Währungsverdruss: Die Krise ist keine Eurokrise

Kaum ein Tag verging in den letzten Wochen, ohne dass mindestens eine Zeitung fragte, wie lange der Euro noch überlebt. Dabei sind die aktuellen Schwierigkeiten in ganz Europa keine direkten Folgen des Euro, meint Dr. Alexander Thiele, der ein institutionalisiertes Staatsinsolvenzrecht fordert. Ein Plädoyer für unsere unterschätzte Währung.

Der Währung kommen in einer Volkswirtschaft regelmäßig drei Funktionen zu: sie ist Tausch- und Recheneinheit und dient daneben vor allem als Wertaufbewahrungsmittel. Diese letzte Funktion ist von überragender Bedeutung: Nur wenn sichergestellt ist, dass die Währung nicht kurzfristig bedeutend an Wert verliert, eignet sie sich überhaupt als Tauschmittel.

Das erklärt, warum auch die Politik der Zentralbanken primär darauf gerichtet ist, die Preisstabilität und damit den Binnenwert der Währung zu sichern. Für die Europäische Zentralbank (EZB) ist dies in Art. 127 des AEU-Vertrages ausdrücklich als vorrangiges Ziel festgelegt. Sie hat diese Aufgabe in ihrem ersten Jahrzehnt ganz hervorragend gemeistert – übrigens mit besseren Ergebnissen als die in dieser Hinsicht immer wieder glorifizierte Bundesbank.

Schaut man sich die Entwicklung der Binneninflation an, zeigt sich, dass diese nur Mitte des Jahres 2008 etwas nach oben ausschlug, gegenwärtig einen Wert von 1,9 Prozent erreicht und damit praktisch exakt dem von der EZB angestrebten Wert von "unter, aber nahe bei 2 Prozent" entspricht.

Binneninflation und Außenwert: Bisher keineswegs krisenhaft

Aktuell wird ein gewisses Inflationsrisiko zwar darin gesehen, dass die EZB erstmals Staatsanleihen erworben und damit die Geldmenge erhöht hat. Bisher ist das allerdings allenfalls eine diffuse Gefahr, die jedenfalls den Begriff der Währungskrise nicht rechtfertigt - zumal die amerikanische Zentralbank in dieser Hinsicht sehr viel stärker aktiv geworden ist.

Aber auch der Außenwert des Euro – für das Bestehen einer Währungsunion ohnehin sehr viel weniger entscheidend als der Binnenwert – hat sich seit der Griechenland-Krise keineswegs krisenhaft verhalten. Im Zusammenhang mit den Finanzierungsproblemen Griechenlands fiel er zwar tatsächlich, allerdings längst nicht in dem Maße, wie es in der Öffentlichkeit suggeriert wurde.
Der Ausgabewert wurde nicht einmal annähernd erreicht, die Abwertung setzte zudem bereits vor der Krise ein und hing mit dieser zunächst einmal nicht direkt zusammen. Mittlerweile steigt der Wert des Euro denn auch wieder und liegt aktuell bei soliden 1,35 Dollar.

Die aktuellen Krisen sind keine unmittelbare Folge des Euro

Es ist also wenig verwunderlich, dass auch die gegenwärtigen Krisen mit dem Euro als solchem nicht unmittelbar zusammenhängen, und zudem ganz unterschiedliche Ursachen haben. So hat Griechenland schlicht seit Jahren über seine Verhältnisse gelebt, die Wirtschaft leidet zudem unter ganz massiven strukturellen Defiziten.

Spanien hat seine Wirtschaft viel zu sehr auf den Immobilienboom fokussiert und wurde von dessen Zusammenbruch dadurch sehr viel härter getroffen als andere Staaten. Irland schließlich wurde auf fast schon klassische Art Opfer der Finanzkrise. Die grüne Insel war letztlich nicht in der Lage, die angeschlagenen Banken aus eigener Kraft zu retten. Nicht anders erging es übrigens auch Island und Ungarn, die ebenfalls "gerettet" werden mussten, obwohl sie nicht Mitglieder der Eurozone sind.

