Jura ist selten witzig. Doch Wilhelm Schneider, Pressesprecher der Zivilsenate am OLG München, versucht, selbst aus Terminhinweisen herauszuholen, was er kann.
Pressesprecher wie Wilhelm Scheider kann man sich als Journalist nur wünschen: Jede Woche schickt der Richter am Oberlandesgericht (OLG) München die Vorschau für die kommende Woche. Bei ihm sind das nicht nur Aktenzeichen und Angaben der Säle, in denen die Verhandlungen stattfinden werden. Wilhelm Schneider liefert Zusammenfassungen der Thematik, erläutert den Verfahrensstand, ob Vergleichsverhandlungen bereits stattgefunden haben und ob ein Urteil zu erwarten ist. Das Wesentliche der Informationen ist fett gedruckt bzw. unterstrichen. Einfach vorbildlich. Das schönste aber: In einem Satz gibt Wilhelm Schneider häufig seine persönliche Bemerkung zu den Fällen ab.
Am OLG ist Schneider seit Anfang 1999 tätig, seit Mitte 2007 als Vorsitzender Richter. Die Position des Pressesprechers für Zivilsachen hat er seit Februar 2010 inne, zuvor war der 65-Jährige bereits einige Zeit Vertreter. Nächstes Jahr geht er in den Ruhestand. "Als Pressesprecher muss man bei seinen Äußerungen natürlich sachlich bleiben", sagt Schneider. "Aber gelegentlich gibt es Verfahren, bei denen sich ein wenig Humor geradezu anbietet."
Die Highlights dieses Jahres stellen wir hier vor:
Leiden im Viertelstundentakt
Die Ankündigung für den 1. Dezember 2016 von 9.30 bis 11.15 Uhr und von 13 bis 15.30 Uhr – immerhin mit Pause: "Der 8. Zivilsenat wird im Viertelstundenrhythmus 17 im Wesentlichen gleichgelagerte Verfahren aus dem Bereich des grauen Kapitalmarkts verhandeln."
Er begrüßt die Empfänger des Newsletters mit: "Für die Leidensfähigen unter Ihnen (und uns)…"
Auf nach Griechenland
Im November kündigte Schneider ein Verfahren an, in dem es um Investitionen einer Stiftung in Staatsanleihen in Griechenland ging – sie wollte Geld zurück.
"Ein Fall speziell für alle Griechenlandanleger und solche, die es sich noch überlegen wollen: es geht um Zahlungsansprüche aus griechischen Staatsanleihen."
Geschmacksmuster bei Sportschuhen
Puma gegen Adidas: Klingt allein wegen der Unternehmensnamen spannend – ist es aber nur für Markenrechtsexperten, es geht nämlich nur um Zwischensohlen bei Sportschuhen.
"In diesem eher für Spezialisten interessanten und in den rechtlichen Aspekten nicht für jedermann eingängigen Fall aus dem Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes geht es um einen sog. geschmacksmusterrechtlichen Unterlassungsanspruch (vorläufiger Streitwert: 1 Mio. Euro). (Sie können daran denken, wenn sie das nächste Mal Sportschuhe anziehen.)"
Und noch mal Sportschuhe
Dieses Mal verlangte Adidas von Tchibo die Unterlassung des Vertriebs von Sportschuhen, deren Sohle ihrer Meinung nach den sogenannten Boost-Look ihrer eigenen Schuhe nachahmt und den Verkehr darüber täuscht, dass die von Tchibo vertriebenen Schuhe ebenfalls über eine Sohle verfügen, die die Vorteile der Boost-Modellreihe von Adidas haben. Schneider, offenbar des immer gleichen Themas ein wenig Müde:
"Schuhsohlen und kein Ende – dieses Mal unter dem Blickwinkel des möglichen unlauteren Wettbewerbs."
