Special Anwaltstag: Anwalt und Kunstsammler Rainer Jacobs: "Ab und an finde ich weiße Wände auch schön"

Beuys, Richter, Ruff: Er vertrat zahlreiche deutsche Künstler, ist privat mit vielen von ihnen befreundet. Über 40 Jahre ist Rainer Jacobs als Anwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht tätig, doch seine Kunstsammlung ist älter als die Anwaltszulassung. Warum er trotzdem kein Bild in seinem Büro hängen hat und selber nicht Maler werden möchte, erklärte er im Gespräch mit Anna K. Bernzen.

LTO: Herr Professor Jacobs, was ist Jura für Sie: eine Kunst oder ein Handwerk?

Jacobs: Es gibt eine Vielzahl guter Juristen, die handwerklich hervorragend sind. Wirklich gute Juristen sind aber solche, die innovativ an Probleme herangehen und sich nicht nur auf ihr Handwerkszeug verlassen. Betrachtet man sie, ist Jura in gewisser Weise auch Kunst.

LTO: Allgemein gesprochen, gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Anwälten und Künstlern?

Jacobs: Was einem Anwalt und einem Künstler gemein ist, gilt auch für viele andere schaffende Berufe wie Architekt oder Schreiner: Konzentriert und nachhaltig sein, nicht sprunghaft arbeiten, bei der Sache bleiben. Genau wie ein guter Künstler beißt sich auch ein guter Anwalt in seiner Aufgabe fest.

LTO: Gibt es etwas, das Anwälte von Künstlern lernen können?

Jacobs: Anwälte sollten neue Ideen fördern und über den Tellerrand ihrer Gesetze blicken. Sie sollten feststellen, dass sich Probleme nicht immer lösen lassen, indem man mit dem Gesetz arbeitet, sondern dass man manchmal auch weiter denkt. Die Lösung, die das Gesetz anbiete, ist manchmal nur eine der möglichen. Das Gesetz ist hilfreich und unverzichtbar; es gibt uns die Tools, mit denen wir arbeiten. Aber wie wir damit arbeiten, das kann durchaus künstlerisch sein.

"Früh Werke damals unbekannter Künstler erworben"

LTO: Was kam bei Ihnen zuerst: das Recht oder die Kunst?

Jacobs: Ich habe bereits vor Beginn meiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt begonnen, mich im Rahmen meiner Sammlung mit Kunst zu befassen. Dadurch, dass ich früh Werke damals noch unbekannter Künstler wie Joseph Beuys erworben habe, entstand eine persönliche Verbindung. Traten später urheberrechtliche Probleme auf, brauchten sie juristische Unterstützung bei der Vorbereitung einer Ausstellung oder schlicht ihrem Testament, kamen die Künstler nachfolgend zu mir.

LTO: Welches war ihr interessantester "künstlerischer" Fall?

Jacobs: Das war ein Fall, in dem ich Thomas Ruff in Bezug auf seine Sternbilder vertrat. Diese Werke entstanden, indem er von der Europäischen Sternwarte einen Kasten voller Dias erwarb und diese dann für seine Bilder verarbeitete. Die Sternwarte beschwerte sich nun, er habe ihr Urheberrecht verletzt, indem er die Fotos ohne Genehmigung für künstlerische, also gewerbliche Zwecke verwendete.

LTO: Wie sind Sie vorgegangen?

Jacobs: Ich schrieb der Sternwarte, dass an diesen, mit einer automatischen Kamera geschossenen Bildern mangels persönlicher geistiger Schöpfung kein Urheberrecht entstanden war. Daraufhin drohte sie, ohne Anerkennung dieses Rechts keine weiteren Gespräche führen zu wollen. Letztlich fuhren wir doch nach München zur Sternwarte und einigten uns in großer Runde, dass Thomas Ruff der Warte für ihre Hauptverwaltung eines seiner Bilder schenken und sie im Gegenzug auf alle Ansprüche verzichten würden.

"Früher war das Urheberrecht elitär, heute wird es immer komplexer"

LTO: Macht die Arbeit mit Künstlern heute noch einen großen Teil Ihrer Tätigkeit aus?

Jacobs: Nein, nur rund zehn Prozent. Von der urheberrechtlichen Vertretung von Künstlern kann heutzutage kein Anwalt leben, so spannend sie auch sein mag. Stattdessen vertrete ich weit mehr Verlage und Galerien. Sie sind es meist, die urheberrechtliche Probleme haben. Durch eine Vielzahl internationaler Verträge und die europäische Harmonisierung ist das Rechtsgebiet schließlich immer komplizierter geworden.

LTO: Basierend auf Ihrer Erfahrung mit Künstlern und deren juristischen Problemen: Sind sie mit der Entwicklung des Urheberrechts zufrieden?