Staatsschulden- und keine Eurokrise

Was wir gegenwärtig erleben, ist also keineswegs eine Währungs-, sondern vielmehr eine Staatsschuldenkrise. Eine solche hat es übrigens in praktisch allen modernen Staaten (nicht zuletzt in Deutschland) bereits gegeben. Einzige Ausnahme sind die USA.

Zu einer Währungskrise wird eine Staatsschuldenkrise aber nur dann, wenn sie durch das Anwerfen der Druckerpresse behoben werden soll. Das würde die EZB jedoch nicht zulassen. Und auch durch den Ankauf der Staatsanleihen wurden solche Maßnahmen nicht eingeleitet.

Auch die staatlichen Rettungspakete wurden daher keineswegs zur Rettung des Euro geschnürt, sondern dienten der Stützung des europäischen Bankensystems. Die Finanzhäuser hatten massiv in die betroffenen Staatspapiere investiert. Das offen auszusprechen hätte übrigens auch durchaus bares Geld sparen können: Anstatt pauschal alle Gläubiger zu entlasten, hätte man die staatlichen Garantien auf die von europäischen Banken gehaltenen Papiere begrenzen können. Mit den bisher bereit gestellten Mitteln wären dann auch die Papiere Spaniens, Italiens und Portugals ohne Weiteres zu garantieren gewesen.

Immerhin: Der Euro ist an dieser Krise gleichwohl nicht gänzlich unschuldig. So hat er zum einen das Schuldenmachen für die Krisenstaaten erleichtert, als der Zinssatz für Staatsanleihen stark fiel, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik jedoch nicht eingeführt wurde. Zum anderen erschwert er jetzt die erforderliche Krisenbewältigung insofern, als er einer Abwertung einzelner Währungen zwangsläufig entgegensteht.

Staatsinsolvenzrecht statt Abschaffung des Euros

Was ist also zu tun? Zum einen ist es sicher richtig, dass die Einführung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zwingend erscheint, um das künftige Schuldenmachen zu kontrollieren. Dieses strukturelle Defizit der Währungsunion muss beseitigt werden. Auch die Auflösung der Währungsunion erweist sich zwar als Option, um die Krisenbewältigung möglicherweise zu erleichtern.

Andererseits erscheinen, da der Euro wie gezeigt nicht die eigentliche Ursache dieser Krisen ist, die Diskussionen über seine Abschaffung bisweilen schlicht deplatziert. Die Verschuldensprobleme würden dadurch überhaupt nicht gelöst. Und sollte Spanien - auch ohne den Euro - den Wandel nicht schaffen, werden die anderen Staaten – wie auch bei Island oder Ungarn – selbstverständlich einspringen, um das Finanzsystem nicht zu gefährden.

Zwingend erforderlich ist also vielmehr die Einführung eines institutionalisierten Staatsinsolvenzrechts, mit dem sichergestellt wird, dass zukünftig vor allem die Gläubiger der Staatsanleihen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit tragen. Die aktuell diskutierte Idee, Griechenland seine eigenen Anleihen zum aktuellen niedrigen Kurs kreditfinanziert zurückkaufen zu lassen, geht dabei durchaus in die richtige Richtung.

Der Euro als solcher steht solchen Regelungen nicht entgegen. Vor einem allzu lauten Abgesang auf die Währungsunion ist daher schon aufgrund deren symbolischer Bedeutung zu warnen. Tatsächlich sei vielmehr folgende Prognose erlaubt: Der Euro bleibt auch in Zukunft die Währung der Eurozone, weil die EZB weiterhin als Garant der Preisstabilität agieren wird – mit oder ohne Axel Weber.

Der Autor Dr. Alexander Thiele, Akademischer Rat a.Z. ist Habilitand und Assistent am Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften der Universität Göttingen.

 

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Zitiervorschlag

Alexander Thiele, Währungsverdruss: Die Krise ist keine Eurokrise . In: Legal Tribune Online, 02.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2666/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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