Die juristische Presseschau vom 23. November 2011: Klage gegen Handelsblatt – SPD pokert um Verfassungsrichter – Kein Kindergeld für entführte Kinder

23.11.2011

Ein reicher Adeliger wurde vom Handelsblatt wohl etwas vorschnell als Steuersünder an den Pranger gestellt. Jetzt klagt er auf deftigen Schadensersatz. Außerdem in der heutigen Presseschau: das Ringen um neue Verfassungsrichter, die kindergeldrechtlichen Folgen einer Entführung und vieles andere.

Persönlichkeitsrecht: Der frühere Bankier August von Finck verklagt das Handelsblatt und dessen Chefredakteur Gabor Steingart. Das berichten spiegel.de und SZ (Christopher Keil/Katharina Riehl). Von Finck fordere unter anderem Schadensersatz in Höhe von 15,25 Millionen Euro, weil das Handelsblatt Mitte Oktober den Eindruck erweckt habe, bei ihm persönlich sei eine Hausdurchsuchung wegen Steuerdelikten durchgeführt worden. Zwar habe das Handelsblatt im Artikel korrekt erwähnt, dass die Durchsuchung nur bei einer Firma stattfand, an der er mittelbar beteiligt ist, doch die Überschrift "Razzia bei Baron von Finck“ sei verleumderisch gewesen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Verfassungsrichter-Wahlen: Nach Darstellung der FTD (Ulrike Sosalla/Thomas Steinmann/Claudia Kade) versucht die SPD ihre Zustimmung zur Wahl von Peter Müller teuer zu verkaufen. In der Union gebe es deshalb Überlegungen „den Chefposten des Bundesrechnungshofs, des Bundeskriminalamts oder der RAG-Stiftung durch einen Sozialdemokraten besetzen zu lassen.' Die Wahl findet am Freitag im Bundesrat statt. Neben Müller soll, ebenfalls auf Vorschlag der CDU/CSU, die Vorsitzende BGH-Richterin Sibylle Kessal-Wulf  ans Bundesverfassungsgericht berufen werden, berichtet die taz (Christian Rath).

Arbeitnehmer-Datenschutz: In einem FAZ-Gastbeitrag kritisiert Telekom-Compliance-Vorstand Manfred Balz den Regierungsentwurf für eine Regelung des Datenschutzes in Unternehmen. Er versuche zu kleinteilig, alle denkbaren Konstellationen zu normieren. Balz befürchtet, "dass das datenschutzrechtlich gerade noch Erlaubte [bald] zugleich das aktienrechtlich Gebotene sei." Er plädiert deshalb, im Interesse des Datenschutzes auf das geplante Gesetz zu verzichten.

Anwaltsgebühren: blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer) gibt einen kurzen Überblick über den Referentenentwurf für das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz.

Weitere Themen – Justiz

EuGH zu Urlaubsansprüchen:  Dauerhaft erkrankte Beschäftigte können nicht unbegrenzt Urlaubsansprüche ansammeln. Über ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs berichtet die FAZ (Caroline Freisfeld). Im konkreten Fall hielt der EuGH eine 15-monatige tarifvertragliche Verfallsfrist für zulässig.

BGH zu Promi-Werbung: Die FTD stellt ein unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs vor, das die Haftung für gescheiterte Kapitalanlagen verschärft. Wenn vermeintlich sachkundige Prominente in Interviews ein Anlageprodukt empfehlen, müssen sie eventuell für Fehler haften, wenn das Interview dem eigentlichen Emissionsprospekt als Begleitmaterial beigefügt war. Betroffen sei unter anderem der ehemalige Verteidigungsminister und Rechtsprofessor Rupert Scholz.

BAG zu Anwalts-Überstunden: Laut FAZ (Joachim Jahn) liegt jetzt die Begründung eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts aus dem September vor. Dort war der Anspruch angesteller Anwälte auf die Bezahlung von Überstunden abgelehnt worden. Zu Begründung heiße es jetzt, es gebe gerade bei Diensten höherer Art keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeit zu entlohnen sei.

Erbschaftssteuer beim BFH: In einem Interview mit der FTD (Mareeke Buttjer) warnt der Anwalt Björn Demuth vor großen Hoffnungen in das Verfahren beim Bundesfinanzhof und eine mögliche Vorlage beim Bundesverfassungsgericht. Wenn am Ende das Gesetz wegen Verletzung des Gleichheitssatzes für verfassungswidrig erklärt werde, könnte der Gesetzgeber es aus fiskalischen Gründen sogar verschärfen.

Steuermindernde Prozesskosten: Der Anwalt Michael Streck greift in einem FAZ-Beitrag ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Juli auf. Dort wurden Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Streck überträgt das Urteil auf Steuerprozesse und hält selbst aussichtslose Klagen für gerechtfertigt, weil eine zwischenzeitliche Änderung der Rechtsprechung in anderen Fragen dem Kläger zugute kommen könne.

OLG Düsseldorf zu Vergaberecht: Im Handelsblatt-Rechtsboard stellt Rechtsanwalt Holger Schröder ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem August vor. Danach seien sämtliche vom öffentlichen Auftraggeber verlangten Nachweise in einer den Vergabeunterlagen beizufügenden und für die Bieter als Checkliste verwendbaren Aufstellung aufzuführen.

Kindergeld für entführte Kinder: lto.de berichtet über ein Urteil des Finanzgerichts Kassel. Danach könne eine Mutter für Kinder, die vom Vater ins Ausland entführt wurden, kein Kindergeld beanspruchen, wenn diese nicht binnen sechs Monaten nach Deutschland zurückkehren. Im konkreten Fall waren die Kinder schon acht Jahre außer Landes.

VG Köln zu Piraten: Der Wissenschaftler Tim René Salomon analysiert auf lto.de ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Köln. Danach können mutmaßliche Piraten, die von deutschen Marineschiffen aufgegriffen wurden, nicht mehr an die kenianische Justiz überstellt werden, weil dortige Haftbedingungen nicht menschenrechtlichen Mindeststandards entsprechen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

 

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. November 2011: Klage gegen Handelsblatt – SPD pokert um Verfassungsrichter – Kein Kindergeld für entführte Kinder . In: Legal Tribune Online, 23.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4872/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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