Beruf mit einer großen Verantwortung. "Ziel ist, dass meine Klienten nicht erneut straffällig werden. Garantieren kann ich das nicht, aber ich stecke das nicht lässig weg." Auch er hat schon erlebt, dass Straftäter erneut Drogen nehmen, Körperverletzungen oder Diebstähle begehen. "Aber ich bin schon froh, dass die ganz schweren Straftaten sowieso sehr selten vorkommen."

Prognosen hält Asprion ohnehin für unmöglich. "Der Mensch ist viel zu komplex, um vorherzusagen, wie er sich verhält. Man kann mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, man kann sagen fünf von hundert, aber man weiß dann nicht, welcher das ist." Die Ängste der Bürger kann Asprion verstehen, aber er teilt sie nicht. "Natürlich kann ein Zug entgleisen. Aber deswegen nicht mehr einsteigen? Völlig irrational". Er verweist auf Statistiken, wonach die meisten Leute mehr Angst vor der schlechten Wirtschaftslage, vor Naturkatastrophen und vor Krankheiten haben, als davor, Opfer eine Straftat zu werden.

"Sicherungsverwahrte sind Sündenböcke"

Tatsächlich gehen gerade die Zahlen schwerer Sexualstraftaten seit Jahrzehnten stark zurück. Andererseits: Nach einer Studie des Familienministeriums haben rund 60 Prozent der Frauen in Deutschland sexuelle Belästigung erlebt, die Hälfte von ihnen gab an, sie habe sich ernsthaft bedroht gefühlt. "Man muss sich das mal überlegen", meint Asprion. "Da muss es noch ein paar mehr Täter geben." Er kritisiert, dass vor allem die ehemaligen Sicherungsverwahrten als gefährlich dargestellt werden. "Die sind auch ein Sündenbock für alle anderen Männer. Eine kleine Gruppe, auf die man das projiziert, was man selbst nicht wahr haben will."

Von den schätzungsweise rund 80 freigelassenen Sicherungsverwahrten wurde bisher ein Fall bekannt, in dem der Täter rückfällig wurde. In Dortmund hat ein Mann erneut ein Mädchen missbraucht, kurz nachdem die Polizei aufgehört hatte, ihn ständig zu überwachen. "Einer von 80", sagt der Bewährungshelfer. "Ist doch eine tolle Zahl, die auf jeden Fall die hysterische Stimmung um diese Täter nicht rechtfertigt."

"Justizminister sollten sich entschuldigen und Entschädigung zahlen"

Allerdings: Den Opfern hilft die Statistik wenig. Das weiß Asprion auch. "Ich habe mal bei einer Veranstaltung erlebt, dass sich eine Frau gemeldet und öffentlich gesagt hat, dass sie selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden ist." Die war Frau trotzdem derselben Meinung wie Asprion. Das hat ihn gefreut, aber er weiß auch: "Ich rede von Durchschnittswerten. Aber der Durchschnitt versagt, wenn jemand vor mir sitzt, der Opfer geworden ist."

Er fordert deshalb, auch Opferorganisationen und Beratungsstellen zu stärken. "Wenn ich sehe, wie unterfinanziert dieser Bereich ist und dann werfen mir Politiker vor, ich würde nicht an die Opfer denken – das kotzt mich an." Stattdessen solle man lieber an übertriebenen Sicherheitsmaßnahmen sparen.

Wer zu Unrecht in Sicherungsverwahrung saß, müsse deshalb endlich entschädigt werden. Doch bisher sieht es eher so aus, als ob die Länder lieber durch alle Instanzen gehen wollen, als zu zahlen. "Eigentlich müsste jeder Landesjustizminister zu den Menschen hingehen, sich entschuldigen und sagen, hier ist der Ausgleich. Das gilt für die Täter schließlich auch."

Zitiervorschlag

Annelie Kaufmann, Der Bewährungshelfer Peter Asprion: "Ich will die Sicherungsverwahrung abschaffen" . In: Legal Tribune Online, 30.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7681/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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