Nichts los am OLG
Es gibt Wochen, in denen wenige bis keine spannenden Verhandlungen anstehen. Wilhelm Schneider teilt in solchen Fällen mit:
"In der kommenden, sitzungsmäßig wieder sehr ausgedünnten Woche könnte Sie vielleicht Folgendes beim 23. Zivilsenat zu verhandelnde Verfahren interessieren."
Oder
"In der kommenden Woche stehen bei den Zivilsenaten des OLG München leider keine Verfahren an, die Sie und die Öffentlichkeit besonders interessieren könnten."
Oder
"Für die kommende Woche muss ich, was interessante, medienwirksame Verfahren bei den Zivilsenaten des OLG München betrifft, leider Fehlanzeige erstatten. Aufgrund der Schulferien bzw. Urlaubs von Richtern sind die Terminlisten stark ausgedünnt. Es werden aber ganz bestimmt wieder bessere Zeiten für Sie kommen… ."
Draußen bleiben
Diese Einleitung der Pressemitteilung bieten wir mal als Ganzes:
"Soweit Sie in den in der Nymphenburgerstraße für Sie ausgelegten Terminlisten XXX entdeckt haben, handelt es sich zwar um keine ganz uninteressante Sache. Es findet jedoch am Donnerstag keine mündliche Verhandlung, sondern nur die Einnahme eines Augenscheins in der JVA München-Stadelheim statt.
(Auf Schlagzeilen bedachte Medienvertreter würden insoweit wahrscheinlich titeln: 'Zivilsenat geht ins Gefängnis'. Die Einnahme des Augenscheins bleibt Ihnen jedoch verschlossen. Für Sie gilt: 'Wir müssen leider draußen bleiben.')"
Im Verein ist Sport am schönsten
Im März 2016 muss sich das OLG in zwei Verfahren mit dem Turn- und Sportverein München von 1860 befassen:
"TSV 1860 München und kein Ende"
und
"TSV 1860 München und immer noch kein Ende".
Ein echtes Schmanckerl
Zum Beginn des Jahres startet das OLG München mit dem viel beachteten Urteil zum Filesharing. Keine ganz leichte Kost für viele Menschen – Wilhelm Schneider hat versucht, den Fall auf seine ganz eigene Art zu erklären:
"Den Leitsatz des Urteils, welches das Oberlandesgericht München am 14.01.2016 verkündet hat, können sich wirklich nur Juristen ausgedacht haben. (Anm. der Red.: es folgt der Leitsatz) Was heißt das nun auf Deutsch?"
Finally: gute Wünsche
Die Verabschiedung aus dem Jahr 2015 – wir freuen uns auf die Mail in diesem Jahr.
"…..Wie schon die Jahre zuvor, habe ich auch 2015 versucht, Sie mit Hinweisen auf zahlreiche – Sie manchmal mehr, manchmal vielleicht auch nur weniger interessierende – Verfahren vor den Zivilsenaten des Oberlandesgerichts München zu versorgen und Ihnen mit Auskünften zur Seite zu stehen.
Mir hat es Spaß gemacht, und ich hoffe, ich konnte Sie dadurch in Ihrer täglichen Arbeit etwas unterstützen.
Sollten Sie irgendwelche Anregungen haben, zögern Sie bitte nicht, sie mir mitzuteilen. Zu verbessern gibt es immer etwas.
Wenn der oder die eine oder andere gerne aus meiner Verteilerliste gestrichen werden will, wäre ich auch nicht beleidigt. Eine kurze Nachricht genügt.
Ihnen allen, die Sie mir zum Teil auch in Ihre Tätigkeit wertvolle Einblicke gewährt haben, für die ich sehr dankbar bin, wünsche ich jetzt ein friedliches Weihnachtsfest, ruhige und entspannte Feiertage und einen fulminanten Start in ein hoffentlich erfolgreiches und gesundes Jahr 2016."
Tanja Podolski, Pressesprecher in München: Spaß mit dem OLG . In: Legal Tribune Online, 01.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21302/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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