Frauenrecht auf Glück: Joy of Sex vor deut­schen Gerichten

Aktuelle Ergebnisse der modernen Glücksforschung haben zu erstaunlichen Erkenntnissen geführt über die Dinge. Nicht nur putzen, sondern auch in einem Pornofilm mitzuspielen, soll Frauen glücklich machen. Möglicherweise müssen deutsche Verwaltungsrichter ihr Frauenbild nun grundlegend überdenken, meint Herbert Grziwotz.

Bereits Ende Oktober berichtete Spiegel Online über die neuesten Erkenntnisse zweier Forscher männlichen Geschlechts: Zum perfekten Tag einer Frau gehören 47 Minuten Hausarbeit. Nun hat eine längst überfällige Untersuchung weitere erstaunliche, um nicht zu sagen bahnbrechende Einsichten über die Glücksgefühle von Frauen gewonnen: Pornodarstellerinnen sind glücklicher als anderweitig agierende Frauen.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für den Familienrechtler Anlass genug, einmal darüber nachzudenken, ob sein Frauenbild nicht dringend korrekturbedürftig ist. Einen wichtigen Schritt in die – wie sich nun herausstellte – wohl richtige Richtung hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in den 60ern gemacht, also um eine halbe Dekade vor dem Erscheinen des Weltbestsellers The Joy of Sex (Urt. v. 02.11.1966, Az. IV ZR 239/69).

Wenngleich die höchstrichterlichen Ausführungen zum häuslichen Sex schon etwas vergilbt sein mögen und verstaubt klingen, richten sie doch – zumal im Lichte der neuen Studie – einen wichtigen Appell an die Hausfrau: "Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr […] versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen."

"Schatz, die Decke müsste auch mal wieder gestrichen werden", ist also nicht.

Wenig Begeisterung für: "So oft du willst, mit wem du willst, was immer du willst"

Während der Familiensenat für mehr zumindest vorgespielte Freude plädierte, erwies sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) als eher lustlos. In den Peep-Show-Urteilen lehnte es, die Reduzierung der Frau auf ein "Mittel der Zweckerfüllung" mit nahezu an Kant orientierten Begründungen ab (Urt. v. 15.12.1981, Az. 1 C 232/79 u.a.). Das bloße Zurschaustellen des nackten weiblichen Körpers – wie beim Striptease üblich – verletze zwar nicht die Menschenwürde. Anders aber die Peep-Show: Denn dort werde der Anblick der unbekleideten Frau wie die Ware eines Automaten durch Münzeinwurf verkauft und gekauft.

Auch moderne Flatrate-Bordelle mit dem Motto "So oft du willst, mit wem du willst, was immer du willst" stießen auf wenig Begeisterung bei den Verwaltungsrichtern. Die modernen Flatrate-Konzepte auf dem "Allinclusive-Markt" degradierten die Frauen zum Billigangebot. Eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Gäste durch eine Überforderung wie bei "Flatrate-Partys2 mit unbegrenztem Angebot an freien Wodka-Energy-Mixgetränken verloren die Richter in ihrer Aufregung dabei ganz aus dem Blick. Dabei kannten die bekannten Flatrate-Bordelle nicht einmal eine Altersbegrenzung nach oben.

Ein Dienstleistungsberuf ganz wie der des Anwalts

Weltmännischer zeigte sich da der Europäische Gerichtshof (EuGH). In der Diktion nüchtern und nicht von seinen sonstigen Urteilen zu unterscheiden stellte er fest, dass die Prostitution in einer Tätigkeit bestehe, "durch die der Leistungserbringer gegen Entgelt eine Nachfrage des Leistungsempfängers befriedigt, ohne materielle Güter herzustellen oder zu veräußern".

Es handele sich somit wie bei anderen Dienstleistungsberufen, z. B. im Bankwesen, im Gastgewerbe, in der Rechtspflege (Rechtsanwaltsdienstleistungsgesetz!) und nicht zuletzt anderen (?) Bereichen des Gesundheitswesen um eine Erwerbstätigkeit, die dem gemeinschaftsrechtlichen Privileg der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AUEV) unterfalle (Urt. v. 20.11.2001, Az. C-268/99).

Voraussetzung sei allerdings, dass das Entgelt unmittelbar gezahlt werde, was bei den hierzulande geltenden "Handelsbräuchen" nicht schwer zu erfüllen sein dürfte.

Prost aufs ProstG!

Das Verwaltungsgericht Berlin forderte den Gesetzgeber schon vor über zehn Jahren auf, mit einem "Blick über das Land" festzustellen, dass "seine Vorschriften mit den Wertvorstellungen der Bevölkerung nicht mehr übereinstimmen" (Urt. v. 01.12.2000, Az. 35 A 570/99). Selbst der nicht unbedingt als fortschrittlich bekannte Bayerische Verwaltungsgerichtshof erkannte, dass Luxusbordelle und Saunaclubs gute Arbeitsbedingungen für Prostituierte bieten (Urt. v. 09.09.2008, Az. 22 BV 06.3313).

Und das BVerwG segnet dies höchstrichterlich ab: "Nach den heutigen Wertvorstellungen […] ist die kommerzielle Ausnutzung sexueller Bedürfnisse oder Interessen nicht mehr grundsätzlich als sittenwidrig anzusehen." Aber nicht ohne ein "es kommt darauf an" hinterherzuschieben. Die Förderung der Prostitution sei daher ebenso differenziert zu beurteilen wie die Prostitution selbst, schlossen die Bundesrichter brav (Beschl. v. 23.03.2009, Az. 8 B 2/09).

Der deutsche Gesetzgeber bewies dagegen bei der amtlichen Abkürzung des Prostituiertengesetzes zumindest eine gewisse Ironie und nannte es schlicht ProstG.

Geld oder Liebe?

Vielleicht hatte trotz wissenschaftlich nachgewiesenem Glück der Pornodarstellerinnen aber doch ein heute wieder häufig zitierter deutscher Philosoph Recht, der bereits 1844 schrieb: "Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältnis zur Welt als menschliches voraus, so kannst die Liebe nur gegen Liebe austauschen …" – und eben nicht gegen Geld.

Damit relativiert sich auch der Hinweis der amerikanischen Glücksforscher, dass die US-Pornodarstellerinnen nicht repräsentativ für die weltweite Branche sein dürften, da ihr Industriezweig in den USA einen Jahresumsatz von 14 Milliarden Dollar erzielt.

Ist es also nicht das Geld und die 47 Minuten tägliche Hausarbeit, sondern die Liebe, die Frauen glücklich macht?

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Frauenrecht auf Glück: Joy of Sex vor deutschen Gerichten . In: Legal Tribune Online, 07.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7741/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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