Weihnachtsmann gesucht: Der liebe Gott und das AGG

Nach über 2000 Jahren ist der Weihnachtsmann in den Ruhestand getreten. Der liebe Gott sucht daher Nachfolger. Als er für jedes Land eine Stellenanzeige verfassen will, hört er, dass in Deutschland die Political Correctness zur Rechtspflicht erhoben wurde. Weil er im Himmel keinen Anwalt findet, bittet er den Teufel um Amtshilfe. Ein Weihnachtsmärchen von Arnd Diringer.

In der Stellenanzeige heißt es: "Der Himmel sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens zum 24.12.2011, einen neuen Weihnachtsmann. (…) Erwartet werden perfekte Deutschkenntnisse in Wort und Schrift. Bewerber müssen einer christlichen Konfession angehören und bereit sein, sich aktiv für die Verkündung der frohen Botschaft einzusetzen. (…) Bewerbungen können bei unserem HR (Heaven Resource) Manager Petrus an der himmlischen Pforte abgegeben oder per Luftpost gesandt werden."

Nachdem teuflische Juristen die Anzeige geprüft haben, antwortet der Herr der Hölle auf die Anfrage:

Ach Du lieber Gott! Da haben wir uns so viel Mühe gegeben und Dir scheint das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) völlig unbekannt zu sein. Dabei stinkt dieses Gesetz doch nun wahrlich zum Himmel!

Oder glaubst Du, nur weil einige Rechtswissenschaftler vor der "Tugendrepublik der neuen Jakobiner" (Säcker, ZRP 2002, 286) warnen, feststellen "Deutschland wird wieder totalitär" (Braun, JuS 2002, 424) und das AGG als ein "verfassungswidriges Monstrum" (Philipp, NVwZ 2006, 1235) bezeichnen, brauchst Du Dich nicht an solche Vorgaben zu halten? Dabei hat doch schon Adomeit (NJW 2006, 2169) festgestellt: "Political Correctness - jetzt Rechtspflicht".

Ein höllisches Gutachten

Ich erklär Dir das mal. "Mann" geht schon mal gar nicht! Dass das eine Geschlechtsdiskriminierung ist, bedarf wohl keiner Erklärung. Was spricht denn gegen eine Weihnachtsfrau? Gerade die Jungs dürften sich ohnehin erheblich mehr über den Besuch einer feschen Maid freuen als über den eines pummeligen alten Mannes.

Und komm mir jetzt bitte nicht mit der historischen Wahrheit. Es ist ohnehin nicht klar, auf wen die Person des Weihnachtsmanns zurückgeht. Ich glaube ja, er stammt aus der Coca-Cola-Werbung. Jedenfalls würde ihn ohne diese Werbung heute kein Mensch mehr kennen.

Wie dem auch sei, Deine Gläubigen nehmen es mit der historischen Wahrheit ja auch sonst nicht so genau. Oder kennst Du etwa die "Bibel in gerechter Sprache" nicht? Dort eilen "Hirtinnen und Hirten" herbei, als das "Kind Gottes" (von wegen Du hast einen Sohn!) geboren wird, es scharrt "Jüngerinnen und Jünger" um sich, diskutiert mit "Pharisäerinnen und Pharisäern" und betet das "Vater und Mutterunser". Wie schrieb der Spiegel so schön: "Das aktuelle Antidiskriminierungsgesetz soll bis ins Gelobte Land zurück verlängert werden". Gut so! Zumal ich auch in einer feministischen Bibelfassung sicherlich weiterhin ein Mann bleibe.

Christlich geht ja gar nicht!

Dass die Bewerber Christen sein sollen, halte ich auch für zu viel verlangt. So hat zum Beispiel das Arbeitsgericht Hamburg (Urt. v. 04.12.2007, Az. 20 Ca 105/07) entschieden, dass es gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG verstößt und einen Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 AGG begründet, wenn das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche eine muslimische Bewerberin nicht berücksichtigt.

Oder hast Du wirklich geglaubt, dass die Kirchen einfach selbst bestimmen könnten, wer für sie arbeitet? Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften mag nach langem Ringen in § 9 des AGG Eingang gefunden haben und ist durch Art. 4 GG, 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV verfassungsrechtlich gewährleistet. Aber irgendwie geht es mir wie Ronald Pofalla, wenn mich jemand auf das Grundgesetz hinweist: "Ich kann (diesen) Scheiß nicht mehr hören".

