Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. Oktober: Verfassungswidrig: Bundestrojaner – Verbessert: Rechtsschutz – Vertrackt: Wahrheitsfindung

10.10.2011

Staatliche Überwachung ohne Rücksicht auf das Grundgesetz - der gehackte Bundestrojaner sorgt für Aufruhr und viel Kritik in den Medien. Außerdem in der Presseschau: halbherzig verbesserter Rechtsschutz, schwierige Wahrheitsfindung vor Gericht, ein mongolischer Geheimagent, verfassungsrichterliche Lektüre und vieles andere.

Bundestrojaner: Der Chaos Computer Club wirft den staatlichen Ermittlungsbehörden massive Verfassungsverstöße beim Einsatz von Überwachungssoftware vor. Der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), Frank Rieger, erläutert den Fund in einem Gastbeitrag für die FAS. Darin heißt es, es sei wohl "das erste Mal, dass, entgegen dem expliziten Votum aus Karlsruhe, systematisch eine heimliche Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten in den klar illegalen Bereich vorgenommen und auch noch die Öffentlichkeit darüber irregeleitet wurde".

Die Montags-taz (Falk Lueke und Christian Rath) fasst die Vorwürfe des CCC zusammen und erklärt, inwiefern die jeweiligen Funktionen des Bundestrojaners gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen.

Das 2008 ergangene Urteil, in dem die Verfassungsrichter das Grundrecht auf "Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" prägten, analysiert Reinhard Müller in der FAS.

Die Montags-FAZ (Reinhard Müller) führt ein Interview mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem. Darin betont er: "Das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit bliebe lückenhaft, wenn nicht auch die Integrität und Vertraulichkeit des informationstechnischen Systems selbst geschützt wäre."

Frank Schirrmacher (FAS) fragt in seinem Kommentar: "Welche Beweiskraft sollen Erkenntnisse der Überwachungssoftware jetzt eigentlich in Gerichtsverfahren noch haben?"

Weitere Themen – Rechtspolitik

Verbesserter Rechtsschutz: Der Bundestag hat am Freitag ein Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren beschlossen. Die Rechtsanwältin Vanessa Pickenpack erklärt auf lto.de das Gesetz und die vorangegangene Rüge des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Es sei allerdings nur eine "halbherzige Lösung".

Krise und Rechtsstaat: Im Feuilleton der Samstags-FAZ fordert der Verfassungs- und Steuerrechtler Paul Kirchhof angesichts der Wirtschaftskrise umfassende Reformen. Es müsse ein "Mehr an Recht durch weniger Gesetze" geben.

Weitere Themen - Justiz

Wahrheitsfindung: Anlässlich des umstrittenen Amanda-Knox-Falls widmet sich die Samstags-SZ auf einer Themenseite der Frage der gerichtlichen Wahrheitsfindung. Heribert Prantl beschreibt den "Triumph des Sachbeweises" und seine Grenzen. Hans Holzhaider stellt Kriminalfälle vor, bei denen sich Zeugenaussagen im Nachhinein als völlig falsch erwiesen. Wolfgang Janisch richtet den Blick auf die Hinterbliebenen bei Mordfällen und ihren Wunsch nach Aufklärung.

Mongolischer Geheimagent: Nach einem Bericht der Samstags-FAZ (Peter Carstens) hat der Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen einen mongolischen Geheimagenten aufgehoben, der daraufhin kurz vor der geplanten Mongolei-Reise der Bundeskanzlerin die Bundesrepublik verlassen hat. Die Bundesanwaltschaft hatte Anklage erhoben, weil der ehemalige Diplomat an der Verschleppung eines Mongolen in Frankreich beteiligt gewesen sein soll. Der Spiegel schildert die Hintergründe des Falls und sieht einen "Grabenkrieg zwischen dem für Staatsschutzsachen zuständigen Senat und der Bundesanwaltschaft".

Deutsche Post: Konkurrenten der Deutschen Post wollen gerichtlich gegen die Bundesnetzagentur vorgehen. Die soll Großkundenrabatte der Post überprüfen. Die Samstags-FAZ (Helmut Bünder) erläutert den Hintergrund des Streits.

Kachelmann Freispruch: Nachdem die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin die Revision zurück gezogen haben, ist der Freispruch für Jörg Kachelmann nun rechtskräftig. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet.

Reemtsma-Entführer: Thomas Drach, der Entführer des Millionärs Jan Philip Reemtsma muss erneut vor Gericht. Wie welt.de (Julia Ranniko) berichtet, wird ihm versuchte Anstiftung zur räuberischen Erpressung vorgeworfen, weil er aus der Haft heraus die Entführung seines Bruders geplant haben soll.

RAF-Prozess: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) schildert die Aussage von Winfried Ridder, früher Referatsleiter für Terrorabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz, im Prozess gegen Verena Becker. Demnach bestätigte Ridder den Inhalt einer angeblichen Aussage Beckers gegenüber dem Verfassungsschutz, nicht jedoch die Quelle dieser Informationen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Samsung vs. Apple: Der Computerhersteller Samsung hat vor einem niederländischen Gericht Klage gegen den Konkurrenten Apple erhoben. Dieser hatte zuvor unter anderem in Deutschland eine einstweilige Verfügung erwirkt, die Samsung den Verkauf seines Tablet-Computers verbietet. Die Montags-FAZ (Caroline Freisfeld) erklärt den Hintergrund des Streits und die möglichen Folgen für die IT-Branche.

Weitere Themen – Sonstiges

Juristische Literatur: In der Literaturbeilage der Samstags-FAZ geht es auch um juristische Neuerscheinungen, gelesen von zwei ehemaligen Verfassungsrichtern: Winfried Hassemer bespricht "Medien der Rechtsprechung" von Cornelia Vismann und Ernst-Wolfgang Böckenförde "Auslaufmodell Menschenwürde?" von Heiner Bielefeldt.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. Oktober: Verfassungswidrig: Bundestrojaner – Verbessert: Rechtsschutz – Vertrackt: Wahrheitsfindung . In: Legal Tribune Online, 10.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4503/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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