Die juristische Presseschau vom 1. Februar 2012: Zwangsverrentung vor Gericht – Luxusschmaus und Untreue – Lesestunde für Karlsruhe

01.02.2012

Während Gewerkschaften gegen die Rente mit 67 zu Felde ziehen, streitet ein 75-jähriger für seinen Verbleib im Beruf. Seine Gegnerin: Die Münchner Industrie- und Handelskammer. Außerdem in der Presseschau Auftakt im saarländischen Untreue-Prozess, Großkanzleien und Work-Live-Balance, Fernsehen im Supreme Court – und was passiert, wenn sich Verfassungsrichter verlesen.

Arbeiten mit 75: Heute verhandelt das Bundesverwaltungsgericht die Klage eines 75-jährigen, der weiter als öffentlich vereidigter Sachverständiger arbeiten will. Gegen den Willen der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern, die ihn wegen seines Alters vor vier Jahren in Rente schickte. Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet vorab von dem erneuten Prozess beim höchsten deutschen Verwaltungsgericht – eine frühere Entscheidung gegen den Kläger hatte das Bundesverfassungsgericht zuvor aufgehoben. Hintergrund sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Altersdiskriminierung.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Insolvenzrecht für Staaten: Der Berliner Insolvenzrechtler Christoph Paulus stellt auf lto.de vor, wie das Insolvenzrecht als Vorbild für die Lösung der Schuldenkrise dienen könnte. Man müsse "nur den Juristen das Feld überlassen" – und ein für Entschuldungsverfahren zuständiges "Resolvenzgericht" gründen.

EU-Datenschutzrecht: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ setzen sich Silvia C. Bauer und Robert von Steinau-Steinrück mit der geplanten EU-Datenschutzverordnung auseinander. Dieses "schärfste Mittel" der EU-Gesetzgebung sorge dafür, dass das Bundesverfassungsgericht künftig beim Datenschutz "kaum noch etwas zu melden" hätte. Zuständig sei dann der Europäische Gerichtshof.

Weitere Themen – Justiz

Auf ewig Kommunistin: Der Bundesgerichtshof hat die Klage einer Frau abgewiesen, die in den 1970er Jahren der "AG Frauen" und der so genannten Frauenleitung des "Kommunistischen Bundes" angehört hatte und dies in einem 2009 veröffentlichten Artikel auf Spiegel Online nicht mehr erwähnt wissen wollte. Wer eine Funktion in einem leitenden Gremium einer Partei oder Organisation innegehabt habe, müsse das dann regelmäßig überwiegende Berichterstattungsinteresse auch mit Bezug auf die Vergangenheit dulden, so internet-law.de (Thomas Stadler) über das Urteil.

Luxusschmaus auf Stiftungskosten: Vom Beginn der Hauptverhandlung gegen Ralph Melcher vor dem Saarbrücker Landgericht berichtet die FAZ (Thomas Holl). Dem Ex-Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz werde Untreue und Vorteilsnahme vorgeworfen. Unter anderem habe er einen von ihm berufenen Projektleiter auf Kosten der Stiftung mehr als 40 mal zu Luxusessen eingeladen.

Patentstreits: Im Streit um das "Galaxy Tab" von Samsung hat das US-Unternehmen Apple die Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gewonnen. Wegen wettbewerbsrechtlich unzulässiger "unlauterer Rufausnutzung" bleibe das Vertriebsverbot für den Tablet-Computer in Deutschland bestehen, berichtet neben der FAZ (Caroline Freisfeld/Michael Stabenow) auch lawblog.de (Udo Vetter). Eine Geschmacksmuster-Verletzung habe das Gericht im Gegensatz zur Vorinstanz aber nicht zu erkennen vermocht.

Derweil knöpft sich nach einem Bericht der FTD (Mark Schrörs/Nora Schlüter) nun auch die EU-Kommission Samsung vor: Wegen angeblicher Wettbewerbsvezerrung auf dem Mobilfunkmarkt.

Prospekthaftung: Mit der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur erweiterten Prospekthaftung beschäftigt sich Joachim Jahn auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ. Ausgehend von der BGH-Entscheidung zur Fonds-Werbung durch Rupert Scholz erläutert er die jüngere Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt im Prozess gegen den Schauspieler Manfred Krug. Nach Auffassung des OLG hafte dieser nicht wegen seiner Werbung für die Telekom-Aktie, weil er anders als Scholz keinen "Sachverstand für sich in Anspruch genommen" habe.