Und zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Rahmen des AGG hat ja bereits die frühere Justizministerin Brigitte Zypries die passenden Worte gefunden: "Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen geht mir am A… vorbei". Ich hätte es nicht schöner formulieren können.

Aber keine Angst: Die oben genannte Klage der muslimischen Bewerberin ist schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 19. 8. 2010 - 8 AZR 466/09) gescheitert. Allerdings nur, weil sie als Reiseverkehrsfrau nicht über das nach dem Stellenprofil notwendige Studium der Sozialwissenschaft oder Sozialpädagogik verfügte – eine Kleinigkeit, die dem Arbeitsgericht Hamburg nicht wirklich wichtig erschien.

Auch die Gerichte nix deutsch

Die Sache mit den Sprachkenntnissen finde ich auch nicht gut. Schließlich leben wir in der "bunten Republik Deutschland" - sagt jedenfalls unser Buntepräsident Wulff.

Wie die Gerichte diese Anforderung einschätzen, lässt sich allerdings kaum vorhersagen. Zwar hat das BAG kürzlich entschieden, dass die Aufforderung an eine seit 25 Jahren in Deutschland lebende Mitarbeiterin, endlich Deutsch zu lernen, keine Belästigung (§ 3 Abs. 3 AGG) darstellt. Die Instanzgerichte sehen das aber oft kritischer.

Vielleicht sind sie dabei aber auch durch ihre eigenen sprachlichen Schwächen geprägt. Dabei ist "die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift", wie das BAG zutreffend ausführt, "von einer Rasse oder Ethnie unabhängig" (Urt. v. 22.06.2011, Az. 8 AZR 48/10).

So hat zum Beispiel das Arbeitsgericht Berlin (Urt. v. 11.02.2009, Az. 55 Ca 16952/08) entschieden, dass die Absage an eine Bewerberin mit der Begründung, dass sie "keine deutsche Muttersprachlerin" ist, eine Indiztatsache für eine Diskriminierung sei. Wörtlich führte das Gericht dann im zweiten Leitsatz aus: "Dies gilt auch dann, sind perfekte Deutschkenntnisse in Wort und Schrift zwingende Voraussetzung für die Besetzung der Stelle."

Du siehst, lieber Gott, man kann sogar Richter werden, ohne die deutsche Sprache richtig zu beherrschen. Warum also nicht Weihnachtsmann?

Was richtig ist, bestimmt der Staat!

Und komm mir jetzt bitte nicht mit der verfassungsrechtlich gewährleisten Privatautonomie, die es jedem freistellt, mit wem er Rechtsbeziehungen eingehen will und mit wem nicht, welchen Inhalt diese haben sollen und welche Inhalte nicht gewollt sind. Das würde ja bedeuten, dass die Menschen selbst über ihr Leben bestimmen, gar ihre Persönlichkeit frei entfalten könnten. Genau davor möchte uns doch der Gesetzgeber bewahren.

Deshalb weist er in der Gesetzesbegründung zum AGG auch nachdrücklich auf die Probleme mit dem durch "Verträge in privater Selbstbestimmung gesetzte(n) private(n) Recht" hin: "Bei den hiermit verbundenen Unterscheidungen (…) kann es sich allerdings teilweise auch um sozial verwerfliche Diskriminierungen handeln", die "als unerwünscht gelten können"(BT-Drucks. 16/1780, S. 22).

Genau! Und was sozial verwerflich ist und was als unerwünscht gilt, bestimmt ja wohl auch bei privaten Rechtsbeziehungen immer noch der Staat. Alles andere wäre mit Art. 1 und 20 GG vereinbar. Und das geht nun wirklich nicht.

By the way: Wenn Ihr im Himmel so weitermacht, bekommt Ihr bald Probleme mit ADS. Und zwar nicht im Sinne einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung, sondern der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Dass diese sich auch die Abkürzung ADS gegeben hat, ist bloßer Zufall – oder auch nicht. Jedenfalls helfen gegen diese ADS keine Medikamente.

Mit höllischem Gruß

Diabolus, advocatus

Der Autor Prof. Dr. Arnd Diringer lehrt an der Hochschule Ludwigsburg und leitet dort die Forschungsstelle für Personal und Arbeitsrecht.

 

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Zitiervorschlag

Arnd Diringer, Weihnachtsmann gesucht: Der liebe Gott und das AGG . In: Legal Tribune Online, 10.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5070/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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