Jacobs: Ich finde, es ist ein spannendes Rechtsgebiet, das immer spannender wird. Früher war es elitär, auf Autoren, Künstler, Musiker und Filmhersteller zugeschnitten. Heute wird es durch die Verzahnung der neuen Medien mit dem alten Urheberrecht immer komplexer.

Nehmen wir die vom Gesetzgeber gelassene Regelungslücke hinsichtlich Software: Der Schutz dieser Werke besteht ebenfalls noch 70 Jahre nach dem Tod des Entwicklers. Die Lebensdauer der Software beträgt aber vielleicht fünf bis zehn Jahre. Die bestehenden Vorschriften tragen dieser Entwicklung nicht Rechnung.

"Belassen wir es dabei: Du bist mein Anwalt, ich dein Maler."

LTO: Die Vorschriften sind für Künstler sicher nicht einfach nachzuvollziehen. Wie schwer fällt Ihnen andersherum das künstlerische Arbeiten?

Jacobs: Ich habe einmal Gerhard Richter darum gebeten, mir ein Wochenende lang das Malen zu zeigen. Da sagte er zu mir: Belassen wir es doch dabei, dass du mein Anwalt bist und ich dein Maler bin. Ich habe in dieser Hinsicht kein Talent, kenne aber viele Juristen, die sich mit bildender Kunst, Musik oder Fotografie befassen. Gerade Jura als trockene Materie erfordert einen solchen Ausgleich. Wenn man sich nur mit dem Recht befasst, befriedigt das bloß einen Teil der Persönlichkeit.

LTO: Wie entdeckten Sie die Kunst als Ausgleich zur Juristerei?

Jacobs: Ich hatte während meiner Referendarzeit ein Schlüsselerlebnis: Eine Freundin, die für moderne Kunst schwärmte, hatte mich wiederholt gebeten, mit ihr eine Vernissage zu besuchen. Ich interessierte mich damals nicht für diese Dinge, ließ mich aber letztlich doch in eine Ausstellung mitnehmen. Mit der kleinen Grafik, die ich damals in dieser Galerie kaufte, wurde ich vom Saulus zum Paulus. Das wenige Geld, das ich als junger Anwalt verdiente, investierte ich von da an in Kunst.

"Guckt man jeden Tag auf ein Bild, wird es zur Tapete"

LTO: Heute unterstützen Sie Künstler im Rahmen verschiedener Stiftungen. Wie kam es dazu?

Jacobs: Ich sitze im Kuratorium der Peter und Irene Ludwig-Stiftung, die wir mit der großartigen Sammlerin Irene Ludwig aufgebaut haben. Dort entscheide ich mit, welche Museen Leihgaben aus der Sammlung erhalten oder finanziell beim Erwerb neuer Kunstwerke gefördert werden. Zusätzlich sitze ich im Kuratorium des inter media art institute, das Filmkunst fördert. Als ich in den 1970er Jahren zum ersten Mal eine solche Ausstellung besuchte, war die Kunstform für viele noch ein Buch mit sieben Siegeln. Heute gibt es eine große Anzahl an Projekten, die wir durch unsere finanzielle Unterstützung fördern können.

LTO: In Ihrem Büro hängt dennoch kein Bild, kein Foto. Warum nicht?

Jacobs: Ab und an finde ich weiße Wände auch schön. Im alten China wurden Bilder mit Vorhängen versehen, in Kirchen befinden sie sich manchmal hinter Holzverschlägen. Man machte sie nur zu besonderen Anlässen sichtbar. Guckt man jeden Tag auf ein Bild, wird es irgendwann zur Tapete.

LTO: Wenn Sie sich ein Kunstwerk zulegen könnten, unabhängig vom Preis und dem jetzigen Eigentümer, welches wäre es?

Jacobs: Toll fände ich eines der "Tatlin-Monuments" des amerikanischen Künstlers Dan Flavin. Er stellt Kunstwerke aus weißen Neonröhren her, die mir bereits in den 1970-er Jahren sehr gut gefielen. Damals kosteten sie 12.000 Mark, das konnte ich mir als junger Anwalt nicht leisten. Auf der Art Cologne habe ich sie jetzt wiedergesehen. Nun kosten sie 1,2 Millionen US-Dollar.

LTO: Herr Professor Jacobs, wir danken Ihnen für das Interview.

Das Interview führte Anna K. Bernzen.

Zitiervorschlag

Anna K. Bernzen, Special Anwaltstag: Anwalt und Kunstsammler Rainer Jacobs: "Ab und an finde ich weiße Wände auch schön" . In: Legal Tribune Online, 16.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6386/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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