Liga Total: Das Fußballübertragungsangebot "Liga Total" der deutschen Telekom könnte in den Augen des Mainzer Medienrechtlers Dieter Dörr gegen § 20a des Rundfunkstaatsvertrags und den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks verstoßen. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt sieht er insbesondere aufgrund der erheblichen Beteiligung des Bundes an der Telekom AG "Indizien" für diese Annahme.

Professorenbesoldung: In einem Gastbeitrag für den "Forschung und Lehre"-Teil der FAZ beschäftigt sich der Historiker Dietmar Klenke im Vorfeld der dazu für den 14. Februar erwarteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit der 2002 erfolgten Novellierung der Professorenbesoldung und dem Spannungsverhältnis von Wissenschaftsfreiheit und Leistungskontrollen.

Elektronische Fußfessel: In einer ausführlichen Reportage dokumentiert die FR (Sebastian Stoll) den Alltag eines "elektronisch fußgefesselten" Probanden des entsprechenden baden-württembergischen Pilotprojekts für den Justizvollzug.

BAG-Bilanz: Die Jahresbilanz des Bundesarbeitsgerichts von 2011 fasst lto.de zusammen. Es habe die größte Zahl von Eingängen seit seiner Gründung verzeichnet.

WLB bei M&A: Mit dem Einzug der "Work Life Balance" in Großkanzleien beschäftigt sich heute Constantin van Lijnden auf lto.de. Und meint, dass der Status Quo von der "frühlingshaften Auf- und Umbruchsstimmung" der Studie "The Next Generation Law Firm" noch "weit entfernt" sei.

Mediation: Im Feuilleton der FAZ setzt sich Christian Geyer etwas spöttisch und durchweg kritisch mit dem voraussichtlich bald in Kraft tretenden Mediationsgesetz auseinander. Es fordere viel, halte wenig – aber schaffe einen Markt für Mediatoren. Und die hätten nichts weniger als eine "soziale Utopie" im Gepäck.

Juristisches Bloggen: Mit dem "Verfassungsblog", seinen Autoren und warum diese sich mit Rücksicht auf die deutsche Staatsrechtswissenschaft nicht "Blogger" nennen, beschäftigt sich ein kurzes Porträt im "Forschung und Lehre"-Teil der FAZ (Katja Gelinsky).

Weitere Themen – Recht in der Welt

Völkermord-Leugnung: Mehr als 140 Parlamentarier haben in Frankreich Klage gegen das Gesetz erhoben, das die Leugnung von Völkermorden unter Strafe stellt. Nun müsse der französische Verfassungsrat entscheiden, ob das Verbot mit der Meinungsfreiheit vereinbar und die Strafe verhältnismäßig sei, berichtet die taz (Rudolf Balmer).

Garzón-Verfahren: In einem scharfen Kommentar greift Reiner Wandler (taz) das "skandalöse Verfahren" gegen den spanischen Ermittlungsrichter Baltasar Garzón an und diagnostiziert eine Weigerung Spaniens, die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Dass dieser Prozess überhaupt stattfinde, zeige "die lange Wegstrecke, die die spanische Gesellschaft zu einem funktionierenden Rechtsstaat noch vor sich" habe.

Supreme Court-Fernsehen: Den Streit um TV-Live-Übertragungen aus dem U.S. Supreme Court beleuchtet Katja Gelinsky auf der "Medien"-Seite der FAZ.

Das Letzte zum Schluss

Verlesen: Der Blog De lege lata (Roman Kaiser) gibt dem Bundesverfassungsgericht eine Lesestunde. Dieses habe in einem Beschluss angenommen, das Oberlandesgericht Frankfurt habe ein Elternteil per Urteil zu einer psychiatrischen Therapie verpflichten wollen – und das ohne gesetzliche Grundlage. Juristisch soweit korrekt, eine solche Grundlage gebe es tatsächlich nicht – ein solches Urteil des OLG aber auch nicht. In dem sei es nämlich um die Fortführung der Therapie der Tochter gegangen.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Februar 2012: Zwangsverrentung vor Gericht – Luxusschmaus und Untreue – Lesestunde für Karlsruhe . In: Legal Tribune Online, 01.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5458/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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