Finanzmarkt: Der IKB Prozess führt nicht zum Kern der Krise

Prof. Dr. Christian Schröder

14.07.2010

Mit Stefan Ortseifen wurde erstmals der Vorstand einer Bank strafrechtlich für Handlungen vor und in der Finanzkrise zur Verantwortung gezogen. Wegen Untreue war Ortseifen jedoch nicht einmal angeklagt. Prof. Dr. Christian Schröder über den Prozess und die Ursachen einer Krise, deren auch strafrechtliche Aufarbeitung gerade erst begonnen hat.

Stefan Ortseifen, der frühere Vorstandvorsitzende der IKB, ist wegen einer so genannten Marktmanipulation (§§ 38 Abs. 2, 20a Abs. 1 WpHG) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie als Bewährungsauflage zur Zahlung von 100.000 Euro verurteilt worden.

Mit dieser Regelung wird die unlautere Einwirkung auf Börsen- oder Marktpreise unter Strafe gestellt. Dazu soll es gekommen sein, indem Ortseifen im Juni 2007 trotz der aufkeimenden Finanzkrise die Lage der IKB in einer Unternehmensmeldung als zu rosig schilderte und Risiken herunterspielte. Kurze Zeit später steuerte die Bank auf die Insolvenz zu, die nur durch das Eingreifen der Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewendet werden konnte.

Damit stand erstmals der Vorstand einer Bank wegen der Finanzkrise 2007 vor Gericht. Bei genauem Hinsehen drehte sich der Prozess aber nur um eine Blüte der Finanzkrise. Zu ihren Hauptursachen drang er hingegen nicht vor. Derer gibt es zwei und beide verlangen auch strafrechtlich nach Aufklärung.

Fragwürdige ABS-Verbriefungen in den USA

Die erste Ursache liegt in den USA und dem System der ABS (Asset Backed Securities)-Verbriefung. Ermittlungen des FBI nähren den Verdacht, dass zahlreiche hypothekenbesicherte Kreditforderungen von Anfang an zweifelhaft und teilweise sogar abschreibungsreif waren. Gleichwohl wurden auch solche Kredite in ABS-Anleihen verbrieft, die mit einem AAA-Rating (also einem solchen, das für höchste Bonität steht) versehen wurden. Das Kreditrisiko wurde an die Käufer der ABS-Anleihen weitergereicht.

Allein die Tatsache, dass AAA-Ratings gleich mehrere Ratingstufen herabstürzen konnten, verlangt nach Aufklärung. Schließlich haben Ratings die Funktion und geben vor, Risikoszenarien abzubilden bzw. Risikoeinschätzungen zu erleichtern.

Man sollte auch ansprechen, dass alle Protagonisten der Verbriefung viel Geld verdient haben. Die Kette beginnt bei der ursprünglich kreditgebenden Bank und reicht vom Makler über die Investmentbank, die die ABS-Verbriefung initiierte, bis hin zu den Rating-Agenturen, die von Beteiligten und damit aus dem System heraus für ihre Ratings bezahlt wurden. Auch beratende Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer verdienten gut.

Der ganze Vorgang wurde zur Geldmaschine. Diese war unfähig, sich selbst zu stoppen, und der Vorgang erhielt kriminogene Züge. Dieses Risiko ist auch nicht neu. Am Grauen Kapitalmarkt nennt man das "weiche Kosten". Es ist daher zu begrüßen, dass die amerikanische Börsenaufsicht SEC mit ihrer Klage gegen Goldman Sachs in das Epizentrum der Krise vordringt. Denn es geht in diesem Fall auch um den konkreten Verdacht, dass mit wertlosen Forderungen unterlegte ABS-Anleihen als werthaltig präsentiert und vertrieben wurden. Damit könnte die Schwelle zum betrügerischen Vertrieb überschritten worden sein.

Waghalsige ABS-Investitionen in Deutschland

Indes besteht nicht nur in den USA Anlass zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise. Auch in Deutschland gibt es dafür genügend Anhaltspunkte und der Fall IKB gehört dazu. Dabei geht es weniger um die Art und Weise der Verbriefung und es geht auch nicht um die Frage, ob man in ABS-Anleihen investieren durfte. Natürlich durfte man das. Grundsätzlich handelt es sich bei ABS-Anleihen nicht um Teufelswerk, sondern um eine moderne und sinnvolle Form der Forderungsverbriefung.

Den wunden Punkt bildet vielmehr die Art und Weise der Investition. Von einigen Banken wurden Risiken eingegangen, die man als unvertretbar bezeichnen kann. Die IKB gehört dazu.

Diese Banken kauften ABS in Zweckgesellschaften. Das dafür notwendige Geld besorgte man sich als kurzfristigen Kredit in Gestalt von Commercial-Papers, die zumeist eine Laufzeit von 60 bis 90 Tagen hatten und mittels derer eine Kreditaufnahme von ca. drei Prozent möglich war. Das aber nur, weil sich die hinter der Zweckgesellschaft stehende Bank die Rückzahlung der Commercial-Papers garantierte, denn an sich würde niemand einer unterkapitalisierten Zweckgesellschaft einen günstigen Kredit geben. Um den Kreditzins zu drücken, musste die Zweckgesellschaft als guter Schuldner gelten. Das gelang durch die Garantie, die in der Fachsprache der Bankenwelt auch als Liquiditätsfazilität bezeichnet wird.

