Gebe - höre - urteile: das Deutsche Skatgericht: Die Richter der Über­reizten

von Till Mattes

13.06.2016

20 Millionen Deutsche tun es oft und stundenlang: Sie dreschen friedlich Skat. Aber wittert ein Skatbruder Spielbetrug und Regelbruch, ist’s aus mit familiärer Harmonie. Kehrt keine Ruhe ins Kartenhaus ein, hilft der Gang vor's Skat-Gericht.

Der Schiri pfeift, der Anstoß erfolgt und das Spiel beginnt. Beim Fußball ist es ganz einfach. Doch wann beginnt ein Skatspiel? Wenn der erste Spieler zum ersten Mal eine Karte ausspielt oder schon nach der Ansage, welche Spielart gespielt wird? Bringt solch eine Frage Zwist und Zank in die Runde, kann jeder Skatspieler das Deutsche Skatgericht anrufen. Egal, ob er Vereinsmitglied oder Kneipenspieler ist.

Die Klageerhebung ist für ihn denkbar leicht. Eine Anfrage per E-Mail an Hans Braun, den Vorsitzenden des Gerichts, reicht aus. Auch über die Prozesskosten muss  er sich keine Gedanken machen. Denn das Verfahren ist kostenlos.

Braun entscheidet auf Grundlage der Internationalen Skatordnung, deren Hüterin das Deutsche Skatgericht und das personell fast gleich besetzte Internationale Skatgericht sind. An dieser weitgehenden Personenidentität wird deutlich, dass Deutschland das gelobte Land der weltweiten Skat-Gemeinde ist. Doch das Gericht ist nicht nur Hüterin, sondern auch Entwicklerin der Internationalen Skatordnung (ISkO), denn diese ist ein lebendiges Regelwerk: "Durch die Anfragen stoßen wir darauf, dass es eventuell notwendig ist, die eine oder andere Bestimmung zu ändern beziehungsweise klarer zu formulieren", sagt Braun. "Wir vom Skatgericht versuchen das Regelwerk so zu gestalten, dass es den Interessen der Spieler dient."

Kurze Verfahrensdauer dank Ein-Personen-Entscheidung

Ein weiterer Vorteil gegenüber wirklich juristischen Verfahren ist die Schnelligkeit, mit der der Vorsitzende reagiert. Wochenlang oder noch länger muss im Normalfall keiner auf den Richterspruch warten. "Ich beantworte alle Anfragen selbst in schriftlicher Form und sehr kurzfristig", sagt Braun. Werden ihm Fälle vorgelegt, die eine Lücke in den Regeln aufzeigen oder sehr komplex sind, holt er sich per Mail Rat von den anderen Mitgliedern des Skatgerichts ein. Die Entscheidung fällt er jedoch anschließend allein.

Der Zeitaufwand für die ehrenamtliche Tätigkeit ist hoch. Auf Brauns Schreibtisch landen pro Jahr zwischen 350 und 400 Anfragen. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt eine dreiviertel Stunde. Möchte jemand in Berufung gehen, ist das Prozedere festgelegt: "Akzeptiert jemand meine Entscheidung nicht, biete ich ihm an, den Fall mit dem gesamten Gericht auf einer unserer Tagungen zu besprechen, die drei- bis viermal im Jahr stattfinden", sagt Braun.

Was die Frage der Befangenheit angeht, so sieht er dieses Risiko gelassen: "Ich versuche neutral zu bleiben, sonst ist der Ruf schnell ruiniert. Wäre ein Vereinskollege betroffen, würde ich die Entscheidung an einen Gerichtskollegen abgeben."

Richter wird man nicht einfach so

Bis man als Skatspieler zum kleinen Kreis des siebenköpfigen deutschen Richterkollegiums gehört, ist der Weg lang und hart. Zunächst muss man Schiedsrichter werden. Von ihnen gibt es etwa tausend. Jeder wird auf Ebene der Verbandsgruppe, der dem Verein übergeordneten Organisationsstufe, von einem Obmann ausgebildet. Besteht er die entsprechende Prüfung, stehen Fortbildung und Prüfung auf Ebene des Landesverbandes an. Am Ende erfolgt wieder eine Prüfung. Diesmal durch das Skatgericht. Zudem muss jeder Schiedsrichter im Abstand von fünf Jahren eine Nachprüfung ablegen.

Will heißen, auf die dauerhafte Eignung deutscher Skat-Schiedsrichter wird genauer geachtet als auf diejenige deutscher Führerscheininhaber. Erst nach diesen Prüfungen kann man sich auf dem alle vier Jahre stattfindenden Skatkongress zur Wahl stellen, um ins Skatgericht aufgenommen zu werden.

Die Schiedsrichterausbildung erinnert nicht umsonst an die Qualitätsstandards, die DFB-Schiris zu erfüllen haben. Schließlich gibt es auch eine erste und zweite Skat-Bundesliga und Regionalligen, einen Pokalwettbewerb, eine Blindenmeisterschaft sowie drei verschiedene Meisterschaften in den drei Turnierarten Einzel, Tandem und Mannschaft sowie die Schüler- und Jugendwettbewerbe. Daneben gibt es auch die Unterteilung in Damen- und Herrenskat. 26.000 Menschen sind Mitglied in einem deutschen Skat-Verein.

Zitiervorschlag

Till Mattes, Gebe - höre - urteile: das Deutsche Skatgericht: Die Richter der Überreizten . In: Legal Tribune Online, 13.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19549/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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