Das so günstig aufgenommene Geld wurde in gigantischem Umfang in ABS-Anleihen gepumpt, die zum Beispiel acht oder neun Prozent Zinsen abwarfen. Das klingt nach einer Geldmaschine. In der Fachsprache der Finanzmärkte nennt man das Fristentransformation, die seit jeher als nicht ungefährlich gilt.

Wie die Geldmaschine Feuer fing

Diese Gefahr realisierte sich einmal mehr, denn die ABS-Geldmaschine lief heiß und fing Feuer. Als nämlich die Werthaltigkeit der ABS-Anleihen angezweifelt wurde, gab der Markt für Commercial-Papers den Zweckgesellschaften, die sich kurzfristig refinanziert hatten, kein frisches Geld mehr.

Nun rächte es sich, dass die hinter den Zweckgesellschaften stehenden Banken die Rückzahlung der kurzfristigen Kredite (Commercial-Papers) garantiert hatten. Sie mussten gleichsam das komplette ABS-Engagement selbst finanzieren, denn für die Refinanzierung stand kein Markt mehr zur Verfügung. Das überforderte einige Banken, die das Geschäft zu stark aufgebläht hatten.

Darin liegt zugleich einer der strafrechtlichen Vorwürfe. Zwar waren die schicksalhaften Garantien zur damaligen Zeit nicht mit Eigenkapital zu unterlegen. Allerdings ist es im Sinne des Straftatbestandes der Untreue (§ 266 StGB) pflichtwidrig, wenn riskante Geschäftsmodelle betrieben werden, die die Existenz einer Bank gefährden. Vieles spricht dafür, dass diese Grenze überschritten wurde.

Kein Untreuevorwurf im IKB-Prozess

Im IKB-Prozess allerdings hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf den Vorwurf der Untreue nicht erhoben. Auch wenn eine andere Entscheidung denkbar erscheint, wäre es falsch, über die Ermittler herzufallen. Eine Anklage darf ein Staatsanwalt nur dann erheben, wenn die Verurteilung des Täters bei Abschluss der Ermittlungen als wahrscheinlich erscheint.

Teil dieser Prognoseentscheidung ist auch die Frage, ob man einem Täter vorsätzliches Handeln vorwerfen kann. Exakt an dieser Stelle sitzt der neuralgische Punkt. Die Untreue verlangt eben vorsätzliches Handeln.

Stefan Ortseifen hätte nachgewiesen werden müssen, dass er zumindest die Möglichkeit einer Existenzgefährdung seiner Bank erkannt und das billigend in Kauf genommen hat. Die Würdigung dessen ist Sache der dazu berufenen Richter und Staatsanwälte. Man muss die Entscheidung der Düsseldorfer Staatsanwälte nicht teilen, sie ist aber vertretbar.

Der Fall IKB ist nicht das Ende

Andere Staatsanwaltschaften ermitteln in vergleichbaren Fällen und könnten die Frage vorsätzlichen Handelns durchaus anders beurteilen. Die Strafverfolgungsbehörden sind dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Sie müssen bei so genannten Offizialdelikten, zu denen die in Rede stehenden Fälle der Untreue gehören, von Amts wegen ermitteln. Von diesen rechtsstaatlichen Grundsätzen sind keine Abstriche zu machen.

Jeder Geschäftsführer einer GmbH, der sich der Insolvenzverschleppung schuldig macht, muss sich strafrechtlich verantworten. Allein die Komplexität der Fälle und der Umstand, dass uns die Finanzkrise doch nicht in den Abgrund gerissen hat, bilden keinen Grund, um von diesen strafprozessualen Grundsätzen abzurücken. Vor diesem Hintergrund ist zu begrüßen, dass sich weitere Staatsanwaltschaften darum bemühen, Licht in das Dunkel zu bringen.

Die Finanzkrise war eine Vertrauenskrise. Auf Vertrauen seiner Bürger ist auch der Rechtsstaat angewiesen. Er könnte an Vertrauen verlieren, wenn Akten vorschnell geschlossen werden würden. Dass dabei das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip (keine Strafe ohne Gesetz) und strafverfahrensrechtliche Schutzrechte auch für Bankvorstände uneingeschränkt gelten, versteht sich von selbst.

Der Autor Prof. Dr. Christian Schröder hat einen Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Frage der strafrechtlichen Haftung von Bankvorständen infolge der Finanzkrise hat Schröder umfassend in der zweiten, im Frühjahr 2010 erschienenen Auflage seines "Handbuchs Kapitalmarktstrafrecht" dargestellt.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Christian Schröder, Finanzmarkt: Der IKB Prozess führt nicht zum Kern der Krise . In: Legal Tribune Online, 14.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/967/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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